Nachdem sich die Empörung zum CS-Debakel in der Sondersession entladen hat, muss der Schweizer Finanzplatz jetzt den Scherbenhaufen kitten. Dafür braucht es mehr Nüchternheit als bisher, stellt finews.ch in einer Einordnung fest.

Die Sondersession hat kein gutes Licht auf die Schweiz geworfen. Dass die Polparteien dem Bundesrat mit ihrer Ablehnung des notrechtlichen Hilspakets für die Bankenfusion eine schallende Ohrfeige verpassten, hat das Vertrauen in die politischen Institutionen beschädigt. Die Politiker inszenierten sich offenbar lieber für die kommenden Wahlen, als sich in den Dienst der sonst so oft gelobten Stabilität und Rechtssicherheit zu stellen.

Auch die fast handstreichartige Wertloserklärung von nachrangigen Credit-Suisse-Obligationen (AT1-Anleihen) im Wert von 16 Milliarden Franken rief Empörung hervor.

Eine Bananenrepublik?

Die Quittung aus dem Ausland kam prompt: Jetzt bezeichnen Kommentatoren die Schweiz als Finanz-Bananenrepublik, und zwar ohne ironischen Unterton.

Solange diese negativen Schlagzeilen auf eine kurze Episode beschränkt bleiben, dürfte sich der Reputationsschaden für den Schweizer Finanzplatz in Grenzen halten. Reissen die kritischen Töne jedoch in nächster Zeit nicht ab, dürfte der vielgepriesene Hort der Stabilität jedoch einen permanenten Schaden davontragen.

Das Ausland schaut genau hin

Das Ansehen als verlässlicher Finanzplatz könnte etwa leiden, wenn nach der Sondersession weitere rechtstaatliche Prinzipien verwässert werden.

Heikel werden könnte etwa eine andauernde und selbstzerfleischende Diskussion um die Neutralität und den Umgang mit den eingefrorenen Geldern russischer Herkunft. Es wäre ein gewagter Schritt, wenn die Schweiz blockierte Vermögen enteignen und als Kriegsreparationen für den Wiederaufbau in der Ukraine einsetzen würde.

Ein nächster Test für die Sorgfalt der politischen Arbeit und das Image der Schweiz als sicheren Hafen wird sich zeigen, wenn frühestens im Sommer eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt wird. Bei allen berechtigten Forderungen um eine gründliche Aufarbeitung der Rolle der verschiedenen Akteure rund um das CS-Debakel darf eine PUK nicht zu einer politischen Demontage führen.

Zähmung eines Monsters

Neben Symbolpolitik machten die Politiker an der Sondersession deutlich, dass mit der kombinierten UBS eine grosse und mit einer faktischen Staatsgarantie ausgestattete Bank entsteht, die für den Finanzplatz langfristig mehr Bürde statt Würde bedeutet.

Die Bedenken richteten sich vor allem auf den Schweizer Bankenmarkt. Von verschiedener Seite wurden Vorwürfe laut, wonach die kombinierte UBS den Markt dominieren und sich damit in eine marktbeherrschende Stellung hieven werde.

Schlüsselrolle der Weko

Wie die Bank in die Schranken zu weisen ist, wird vor allem an der Wettbewerbskommission (Weko) liegen. Die Behörde hat scharfe Sanktionsmöglichkeiten, die von einer empfindlichen Busse an die Adresse der UBS bis zur Abspaltung ganzer Bereiche der neuen Bank reichen.

Allerdings hat nicht die Weko das letzte Wort, sondern der Bundesrat. Er kann nach Artikel 11 des Kartellgesetzes von der Weko zuvor untersagte Unternehmenszusammenschlüsse auf Antrag dennoch bewilligen. Aufgrund dieser Konstellation dürfte der politische Druck auf den Bundesrat von jenen Kreisen zunehmen, die der Weko den Rücken stärken wollen und eine Abspaltung der Schweizer Einheit der CS als im Interesse eines gesunden Finanzplatzes sehen.

Fragiles Gleichgewicht

Als weitere Massnahme zur Zähmung einer übermächtigen Monster-UBS diskutierte das Parlament höhere Eigenkapitalvorschriften. Eine Erhöhung der Quoten wird aber nicht zum Nulltarif erhältlich sein, sondern die Kreditwirtschaft unweigerlich belasten und zu Spillover-Effekten führen.

Wenn die Banken für die Vergabe von Hypothekarkrediten mehr Eigenkapital zur Seite legen müssten, würde dies die Schweiz als ein Land mit einer im internationalen Vergleich sehr hohen Hypotheken-Verschuldung empfindlich treffen und könnte schlimmstenfalls eine Immobilienkrise heraufbeschwören. Zudem würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bankbranche bei einem Schweizer Alleingang leiden.

Scheitern lässt sich nicht verhindern

Wie stark auch immer die Schrauben angezogen werden: Selbst mit den strengsten Kapitalquoten der Welt ist keine Bank vor einem Untergang geschützt. Die CS kollabierte nicht wegen zu wenig Kapital, sondern weil das Vertrauen in die vom Verwaltungsrat entwickelte Strategie und in die operativen Fähigkeiten des Managements verlorengingen.

Zur bitteren Wahrheit gehört eben auch, dass das Scheitern in einer Marktwirtschaft geradezu eine Voraussetzung ist, um Innovationen zu finden und Wohlstand zu mehren.

Pauschale Verunglimpfungen

Neben der Regulierungsdebatte waren an der Sondersession auch viel populistische Töne zu vernehmen, wobei sich die Häme zuweilen über einen ganzen Berufsstand ergoss. Pauschale Angriffe dürfte zumindest einige der rund 40'000 Mitarbeitenden in der Credit Suisse und der UBS zu Unrecht verletzt haben.

So müssen bis zum Beweis des Gegenteils etwa gewissenhafte Mitarbeiter der First Line of Defense, auf Vermögensverwaltungsapplikationen spezialisierte Requirements Engineers oder regulatorische Business Analysten nicht für das Debakel geradestehen.

Dennoch müssen auch sie jetzt den Spott ertragen. Allerdings kann der ganze Berufsstand aus dieser Schmach hervorgehen, indem er zu einem bescheideneren Arbeitsethos beiträgt und sich neu bewusst macht, dass seriöse Banker nicht über, sondern mitten in der Gesellschaft stehen.

Nulltoleranz bei Abzockern

Zurecht gegeisselt wurden an der Sondersession indessen Bankmanager, die trotz Verfehlungen happige Boni kassierten. Dass die Bankverwaltungsräte die Zeichen nach der staatlichen Rettung der UBS im 2008 nicht erkannten und an einer toxischen Bonuskultur festhielten, rächt sich jetzt.

Nachdem jetzt auch noch die fehlgeleitete CS mit staatlichen Steuergarantien gerettet werden musste, kann selbst ein liberaler Politiker diese Selbstbedienungsmentalität nicht mehr mit gutem Gewissen tolerieren. Nach dem Versagen der Führungsgremien in den Banken muss darum jetzt die Politik zum Beispiel mit einem Bonus-Deckel dafür sorgen, dass Fehlanreize eliminiert und Verluste auch von Managern getragen werden.

Schnellschüsse vermeiden

Bei aller berechtigten und unberechtigten Kritik der letzten Tage sollten die Politiker ruhig Blut bewahren und sich vor gesetzgeberischen Schnellschüssen in Form einer «Lex UBS» hüten. Sonst wird der Schweizer Finanzplatz nicht nur den Verlust der zweitletzten Grossbank zu beklagen haben. Dann könnte auch der Schweizer Finanzplatz, den die Systemstabilität besonders auszeichnet, aus der internationalen Liga absteigen.

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