Nach der Zwangsübernahme der Credit Suisse sehen sich die Genossenschaftsbanken – widerwillig – in die Rolle der Nummer zwei im Swiss Banking gerückt. Doch in einem Geschäft, in dem eigentlich die Grossbanken dominieren, hat Raiffeisen durchaus Ambitionen.

In einem Presseinterview sagte es Heinz Huber (Bild unten) jüngst klipp und klar: Die Raiffeisen Gruppe hat kein Interesse, eine internationale Akteurin nach dem Vorbild der UBS und der Credit Suisse (CS) zu werden. «Wir wollen keine Grossbank sein», so der CEO von Raiffeisen Schweiz.

Dass die Gruppe nach dem Untergang der CS zur Nummer zwei im Swiss Banking aufrückt, nimmt man bei den Genossenschaftsbanken also eher widerwillig zur Kenntnis. Was nicht heissen will, dass CEO Huber in gewissen Bereich nicht hoch hinaus will.

Wie eine mittlere Privatbank

So ist Raiffeisen bereits die führende Hypothekarbank der Schweiz. Nun schickt sich die Gruppe mit ihren 219 einzelnen Instituten an, in einem Bereich zu punkten, der bisher klar von der UBS und der CS wird: in der Vermögensverwaltung.

Wie auch finews.ch berichtete, hat die Raiffeisen Gruppe im ersten Halbjahr 2023 neue Depotvermögen im Umfang von 1,8 Milliarden Franken angezogen. Die verwalteten Kundenvermögen kamen bei 246,6 Milliarden Franken zu liegen, das entspricht dem Bestand einer mittleren Schweizer Privatbank. Dies, während der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft, dem die Vermögensverwaltung zugeordnet wird, auf 310,9 Millionen Franken anstieg.

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(Bild: Raiffeisen)

Marke von einer halben Million Depots überschritten

Das ist aus Sicht der Genossenschaftsbanken noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Am Rande der Konferenz sagte CEO Huber zu finews.ch: «Wir haben im ersten Halbjahr die Marke von einer halben Million Depots überschritten. Bei 3,65 Millionen Kundinnen und Kunden sehe ich hier noch einiges Potenzial»:

Natürlich: Im Vergleich zur UBS, die in der Schweiz allein im vergangenen zweiten Quartal Kundengelder von 15,3 Milliarden Dollar einsammelte, nehmen sich die Volumen bei Raiffeisen als nachgerade winzig aus. Ebenfalls musste sich die Gruppe nach der strategischen Kehrtwende mit dem Verkauf der einstigen Privatbanken-Tochter Notenstein La Roche in dem Geschäft erst neu orientieren. Erst vor vier Jahren wurde etwa das Mandateangebot bei Raiffeisen neu aufgesetzt.

Tiefe Eintrittschwellen

Doch zwei Aspekte des Neugelds bei Raiffeisen sollten auch bei der Marktführerin zu denken geben. Erstens die Dynamik, die das Anlage- und Vorsorgegeschäft der Genossenschaftsbanken inzwischen aufweist. Innerhalb der ersten sechs Monate des Jahres wurden 16'600 Depots eröffnet. Besonders stark war mit 15,6 Prozent der Zuwachs bei der Anzahl verkaufter Vermögensverwaltungs-Mandate.

Und Zweitens: woher das Geld stammt. Mandate sind bei Raiffeisen bereits ab einem Vermögen von 50'000 Franken erhältlich. Bei der digitalen Vermögensverwaltung «Rio» liegt das Mindestinvestitionsvolumen bei 5'000 Franken. Das ist das klassische Segment der vermögenden Kunden, im Jargon «Affluents» genannt.

Den Markt geknackt?

Dynamik und Fokus der Raiffeisen-Vermögensverwaltung legen nun nahe, dass es den Genossenschaftern gelungen ist, diesen notorisch schwierigen Markt zu knacken.

Seit Jahren haben das nicht zuletzt die UBS und die CS versucht. Glaubt man Beratungsfirmen wie Oliver Wyman, ist das Potenzial in diesem Private Banking für die Massen enorm: Bis 2026 sollen in diesem Markt weltweit Ertragsströme im Umfang von 45 Milliarden Dollar zu holen sein – und bis in vier Jahren könnten schliesslich zwei Drittel aller Private-Banking-Erträge aus diesem Segment stammen.

Von unter her aufrollen

So viel zum Potenzial. Doch für grosse Vermögensverwaltungsbanken mit teuren Strukturen ist es notorisch schwierig, in diesem Geschäft profitabel Fuss zu fassen. Raiffeisen kommt zugute, dass sie den Affluent-Markt gleichsam von unten her aufrollen kann: Mit der enormen Reichweite im Retailbanking kennt die Gruppe die Kunden längst, bevor sie vermögend werden, und verdient bereits an ihnen. Wenn dann bei der Pensionierung, einer Erbschaft oder beim Verkauf eines Hauses oder einer Firma Vermögen ins Spiel kommen, müssen die Raiffeisen-Banken nur noch die Tür offen halten.

Ganz so einfach ist es nicht, folgt man Huber. «Wir haben viel in die Beratung investiert», sagt der Raiffeisen-CEO. «Wir wollen ein grundlegendes Themenverständnis bei Kundinnen und Kunden sicherstellen, damit Entscheidungen gemeinsam und mit einem guten Gefühl getroffen werden.»

Neue Produkte in hohem Takt

Investiert wurde auch in das Produkte- und Serviceangebot, und dies in hohem Takt. So lancierte die Gruppe im Jahre 2020 die digitale Vermögensverwaltung Rio, 2021 wurde eine digitale Säule 3a-Lösung in das E-Banking integriert. Im vergangenen Jahr wurde dann vorab die Produktpalette mit nachhaltigen indexnahen Fonds erweitert. Heute sind nach Angaben der Bank rund 95 Prozent des Raiffeisen-Fondsvolumens nachhaltig investiert.

Das schnelle Wachstum der letzten Monate sieht Huber denn auch in dieser Vorarbeit begründet. «Wir setzen auf einfach verständliche und auf die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden ausgerichtete Anlagelösungen, die bereits für kleine Vermögen verfügbar sind.»

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