Der Fall Dubai zeigt, wo die Vorteile der Schweiz liegen. Sie bietet mehr als nur das Bankgeheimnis, sagt René Hermann, Head Private Banking bei Valartis.

 

rene.hermannHerr Hermann, wie arg hat das Schweizer Private Banking unter den jüngsten Angriffen auf das Bankgeheimnis gelitten?

René Hermann: Man hat zwar von verschiedenen Seiten her versucht, den Ruf des Schweizer Private Banking zu ramponieren. In Gesprächen mit Kunden spüre ich aber, dass man sehr wohl zwischen politisch motivierten Anschuldigungen und der tatsächlichen Arbeit unserer Private Banker zu unterscheiden vermag.


«Doch was sind die Alternativen? Dubai?»

Etwas überspitzt formuliert könnte man sagen: Das Schweizer Private Banking ist für die meisten langjährigen Kunden mit internationalen Bankverbindungen nach wie vor der Goldstandard in der Vermögensverwaltung.

Zahlen über Neugeldzuflüsse und -abflüsse bei verschiedenen Banken sind einigermassen bekannt. Meinen Sie, dass nicht alle Länder gleich betroffen sind?

Vor allem die internationale Kundschaft ist auf Grund der jüngsten Entwicklungen rund um das Bankgeheimnis verunsichert, und zwar unabhängig vom fiskalischen Status der Gelder in der Schweiz. Doch was sind die Alternativen? Dubai? Für die meisten Anleger stellt sich die Frage gar nicht.


«Die Kunden sind informierter, aber auch kritischer geworden»

Es gibt kaum einen Finanzplatz, der eine so lange Tradition im Private Banking hat wie die Schweiz. Und wo sonst findet man vergleichbar hohe Qualitätsstandards? Gerade in schwierigen Zeiten zählen Tradition und Erfahrung doppelt. Die Kunden bringen ihr Geld lieber in einen Hort der Sicherheit als in einen auf Sand gebauten Retorten-Finanzplatz in weiter Ferne.

Ist ein Private-Banking-Kunde heute wirklich so viel besser informiert als noch vor zwanzig Jahren?

Absolut. Die Kunden sind informierter, aber auch kritischer geworden. Dank Internet und Finanzpublikationen wissen sie über Märkte und Anlagen Bescheid. Wenn es trotzdem zu Problemen kommt, wie etwa mit den berüchtigten strukturierten Lehman-Produkten, ist meist der Berater nicht ganz unschuldig. Die Kunden durchschauen auch je länger je mehr, wenn eine Bank nur auf Absatz und Umsatz aus ist und keine echte offene Architektur bei den Produkten anbietet.

Was sucht die Klientel in einem Kundenberater?

Im Private Banking geht nichts ohne Vertrauen zwischen Kunde, Kundenberater und Bank. Und dieses Vertrauen können ein Kundenberater und seine Bank nur vermitteln, wenn sie ihre Werte auch wirklich leben. Deshalb ist eine Rückbesinnung auf vermeintlich altmodische Werte und bewährte Stärken so wichtig: Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit, Anstand, Einfühlungsvermögen, Loyalität – dem Kunden und der Bank gegenüber.


«Die Kunden wollen keine Finanz-Alchemisten»

Unsere Aufgabe ist es, nicht nur in guten Zeiten für unsere Kunden dazusein, sondern auch, wenn es auf den Finanzmärkten etwas ruppiger zu und her geht. Kunden suchen eine nachhaltige, verlässliche Partnerschaft mit einer starken, unabhängigen Bank. Sie wollen keine Finanz-Alchemisten, sondern solides, seriöses Handwerk.

Letztlich geht es aber wohl jedem Anleger auch um die Performance.

Sicher. Bei allen schönen Worten über Service, Kundennähe und Qualität kommt unter dem Strich kein Private Banker darum herum, auch Performance und Anlagesicherheit zu liefern. Gerade Kunden, die sich ihr Vermögen selbst erwirtschaftet haben, wollen, dass ihre Bank dieselben überdurchschnittlichen Leistungen erbringt, wie sie selbst es beispielsweise beim Aufbau ihrer Firma getan haben.

Muss ein guter Kundenberater ein Alleskönner sein?

Nein. Natürlich muss ein Private-Banking-Berater seine Materie kennen. Das setzt jeder Kunde als selbstverständlich voraus. Er muss dieses Wissen aber auch vermitteln können, und zwar nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe mit dem Kunden. Manchmal kann zuviel Fachwissen sogar kontraproduktiv sein, etwa wenn ein Berater seinen Kunden während einer vollen Stunde mit Charts, Strukturen und Besserwisserei bombardiert und den Kunden selber kaum zu Wort kommen lässt.


«Nichts ist lästiger als ein ständiger Wechsel in der Beratung»

Ein Kundenberater muss auch zuhören können. Er muss auch nicht immer auf alles gleich die richtige Antwort haben. Niemand kann alles wissen, auch der beste Kundenberater nicht. Deshalb gibt es Spezialisten – für Vorsorge, Versicherung, Nachfolgeregelung, Erbschaftsplanung usw. Es gehört auch zur hohen Schule der Kundenberatung, den Kunden mit den richtigen Experten zusammenzuführen. Letztlich braucht es also beides: Fachwissen auf der einen Seite und Soft Skills auf der anderen. Diese reichen von einem anständigen, seriösen Auftritt über die Gesprächsführung bis zum Respekt, den man seinem Gegenüber entgegenbringt.

Wie gehen Sie mit dem Zielkonflikt «Loyalität gegenüber dem Kunden – Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber» um?

Das ist kein Widerspruch, im Gegenteil. Kunden schätzen Langfristigkeit und Kontinuität in der Betreuung. Nichts ist lästiger als ein ständiger Wechsel in der Beratung. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir unseren Kundenberatern ein optimales Arbeitsumfeld bieten, um die Fluktuation möglichst niedrig zu halten. Dabei geht es nicht um überrissene Löhne und Boni, sondern um das gesamte Umfeld: Freiräume, unternehmerisches Denken und Handeln, flache Hierarchien, kurze Entscheidwege, Entscheidungskompetenz, Selbstverantwortung. Letztlich muss die Gleichung für alle involvierten Parteien – Kunde, Kundenberater und Bank – aufgehen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Schweizer Private Banking?

Ich bin optimistisch. Der «Kampf» um die Kunden wird sich aber intensivieren. Wer jetzt nichts aus den Fehlern lernt, die vor der Krise begangen wurden, wird zu den Verlierern gehören – zum Glück für aufstrebende kleinere Banken, denen sich dadurch neue Möglichkeiten für eine kundenorientierte Expansion bieten. Gerade wendigen jungen Banken bietet die Krise vor allem auch Chancen. Im Augenblick gibt es, wenn Sie mir die englischen Ausdrücke verzeihen, ein «Window of Opportunity», ein «Level Playing Field». Jetzt haben alle die gleichen Chancen und eine einmalige Gelegenheit, etwas Neues aufzubauen, sich zu profilieren und sich gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren.


«Der Kampf um die Kunden wird sich intensivieren»

Besonders optimistisch bin ich für das Schweizer Private Banking als Ganzes. Die Schweizer Banken haben ausgezeichnete Karten, die Herausforderungen der Krise und der Zukunft zu meistern: Anders als auf vielen anderen Finanzplätzen gibt es bei uns ein breit gefächertes Finanzplatz-Cluster mit der kritischen Grösse, Know-how und Erfahrung und der entsprechenden Reputation bei der internationalen Kundschaft. Die Zeichen stehen gut, dass sich die Schweiz zum weltweiten «Center of Excellence» für Private Banking entwickeln kann.

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Das Interview erschien erstmals in PRIVATE, dem Magazin für private und institutionelle Investoren. Eine ausführliche Fassung des Gesprächs findet sich auf diesem Link.

 

 

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