Baloise-CEO Gert De Winter muss wegen einer Krebserkrankung kürzer treten. Sein Umgang mit dem schweren Leiden ist auch ein Test für den Umgang mit persönlichen Rückschlägen und Schwächen auf dem Schweizer Finanzplatz.

Es war eine ergreifende Szene, als Patrick Frost Ende 2017 vor Journalisten zusammen mit Medienchef Christian Pfister über seine Erkrankung sprach.

Ganz offen berichtete der Konzernchef des Lebensversicherers Swiss Life, wie es ihm selber und seiner Familie dabei ergangen sei – und wurde damit so nahbar, wie es die weiterhin auf einem erhöhten Podest stehenden CEO einem kaum je werden.

Fest im Sattel

Frost war damals Anfang 2017 an Krebs erkrankt und musste sich aus der Firmenführung zurückziehen. Im Sommer war er dann aber nach erfolgreicher Behandlung wieder zurück im Sattel, und sitzt dort seither wohl fester als vor seinem Krankheitsfall.

Denn das ist auch ein Zeichen für die Strahlkraft eines Chefs: Wer mitgenommen vom Kampf gegen ein solch schweres Leiden in das höchst fordernde Amt zurückkehren kann, muss das volle Vertrauen seiner Equipe und des Verwaltungsrats geniessen.

Pionier des Kulturwandels

gert de winter 500

Nun hat der Krebs den Baloise-Chef Gert De Winter (Bild oben) getroffen, wie am Donnerstag bekannt wurde. Auch hier ist aufgefallen, wie offen der Basler Versicherer dazu berichtete. Und der gebürtige Belgier zeigt viel guten Mut, indem er sich vorgenommen hat, sich trotz der medizinischen Eingriffe weiter um die strategischen Belange beim Assekuranz-Konzern zu kümmern.

De Winter, der es zu seinen obersten Zielen zählt, den Kulturwandel beim Unternehmen zu beschleunigen und diesen zum beliebtesten Arbeitgeber der Branche zu formen, ist mit diesem Entscheid seiner Mannschaft wohl nochmals viel näher gerückt.

Das Stigma des Verlierers

Das lässt auf einen überfälligen Wandel hoffen, wie der gesamte Schweizer Finanzplatz mit Schwächen und Rückschlägen von Führungskräften umgeht. Lange herrschte militärische Strenge in den Teppichetagen. Persönliche Nöte wurden verschwiegen, bis es zum Äussersten kam.

Erinnert sei an die tragischen Selbstmorde der Manager Pierre Wauthier und Martin Senn (Bild unten) beim grössten Schweizer Versicherer Zurich, die noch gar nicht so lange zurück liegen, oder an den Suizid von Bankchef Alex Widmer bei Julius Bär.

Senn 500

Weiterhin schwer wiegt in der Schweizer Wirschaft auch das Stigma des Verlierers – ein Rückschlag mit einer Unternehmenung und Fehltritte bleiben unvergessen, während etwa in den USA längst der Leitspruch gilt: «Move fast and break things».

Überhaupt kann Swiss Finance diesbezüglich einiges von der Wall Street lernen. Top-Banker wie der einstige Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein oder Jamie Dimon, CEO der grössten amerikanischen J.P. Morgan, mussten sich wegen Krebsleiden behandeln lassen und haben damit nicht hinter dem Berg gehalten. Gleichzeitig haben sie damit gezeigt, dass sie sich dies als «Könige der Wall Street» eben auch leisten können.

Auch CS-Präsident als Vorbild?

Ein Lehrmeister in Sachen Offenheit im Umgang mit Schwächen könnte hierzulande auch António Horta-Osório sein. Im Jahr 2011 hatte der heutige Präsident der Credit Suisse (CS) damals noch als CEO bei der britischen Lloyds Bank überraschend eine Pause einlegen müssen.

Diagnose: Burnout. Wie es dazu kam, und wie er sich aus dem Tief zurückkämpfte, darüber hat der gebürtige Portugiese dann ganz offen geredet. Auch deswegen ist er letztes Jahr von der britischen Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen worden.

Hierzulande musste sich Horta-Osório nun wegen seines Verstosses gegen Schweizer Quarantäne-Regeln entschuldigen. Ob man dies gelten lässt, wird von einer internen Untersuchung bei der Bank abhängen – aber die Kulturfrage wird auch hier hineinspielen.

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