Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren tut sich Julius Bär mit einer Beteiligung in Italien enorm schwer. Die Zürcher Traditionsbank hat damit bereits eine Menge Geld verloren. Nun könnte das Institut einen Schlussstrich unter dieses unrühmliche Abenteuer im Bel Paese ziehen. 

Die Zürcher Traditionsbank Julius Bär verhandelt mit der italienischen Banca Patrimoni Sella & C. über den Verkauf ihrer 70-prozentigen Beteiligung am Mailänder Asset Manager Kairos. Darüber berichtete diese Woche zuerst die italienische Finanzzeitung «Milano Finanza» (Artikel kostenpflichtig). 

Dem Vernehmen nach hat das piemontesische Finanzinstitut bereits mit der Due-Diligence-Prüfung der Konten von Kairos begonnen. Diese Arbeit soll einige Wochen in Anspruch nehmen. Laut den Quellen, die dem Dossier nahestehen, könnten die Arbeiten im kommenden September abgeschlossen sein. Ein Sprecher von Julius Bär erklärte auf Anfrage, die Bank nehme zu Gerüchten und Spekulationen keine Stellung.

Zurich und Anima überboten

Die Banca Patrimoni Sella hat vor diesem Hintergrund sowohl die Zurich-Versicherungsgruppe sowie den unabhängigen italienischen Vermögensverwalter Anima überboten, die ebenfalls Interesse an einer Übernahme bekundet hatten.

Aktuell befinden sich rund 30 Prozent des Kapitals in den Händen einer Reihe von Kairos-Managern, die teilweise auch zu den Gründern des Unternehmens gehören. Unter anderem handelt es sich dabei um den aktuellen CEO Alberto Castelli, Guido Brera, Rocco Bove, Massimo Trabattoni und Caterina Giuggioli.

Leidiges Kapitel

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Kairos in Mailand (Bild: PD)

Noch ist unklar, ob im Falle eines Angebots die Banca Patrimoni Sella dieses auch auf den Minderheitsanteil der Kairos-Manager ausdehnen würde. Wer indessen die Strategie der Unternehmerfamilie Sella kennt, würde wird vermutlich darauf wetten, dass im Falle eines Angebots, sämtliche Kairos-Aktionärinnen und -Aktionäre ausgekauft werden.

Der in Mailand domizilierte Vermögensverwalter Kairos verwaltet heute etwas mehr als 5 Milliarden Euro (rund 5 Milliarden Franken). Damit käme die Banca Patrimoni Sella auf Depotgelder von rund 25 Milliarden Euro.

Verkaufsgerüchte rund um Kairos respektive Julius Bär machen schon seit Jahren die Runde. Der italienische Vermögensverwalter ist ein leidiges Kapitel in der Geschichte der Zürcher Traditionsbank. Dabei hatte die «romanza italiana» zunächst so wunderbar begonnen.

Italienische Privatbank geplant

Erstmals wurden die Kaufpläne von Julius Bär im Juli 2012 bekannt. Der damalige CEO Boris Collardi, der praktisch gleichzeitig den Kauf von Merrill Lynch International vorantrieb, vereinbarte mit den Kairos-Gründern eine schrittweise Übernahme – damals ein Asset Manager mit 4,5 Milliarden Euro an verwalteten Vermögen und mehr als 115 Mitarbeitenden.

Im November 2012 kam es dann zur ersten Transaktion: Julius Bär erwarb 20 Prozent zu einem geheim gehaltenen Preis. Stattdessen hiess es: Geplant sei eine italienische Privatbank namens Kairos Julius Bär SIM; eine Banklizenz sei der Plan; CEO und Gründer Paolo Basilico bleibe an Bord.

Den richtigen Zeitpunkt verpasst

Tatsächlich entwickelte sich Kairos in der Folge höchst erfreulich. Bis im November 2015 stiegen die Kundenvermögen auf mehr als 8 Milliarden Euro. Collardi wollte weitere 60 Prozent übernehmen und zwar mit der Absicht, das Unternehmen später an die Börse zu bringen. Im April 2016 fand der Kauf statt. Julius Bär zahlte 276 Millionen Euro für die 60 Prozent. Die Märkte brummten. Der Börsengang stand weiterhin auf der Agenda, allerdings ohne genaues Datum.

Im Herbst 2016 räumte Collardi ein, man sei etwas vom Gas gegangen. Die Kunden seien passiver geworden. Gleichwohl entwickelte sich Kairos optimal, 2017 war ein Spitzenjahr, die leitenden Mitarbeitenden erhielten deutlich höhere Boni. Doch Collardi verpasste den richtigen Zeitpunkt für den Börsengang – vermutlich, weil er sich bereits mit seinem abrupten Abgang zu Pictet befasste.

Heisse Kartoffel

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Eingangstür zu Kairos in Mailand (Bild: PD)

Die «heisse Kartoffel Kairos» ging in die Verantwortung von Collardi-Nachfolger Bernhard Hodler über, der noch immer die Option eines Börsengangs am Köcheln hielt, aber bald einmal einsehen musste, dass es nicht genügend Käuferinnen und Käufer für die Kairos-Papiere gab. Mit anderen Worten: Julius Bär scheiterte mit dem Plan, über einen Börsengang eine Prämie einzufahren. Zu dem Zeitpunkt hatte die Traditionsbank rund eine halbe Milliarde Franken in ihr italienisches Abenteuer investiert. 

Nachdem er und einige seiner Gefolgsleute gehörig Kasse gemacht haben, trat Kairos-Gründer Paolo Basilico als CEO ab; an seiner Stelle folgte im April 2018 Fabio Bariletti. Im Markt war Kairos Ende 2018 höchstens noch 350 Millionen Euro wert – zu wenig für die Zürcher Bank, die alleine rund 320 Millionen Franken Goodwill auf ihrer Italien-Tochter in den Büchern hatte.

Zwischen 2018 und 2019 kam es dann zu einer Vielzahl von Verkaufsverhandlungen. Zu den Interessenten gehören unter anderem, die Mediobanca, Lombard Odier sowie Hellman & Friedman, JC Flowers, Apax Partners und Centerbridge – doch alle Gespräche verliefen im Sand.

Hohe Abschreiber

Im September 2019 gelangte die Kairos-Beteiligung in die Verantwortung von Hodler-Nachfolger Philipp Rickenbacher, der kurz nach seiner Amtsübernahme als CEO entschied, dass das italienische Finanzinstitut enger an die Gruppe angebunden werde. Als Folge davon verliessen einige fähige Manager das Unternehmen. Im Oktober 2019 verliess gar ein ganzes Hedgefonds-Team die Firma. Ende 2019 nahm Julius Bär einen Abschreiber von 100 Millionen Euro vor. 

Im Verlauf der Corona-Krise von 2020 durchlebte Kairos eine schwierige Zeit. Einige wichtige Investment-Manager an Bord übernahmen insgesamt rund 30 Prozent des Kapital, während Julius Bär bis heute die übrigen 70 Prozent hält, über die nun erneut verhandelt wird. Im Oktober 2020 gab die Zürcher Bank einen Abschreiber von 170 Millionen Euro bekannt, rund zwei Jahre später einen weiteren von 57 Millionen Franken.

Schlussstrich ziehen

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Mailänder Dom (Bild: Francesco Sgura, Pexel)

Die jüngsten Verkaufsverhandlungen hat der Markt durchaus positiv aufgenommen. Denn für Julius Bär ist es mit dieser Beteiligung nie nachhaltig gelungen, das Angebot nachweislich auszubauen oder gar Geld zu verdienen. Die Kundenberater der Bank, denen angetragen worden war, die Kairos-Produkte ihrer Kundschaft zu verkaufen, hielten sich kaum daran.

Im Herbst wird sich zeigen, ob die Bank Julius Bär einen Schlussstrich unter ihre «romanza italiana» ziehen kann; dies in einem Markt, der unterdessen von anderen Schweizer Privatbanken bereits wieder heftig umworben wird.  

 

 

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