Schweizer Privatbanken haben die Gunst der Stunde genutzt und in grossem Stil wechselwillige Kräfte der Credit Suisse angeworben. Doch das Wachstum lässt branchenweit auf sich warten – das setzt die Neuzugänge in den kommenden Monaten unter enormen Erwartungsdruck.

EFG International wird am 21. Februar über eine der grössten Rekrutierungsrunden ihrer Geschichte berichten. Allein in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres stellte die Zürcher Privatbank 130 neue Kundenberater – so genannten Client Relationship Officer (CRO) – ein. Analysten der Zürcher Kantonalbank (ZKB) erwarten nun, dass die Neueinstellungen bis Ende 2023 auf 156 angeschwollen sind.

Rund ein Drittel der Schar dürfte sich dabei aus Ehemaligen der Credit Suisse (CS) zusammensetzen. Schon vor dem Zwangsverkauf der CS an die Grossbank UBS im vergangenen März hatten dort die Fliehkräfte markant zugenommen. EFG-Präsident Alexander Classen fiel im Mai 2023 mit der Aussage auf, es würde nur noch ein Monat zur Rekrutierung von CS-Kräften verbleiben.

Einmaliges «Window of opportunity»

Unlängst sagte der höchste EFG-Banker zu finews.ch, die CS-Übernahme habe ein einmaliges «Window of opportunity» geboten. «Unser Management-Team hat hart gearbeitet, um gute Leute zu gewinnen», blickte Classen auf jenen Ausnahmezustand am Bankenplatz zurück. Gratis war dieser Fang allerdings nicht zu haben. So erwarten die ZKB-Analysten, dass die Kosten beim Institut 2023 auf 1 Milliarde Franken gestiegen sind.

Das mag nach einer enormen Summen klingen, rechtfertigt sich aber durch die Einmaligkeit der Chance. Ob die Ausgaben sich auch rechnen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Bankpräsident Classen hat hierzu bereits eine ganz dezidierte Meinung: Mit Blick auf 2024 erwarte EFG, dass die Hälfte aller Netto-Neugelder von den neuen Kräften komme, sagte er.

Giftiger Cocktail

Mit anderen Worten: Auf den abgeworbenen CS-Bankern lastet in den nächsten Monaten ein hoher Erwartungsdruck. Und dies längst nicht nur bei EFG, sondern wohl auch den anderen Schweizer Privatbanken, die in grossem Stil Personal von der Krisenbank angezogen haben. Zu nennen sind hier zuvorderst Julius Bär und Lombard Odier.

Und der Druck erscheint umso grösser, wenn das schwache Wachstum betrachtet wird, das jene Institute für 2023 bisher ausgewiesen haben.

Die Volumen litten dabei branchenweit unter einem giftigen Cocktail aus Frankenstärke, Abflüssen aus Wertschriften-Produkten und Kunden, die ihre Lombardkredit-Positionen abbauten. Beim Zürcher Traditionhaus Julius Bär, dessen Gewinn sich 2023 wegen eines 606-Millionen-Franken-Abschreiber auf Krediten an Firmen des Signa-Konglomerats von Investor René Benko praktisch halbierte, waren die verwalteten Vermögen gerade mal um 1 Prozent auf 427 Milliarden Franken stiegen.

Zweite Welle lässt auf sich warten

Die Wachstumsrate beim Neugeld lag derweil bei 2,9 Prozent. Das ist zu wenig für ein Institut, das die Ambition hegt, bis im Jahr 2030 rund 1 Billionen Franken Vermögen zu verwalten. Die «zweite Welle» von Abflüssen bei der CS, wie sie Bär-Präsident Romeo Lacher vergangenen Mai im Gespräch mit finews.ch in anklingen liess – sie hat sich nicht gerade als schäumender Brecher erwiesen.

Zu wünschen übrig liess das Wachstum auch bei Lombard Odier, jener Bank also, in den vergangenen Monaten mit wahren Wechselkrimis auf sich aufmerksam machte.

Trotz Stellenabbau rekrutieren

Wie Senior Managing Partner Hubert Keller dieser Tage zu finews.ch sagte, ist das von neuen Kunden zur Genfer Privatbank getragene Vermögen zwar am oberen Ende des im Private Banking anvisierte Neugeld-Wachstums von 3 bis 5 Prozent ausgefallen. Dennoch kamen die vom Institut verwalteten Private-Banking-Vermögen Ende 2023 mit 193 Milliarden Franken nur 1 Milliarde Franken höher als im Vorjahr zu liegen. Ebenfalls resultierte gerade mal 1 Milliarde Franken Neugeld.

Keller gab sich im Gespräch ganz entspannt. Als privat gehaltenes Institut geniesse Lombard Odier den Luxus der lange Sicht, fand er. Im vergangenen Jahr haben die Genfer rund 60 Kundenberater eingestellt. Ein kleinerer Teil davon stammt von der CS. Bei Julius Bär hingegen zieht der Gewinneinbruch bereits einen Stellenabbau nach sich; allerdings erklärte die Privatbank, sie wolle an der Kundenfront im Jahr 2024 weiter rekrutieren.

Gnadenlose Faustregel

Gebräuchlicherweise erhalten neu eingestellte Kundenberater zwei bis drei Jahre Zeit, ihre Stammkunden zum neuen Arbeitgeber hinüber zu locken. Wobei auch die Faustregel gilt: Wer nicht in den ersten drei Monaten damit keinen Erfolg hat, wird auch später scheitern.

Wenn aber das Jahr so weiter geht, wie es begonnen hat, dann gewinnt das Wachstum über Neugeld für die Privatbanken noch mehr Bedeutung. Die Börsen befinden sich weiterhin im Banne der Zinswende. Cash-Anlagen erscheinen gegenüber teuren Wertschriften-Produkten attraktiv, und der starke Franken drückt noch stärker als zuvor. Um das Ruder noch für ihre neuen Arbeitgeber herumzureissen, müssten die neu eingestellten Banker, darunter auch die Ehemaligen der CS, wahrhafte Superkräfte entwickeln.

Wann reisst der Geduldsfaden?

Ansonsten spannt sich der Geduldsfaden ihrer Chefs. Kenner des Abwerbe-Karussells wie Klaus Biermann von der Executive-Search-Firma Biermann Neff erwarten, dass dieser Faden zuweilen reissen wird. «Es ist damit zu rechnen, dass diverse Neuankömmlinge von den Grossbanken die ambitiösen Ziele nicht erreichen und daher in zwei bis drei Jahren weitergezogen sind respektive weiterziehen müssen», sagte der Headhunter unlängst zu finews.ch.

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