Um die Qualität zu erhöhen, müssen Bankchefs dem Beraterpersonal wieder mehr Wertschätzung entgegenbringen, sagt Philipp Rickert, Leiter Financial Services bei KPMG Schweiz, im Interview mit finews.ch. 


Herr Rickert, wie steht es um die Beratungsqualität bei Schweizer Banken?

Die grossen Herausforderungen der Banken sind die regelkonforme Ausrichtung der Geschäftsprozesse und der Einsatz der vielversprechenden Möglichkeiten der digitalen Welt auf eine Weise, die sowohl für die Kundschaft als auch die Bank Mehrwert generieren. Am Schluss kumuliert dies beim Kundenberater.

Man hat unterschätzt, wie sich das Rollenprofil des Kundenberaters durch diese Entwicklungen fundamental verändert. Das Beratungspersonal durch diesen Prozess zu begleiten, ist eine kritische Herausforderung für die Banken. Ich will aber nicht den Teufel an die Wand malen. Die Beratungsqualität ist hierzulande im internationalen Vergleich hoch, muss aber dem sich dauernd verändernden Umfeld angepasst werden.

Was macht denn ein guter Kundenberater aus?

Gute Berater reden nur über den Kunden und nicht über sich selber oder die Bank. Bei einem Affluent- oder High-Net-Worth-Kunden hat der Berater vielleicht zwei bis vier Mal im Jahr die Chance, ihn physisch zu treffen. Eine optimale Vorbereitung besteht darin, bereits im Voraus zu wissen, was den Kunden bewegt, was er vorhat und wie die Bank helfen kann.

«Bei Schweizer Banken ist noch viel Ausbildungsbedarf nötig»

Die für verschiedene Zwecke wie beispielsweise Compliance erhobenen Daten müssen mit guten Datenanalyse-Tools optimal genutzt werden, um das Gespräch mit dem Kundenberater zu einem wirklich tollen Erlebnis für den Kunden zu machen – und das nebst den 24/7 Online-Kanälen. Leider liegt hier unseren Beobachtungen zufolge die Bandbreite von vorbildlich bis katastrophal.

Ein Beispiel für Letzteres?

Einer unserer Mitarbeiter hatte neulich einen Banktermin, weil er sich für eine Kontoeröffnung interessierte. Während des rund eineinhalbstündigen Beratungsgesprächs hat der Berater fast nur darüber geredet, was die Bank alles kann und welche Produkte sie anbietet. Unser Mitarbeiter bekam lediglich eine Frage über sich gestellt.

Allgemein gesprochen, glaube ich, dass bei Schweizer Banken noch viel Ausbildungsbedarf nötig ist, um die Kundenzentriertheit zu erreichen. Berater müssen zuhören und die richtigen Fragen stellen lernen sowie dem Kunden die Chance geben, sich zu artikulieren. Und die Bank muss die Berater mit geeigneten Prozessen und Instrumenten dabei unterstützen.

«Die Anzahl der Berater wird etwa gleich bleiben»

Es gilt, den Kundenberater auch in seinem Selbstvertrauen wieder aufzubauen, das ihm teilweise durch Regulierungsumsetzung und internes Prozessmanagement genommen wurde. Es ist wichtig, dass das Management dem Beraterpersonal wieder mehr Wertschätzung und Vertrauen entgegenbringt. Wenn der Kundenberater happy ist, dann färbt dies auch auf den Kunden ab.

Braucht es künftig weniger Berater – wegen der zunehmenden Digitalisierung?

Um die Kundenzentriertheit wirklich zu leben, braucht es mehr Manpower. Gleichzeitig benötigen standardisierte Dienstleistungen weniger Berater aus Fleisch und Blut. In der Summe wird die Anzahl der Berater in etwa gleich bleiben.

Würden Sie als ausgewiesener Kenner der Finanzbranche im heutigen Umfeld eine Bank gründen?

Nein, es gibt schon genug Banken auf dem Markt. Im Retailbereich wird es zwar keine nennenswerten Veränderungen geben. Mit Blick auf die Privatbanken weisen wir in unserer jährlich erscheinenden Studie bereits seit einiger Zeit darauf hin, dass die Zahl im Schweizer Markt bis auf unter 100 Institute sinken wird, da es zunehmend schwierig wird, eine Nische zu besetzen.

Was hat sich in den letzten Jahren in Gesprächen mit den Banken verändert?

Vor etwa drei Jahren war die Einstellung der Banken gegenüber dem Thema Regulierung sehr negativ geprägt. 

«Regulierung gleicht dem Auspressen einer Zitrone»

Heutzutage beschäftigt es die Banken weiterhin stark, aber sie gehen viel differenzierter damit um und analysieren, wie man mit der bestehenden und künftigen Regulation ein nachhaltiges Business-Modell entwickeln kann.

Das heisst, die Banken müssen ihre Geschäftsmodelle neu definieren?

Ja, getrieben auch durch die Regulierung. Es gibt zunehmend Banken, die nun ein positives Momentum sehen. Es mag komisch klingen, aber die Geldwäscherei-Vorschriften führen dazu, dass Banken ihre Kundenportfolios ganz genau untersuchen, nicht nur um mögliche schwarze Schafe zu identifizieren, sondern die Kundenbeziehungen auch auf ihre Wirtschaftlichkeit für die Bank hin zu prüfen, und ob die Kunden zur Strategie der Bank passen.

Inwiefern ist das Swiss Banking denn auf anstehende Regulierungsvorhaben wie das Fidleg vorbereitet?

Einige Institute nehmen noch eine reaktive Haltung ein, während andere proaktiv vorgehen. Ein Kollege brachte es treffend auf den Punkt: Regulierung gleicht dem Auspressen einer Zitrone. Die einen sehen darin nur sauren Saft, die anderen machen Limonade damit.

«Innovationdruck kostet immer Geld»

Die grösseren Finanzinstitute haben wegen ihrer internationalen Ausrichtung ihre Geschäftsprozesse mehrheitlich auf die kommende Mifid II eingestellt. Kleinere Finanzinstitute haben gerade zu Mifid II ein distanziertes Verhältnis, und dann gibt es noch diejenigen, die Mifid II nicht kümmert – mit der Begründung, sie würden auf das Fidleg warten. Das ist insofern riskant, da der eine oder andere Kunde nach Mifid-II-Standards beraten werden muss.

Die Prozesse regulationskonform aufzugleisen kostet Geld, was sich vermutlich nur die Grossen leisten können. Aber auch Marktführer stehen unter einem enormen Spardruck.

Ja, aber Innovationdruck, egal woher er kommt, kostet immer Geld. Das ist in allen Industrien so. Der Maschinensektor produziert heute anders als noch vor zwanzig Jahren. Ich denke, jene Finanzinstitute sind auf gutem Weg, welche die positiven Elemente aus der Regulierung ziehen und unter anderem auf dieser Basis ein innovatives und nachhaltiges Geschäftsmodell entwickeln.

Apropos Profitabilität: Welche Kosten-Ertrags-Quote müssen die Banken anvisieren?

Es kommt auf das Geschäftsmodell an. Eine Retailbank, die ihre Erträge mehrheitlich aus dem Zinsdifferenzgeschäft generiert, sollte eine Kosten-Ertrags-Quote unter 55 Prozent erreichen. Im Investmentbanking liegt die Quote höher, da die Geschäfte weniger standardisiert und auch die Löhne höher sind. Hier liegt die Bandbreite zwischen 70 und 90.

«Die Finanzindustrie ist nicht sehr innovationsschnell»

Im Privatbankengeschäft sind Werte zwischen 60 und 75 Prozent nachhaltig. Die Kosten-Ertrags-Quote alleine ist aber ein wenig aussagekräftiger Leistungsindikator.

Welche Rolle spielt hierbei die Digitalisierung?

Die Digitalisierung wird einen grossen Einfluss auf die Kostenstruktur in rückwärtigen Diensten haben. Hier wird noch viel manuell erledigt. An der Front wird der Einfluss geringer sein.

Allerdings gilt die Finanzindustrie als nicht als schneller Innovator. Denn es handelt sich um eine hochgradig verzahnte Industrie mit Anbindungen an Börsen- und Zahlungssysteme. Die Betreuung von Kunden ist rechtlich komplex. Auch die länderspezifischen Regulierungen verlangsamen die Innovation.

Für den Kunden ist das aber nicht primär ein Problem. Er wünscht sich eine stabile, interaktive und vor allem individuelle Beziehung zur Bank – digital wie auch persönlich.


Philipp Rickert übernahm 2011 als Leiter Audit Financial Services die Verantwortung für das Audit von Banken und Versicherungen bei KPMG Schweiz und ist seit Anfang 2013 Mitglied der Geschäftsleitung. Er stiess 1996 zu KPMG und wurde 2003 Partner. Rickert studierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaften an der Universität St. Gallen und ist eidgenössisch diplomierter Wirtschaftsprüfer.

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