Reiche wollen mit ihren philanthropischen Aktivitäten die Welt verbessern. Doch knüpfen sie ihr «Gutes Tun»an eine Reihe von Bedingungen. Eine der reichsten Frauen der Welt bringt einen neuen Ansatz. Dieser könnte Schule machen.

MacKenzie Scott wurde quasi über Nacht zu einer der reichsten Frauen der Welt. Durch die im April 2019 erfolgte Scheidung von Amazon-Gründer Jeff Bezos blieben Scott 4 Prozent der Amazon-Aktien. Damals waren diese 38 Milliarden Dollar wert, nun sind es bereits 60 Milliarden Dollar.

Eine der ersten Handlungen Scotts nach der Scheidung war, einen Weg zu finden, die Milliarden sinnvoll auszugeben. Inzwischen hat sie über 1,7 Milliarden Dollar philanthropischen Zwecken zugeführt.

Sie hätte eine Krebsklinik bauen können

Scott tat dies auf eine Art und Weise, welche die Philanthropie grundlegend verändern könnte, wie ein Artikel auf «Marker» beschreibt, eine Publikation, die zu «Medium» gehört.

1,7 Milliarden Dollar sind eine gewaltige Summe. Scott hätte sich dafür ein nach ihr benanntes Kunstmuseum bauen lassen können oder eine Krebsklinik. Oder sie hätte, wie es viele superreiche Philanthropen tun, eine Stiftung mit einem bestimmten Zweck gründen können.

Sie tat nichts dergleichen

Sie hätte sich auch an eine Grossbank wie die UBS wenden können, die über die Optimus Foundation philanthropische Projekte finanziert, die eine Rendite für die superreichen Geldgeber erwirtschaften sollen.

Bezos Ex-Frau tat nichts dergleichen. Sie vergab die 1,7 Milliarden Dollar an 116 Non-Profit-Organisationen, ohne dies an Bedingungen zu knüpfen. Die Empfänger mussten keine spezifischen Programme in ihrem Namen aufstellen, sie mussten keinen Bewerbungsprozess durchlaufen, sie mussten keine bestimmte Grösse aufweisen.

Leute, die aus eigener Erfahrung handeln

Scott liess sich von einer Beratungsfirma Empfehlungen geben und wählte dann hauptsächlich Organisationen, die von Afro-Amerikanern, von Frauen oder von Zugehörigen der LGBTIQ-Gemeinschaft geführt werden und deshalb aus eigener Erfahrung handeln.

«Eine Gesellschaft, die ungleich ist, ist nicht nur ungerecht, sondern auch instabil», schrieb Scott im vergangenen Juli. Sie wolle Empathie zeigen, Brücken bauen und die Demokratie stärken, lauteten ihre Ziele.

Mehr Kinder in der Schule, mehr Rendite

Was für ein Unterschied zu dem Philanthropie-Ansatz, der in der post-Entwicklungshilfe-Ära entwickelt worden ist. Dieser sieht vor, dass Geldvergaben an Vorgaben und Zielerreichungen geknüpft sind. Zum Beispiel: Die UBS vergibt Gelder von Philanthropie-Kunden für den Bau von Wassersystemen in Schulen in Uganda. Die Bedingung ist, dass dadurch die Präsenz von Kindern in den Schulen steigt. Gelingt dies, erhalten die Investoren eine höhere Rendite.

Es ist dem Philanthropie-Prinzip von Tech-Milliardären wie Bill Gates oder Mark Zuckerberg sehr ähnlich. Geschäftsprinzipien aus den eigenen Aktivitäten werden auf die Philanthropie übertragen: Wo Geld gesprochen wird, muss Geld zurückfliessen. Oder: Wenn ich Euch Geld gebe, dann erwarte ich genau dieses Ergebnis.

Über Menschen wird bestimmt, die Geld erhalten

Stanford-Professor Rob Reich, der das Buch «Just Giving» geschrieben hat, beschreibt dies als «technokratische Philanthropie». Es sei eine Philanthropie, die über die Menschen bestimme, welche die Gelder erhielten. Aber es sei keine, welche mit diesen Menschen und ihren Erfahrungen wirklich zusammenarbeite.

Dieser Art von Philanthropie liegt laut Reich oftmals eine Theorie zu Grunde, wie die Welt verändert oder ein Problem gelöst werden könne. Gelder würden die NGO erhalten, welche diese Theorie dann in die Praxis umsetzen würden, quasi als Erfüller der Vision eines Philanthropen.

«Winners Take All»

Das Problem daran: Dieser technokratische Ansatz sei rein ergebnisorientiert und vernachlässige den menschlichen und interaktiven Aspekt von Philanthropie. In den USA, wo Philanthropie von den Milliardären auch oftmals dem Zweck der Steuerersparnis dient, ist dieser marktwirtschaftliche Ansatz schon länger in der Kritik.

Der US-Autor und «Times»-Journalist Anand Giridharas beschrieb diesen in seinem Buch «Winners Take All: The Elite Charade of Changing the World» als Marketworld-Ethos. Die Geldgeber seien überzeugt, dass Marktinstrumente in der Philanthropie die Lösung seien. Mit ihrem Ethos würden sie davon ausgehen, die Bedingungen einer Entwicklung zu bestimmen und gleichzeitig an der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Spitze zu verbleiben.

Geld auf gerechte Weise zurückgeben

Andere Kritiker wie der niederländische Historiker Rutger Bregman nannte die Philanthropie der Superreichen auch ein Feigenblatt. Viel wirksamer wäre es, die Steuerschlupflöcher der Superreichen dieser Welt zu stopfen.

Entsprechend bleibt auch Scott die Kritik nicht erspart: Giridharadas monierte, dass ihr Geld bei Amazon durch «Steuervermeidung, Tieflöhne und die Unterdrückung von Arbeitsrechten» erwirtschaftet worden sei.

Doch befinde sich Scott in einem klassischen modernen Dilemma: «Sie ist eine Person, die es ernst meint und Geld auf eine gerechte Art und Weise zurückgeben möchte».

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