Hans Lauber, der Chief Investment Officer von Julius Bär, erklärt, was die neue Anlagestrategie seines Hauses vom traditionellen Private Banking unterscheidet.

Herr Lauber, was ist der «Modified Investment Approach»?

Ein zeitgemässer Ansatz, der auf drei Säulen beruht: einer robusten Anlagestrategie gepaart mit einem aktiven Risikomanagement im Falle einer starken Marktkorrektur sowie einer aktiven Vermögensallokation zur Ausnützung von Markt-Opportunitäten und relativen Bewertungsvorteilen. Oder kurz gesagt: Eine Anlage, die eine Krise überstehen kann und sich wieder erholt.

Was ist eine Anlage mit Substanz?

Das sind Anlagen in Qualitätsfirmen, also in Unternehmen mit starken Bilanzen und einer tiefer Verschuldung, die auch einen bedeutenden freien Cash-Flow aus ihrem operativen Geschäft erwirtschaften und somit künftige Zahlungen wie Dividende, Coupon oder Kapital gewährleisten können.


«Laufende Erträge verschaffen mehr Stabilität»


Wie sehen ihre Renditeerwartungen aus?

Hierbei unterscheiden wir uns nicht von den herkömmlichen Anlagestrategien. Bei den Renditeerwartungen hängt vieles von der Risikobereitschaft des Anlegers ab. Für uns stehen nicht bloss Kapitalgewinne im Vordergrund, sondern auch laufende Erträge, wie Zinseinkommen und Dividenden.

Wieso?

Ein laufender Ertrag verschafft einem Portfolio mehr Stabilität. Je höher dieser ist, desto besser kann man mit einer gewissen Volatilität am Aktienmarkt umgehen. Das heisst aber auch, dass man sich von herkömmlichen Portfolios unterscheidet, deren Performance von Aktienanlagen getrieben ist.


«Die Aktienhaussen wiederholen sich nicht so bald»


 Sie meiden also Aktien?

Nein, aber wir versuchen, einen Teil der Aktienanlagen durch andere Engagements zu ersetzen. Dabei handelt es sich um Anlagen, die auch das Potenzial zu Kapitalgewinnen haben, aber laufende Erträge erzielen. Wir suchen gezielt eine gewisse Unabhängigkeit zum Aktienmarkt, da wir nicht davon ausgehen, dass sich die Hausse-Phasen der achtziger und neunziger Jahre bald wiederholen.

Abgesehen von einer tieferen Aktienquote: Wie unterscheidet sich ihr Ansatz vom herkömmlichen Portfolio-Management?

Mit unserem Ansatz werden unsere Entscheidungen auch tatsächlich «performance-relevant» verwaltet. Bei einem herkömmlichen Ansatz wird ein Portfolio jedoch immer relativ eng gegenüber einer Benchmark gefahren, wodurch diese einen dominanten Einfluss auf die Performance hat.

Insbesondere wenn Märkte stark korrigieren und in den Portfolios starke Kapitalverluste entstehen, ist dieser Umstand unerwünscht. Dann nützt auch eine Überperformance gegenüber der Benchmark nichts. Ein Kunde ist nicht besonders erfreut, wenn sein Portfolio in einer Krise «nur» 18 Prozent im Minus ist im Vergleich zum Benchmark, der 20 Prozent verloren hat.


«Diese Lösung ist nicht teurer»


Indem man nicht am Benchmark klebt, kann man ein Portfolio an den Opportunitäten im Markt sowie am Anlagezyklus ausrichten. Dadurch lässt sich die Benchmark über einen mittleren Zeithorizont übertreffen, ohne in einer Krise mit signifikanten Verlusten rechnen zu müssen.

Ist ein solcher Ansatz nicht kostspieliger?

Nein, diese Lösung ist weder für Julius Bär noch für unsere Kunden teurer. Ziel unseres Anlageansatzes ist es ja nicht, primär durch Portfolio-Interventionen einen Mehrwert zu generieren, sondern durch eine ausgewogene Mischung aus Substanz, Einkommen und Diversifikation ein robustes, gut rentierendes Anlageportfolio zu fahren.

Wann intervenieren sie aktiver?

Einerseits im Krisenfall, wenn es gilt, das Risiko grosser Verluste einzugrenzen. Und andererseits, wenn sich Opportunitäten ergeben, bei denen die Risiken überschaubar und das Performance-Potenzial attraktiv sind. Wenn Märkte und Trends stabil sind, kann man die Strategie auch unangetastet lassen.


«Auch bei Merrill Lynch denkt man in Szenarien»


Warum wurde die Investment-Strategie überhaupt umgestellt?

Wir haben uns an die neuen Gegebenheiten angepasst. Das reine Benchmark-Denken ist in den achtziger und neunziger Jahren geboren und funktionierte auch noch nach 2002 gut. Da waren Portfolio-Profile mit einer hohen Aktienquote sehr erfolgreich.

Das hat sich nun aber geändert. Verschuldung und Risiken müssen überall abgebaut werden. Wir erfahren einen enormen Entschuldungsprozess (Deleveraging). Die einstigen Treiber der Aktienmärkte existieren schlicht und einfach nicht mehr im selben Mass. Die Wachstumsquoten werden tief bleiben. In den nächsten Jahren wird sich das Anlageumfeld nicht gross verändern. Daher musste das Verhalten angepasst werden.

Durch die Übernahme des internatonalen Private-Bankin-Geschäfts von Merrill Lynch haben Sie viele neue Kunden erhalten. Passt dieser Ansatz auch zur unterschiedlichen Investment-Kultur von Merrill Lynch?

Am Prinzip des Risikoprofils haben wir nichts geändert. Es gibt beispielsweise konservative, offensive oder wachstumsorientierte Kunden. Die Frage, wie man das Ziel erreicht, hat sich bei uns geändert. Risikoprofil und Anlageziel bleiben so erhalten. Daher lässt sich der Ansatz auch problemlos auf die Merrill-Lynch-Kunden übertragen.

Zudem bin ich der Meinung, dass der Merrill-Lynch-Anlageansatz in seinem Geiste schon unserem Modell entspricht. Man denkt in Szenarien und ist aktiv, wenn sich Chancen bieten oder wenn man wegen Risikoüberlegungen zu Handlungen gezwungen wird.


Hans_Lauber_110Hans Lauber stiess im September 2011 zu Julius Bär und ist seither Head Investment Solutions Group und Mitglied der Geschäftsleitung. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel begann er seine Bankkarriere bei der Credit Suisse, wo er diverse Positionen im Asset Management innehatte.

Im Jahr 1997 wechselte er zur UBS, wo er erst als Leiter Investment Products im Private Banking und später als Leiter des Portfolio Managements tätig war.

Von 1999 bis 2001 arbeitete er als Leiter Investment Services, Trading und Sales und war Mitglied der Geschäftsleitung bei der Coutts Bank Schweiz, ehe er zur Winterthur wechselte, wo er von 2001 bis 2007 Chief Investment Officer und Leiter des Asset Managements war. Zudem war Lauber Mitglied der Konzernleitung.

Vor Julius Bär war Lauber Mitgründer von Arecon in Zürich, einer unabhängigen Vermögensverwaltung.

 

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