Finanzplätze stehen in einem harten Wettbewerb zueinander. Darum erweisen sich manche von ihnen auch als besonders innovativ. Die Schweiz indessen leckt sich seit dem Credit-Suisse-Debakel die Wunden und setzt alle Hoffnungen auf einen einzigen Heilsbringer. Das ist riskant, wie finews.ch-Herausgeber Claude Baumann findet.  

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Der Niedergang der Credit Suisse (CS) als eigenständige Bank hat dem Schweizer Finanzplatz nachhaltig geschadet. Vielleicht weniger im Inland, wo zwar Konsternation und Enttäuschung sehr gross waren; doch im Ausland, namentlich in den wichtigsten Wachstumsmärkten, haben viele Kundinnen und Kunden «mit ihren Füssen abgestimmt» und nach anderen Adressen Ausschau gehalten – oder sie tun es noch immer.

«Der Vertrauensverlust vermögender Kundinnen und Kunden hat vor allem in den Märkten in Asien und im Nahen Osten die Neukunden-Akquise für Schweizer Banken erheblich erschwert», sagte unlängst auch Christian Hintermann, Bankenexperte beim Beratungsunternehmen KPMG Schweiz, im Gespräch mit finews.tv.

Uneinige Dreifaltigkeit

Die Beteuerungen der Schweizer Bankenlobby in Ehren, wonach der hiesige Finanzplatz nach dem CS-Debakel völlig intakt geblieben ist – Tatsache bleibt, dass die Entwicklung im nun bald zu Ende gehenden Jahr ein kollektives Versagen der relevanten Institutionen unseres Finanzwesens zutage gefördert hat.

«Als eine konzertierte Entscheidungsfindung und Zusammenarbeit zwischen dem Finanzdepartement (EFD), der Nationalbank (SNB) und der Finanzmarktaufsicht (Finma) erforderlich gewesen wäre, blieb die Dreifaltigkeit dieser Entscheidungsträger uneins», sagt der Schweizer Finanzexperte Beat Wittmann (Bild unten). Das Trio habe sich auf seine individuellen Mandate konzentriert vund versagte bei der missionskritischen Koordination.

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Finanzexperte Beat Wittmann (Bild: BW)

Beängstigend ist indessen, dass selbst nach den traumatischen Erfahrungen seit vergangenem März kein Bewusstsein entstanden ist, den weltweit angeschlagenen Finanzplatz Schweiz in einer orchestrierten Kampagne wieder auf Erfolgskurs zu bringen. So hat es die offizielle Schweiz etwa sträflich versäumt, in den wichtigen angelsächsischen Leitmedien publizistisch, also mit führenden Branchenvertretern, einen Kontrapunkt zum Schweizer «Finanzplatz-Bashing» zu setzen.

Heilsbringer Ermotti

Stattdessen vertraut man blindlings dem vermeintlichen «Heilsbringer» Sergio Ermotti, der es schon richten wird. Nichts gegen die unbestrittenen Qualitäten des UBS-Chefs und sicherlich internationalsten Swiss Banker derzeit, doch ist es gleichwohl fahrlässig von der Schweiz, der ganzen Entwicklung so tatenlos zuzusehen.

Kennzeichnend war in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass während der kürzlichen Parlamentswahlen die Banken kein Thema waren. «Viele Schweizer Politiker betrachten die Banken wie Privatunternehmen, was es ihnen ermöglicht, sich von den komplexen Zusammenhängen einer Branche fernzuhalten, an der sie kein besonderes Interesse haben, da damit keine Wählerstimmen zu gewinnen sind», bringt es Wittmann auf den Punkt.

Harte Bandagen

Dieses Desinteresse überrascht insofern, da die Schweiz und ihr Finanzplatz zusehends Gefahr laufen, von anderen Zentren überrundet zu werden. Seit den ersten, zaghaften Warnrufen vor einigen Jahren zeichnen sich nun immer deutlichere Zeichen ab, dass unser Land in einem mit harten Bandagen ausgefochtenen Wettbewerb ins Hintertreffen gerät.

Eine Studie der globalen Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) förderte 2022 zutage, dass Hongkong schon in wenigen Jahren die Schweiz als grössten Offshore-Finanzplatz ablösen werde. 

Während Finanzzentren von London über Paris bis Dubai und Singapur in koordinierten Aktionen alles daransetzen, ihre Standortattraktivität nicht nur zu unterstreichen, sondern noch zu steigern, herrscht hierzulande Funkstille. Es fehlt an substanziellen Vorstössen und Initiativen, die darauf abzielen, die Schweizer Finanzbranche als Ganzes der Welt zu präsentieren.

Eine Handvoll Fintechs

Zwar beteiligte sich die Schweiz beispielsweise vergangene Woche am Singapore Fintech Festival (SFF), dem weltweit grössten Anlass dieser Art, mit einem Gemeinschaftsstand, an dem aber neben der UBS und der Schweizer Börsenbetreiberin SIX bloss noch eine Handvoll Fintechs präsent war.

Kein Staatssekretär, kein Bundesrat war in dieser Zeit zugegen – obschon der dreitägige Anlass ingesamt rund 65'000 Besucherinnen und Besucher aus aller Welt anzog. 

Demgegenüber reicht der benachbarte Ausstellungsstand des Dubai International Financial Center (DIFC) am SFF 2023 bis weit an die Decke der Singapurer Expo und ist mit zahlreichen Experten personell hochgradig und äusserst professionell bestückt. Wer die Absicht hat, sich in nächster Zeit in der Golfregion niederzulassen, ist hier gut beraten.

Neues Eldorado der Hochfinanz

Das überrascht den etwas interessierten Besucher wenig. Denn wie finews.ch unlängst wieder einmal feststellte, wird auch die Liste der Schweizer Institute, die es an den Arabischen Golf zieht, von Monat zu Monat länger. Und es sind nicht nur die ganz grossen Häuser, die insbesondere auf Dubai, das neue Eldorado der Hochfinanz, setzen.

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Singapurs Staatspräsident Tharman Shanmugaratnan (Bild: SFF)

Bemerkenswert aber auch, wie Singapur während dem SFF alle wichtigen Minister mitsamt dem neuen Staatspräsidenten und früheren Finanzminister Tharman Shanmugaratnan (Bild oben) aufgeboten hat, um dem Finanzplatz Singapur die gebührende Bedeutung zu verleihen. Der Erfolg gibt ihnen recht.

Aufgrund der hohen Nachfrage hat sich beispielsweise das Antragsverfahren für die Gründung eines Family Office in Singapur von bislang sechs Monaten auf bis zu 18 Monaten verlängert, wie die «Financial Times» (Artikel hinter Paywall) am Montag berichtete, wobei hier auch zu erwähnen ist, dass die Behörden die Prüfung in den vergangenen Monaten verschärft haben, seit im August ein Geldwäscherei-Skandal den Stadtstaat erschütterte, wie auch finews.ch berichtete.

Hongkong rüstet auf

Das kann die Finanzbehörden in Hongkong nur freuen, die sich seit Jahren notorisch einen harten Wettbewerb mit Singapur liefern und alles daransetzen, ihr lädiertes Image nach den politischen Unruhen und der Corona-Pandemie wieder auf Vordermann zu bringen. Vergangene Woche lancierten sie die «Academy for Wealth Legacy», die sich um Family Offices kümmern soll.

Der Vorstoss ist ein weiterer Schritt auf dem Weg bis Ende 2025 mindestens 200 neue Family Offices anzusiedeln. Zu diesem Zweck skizzierte die Regierung bereits im vergangenen März eine Reihe von Initiativen zur Erreichung dieses Ziels, darunter Steuererleichterungen, die Förderung von Talenten und die Einrichtung eines Vermögensverwaltungs-Netzes.

Mit einem Augenzwinkern

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