Ein Zinsanstieg sei nicht unmittelbar Anlass zur Sorge, findet Franz Wenzel. Als gesicherte Tatsache gelte aber auch, dass höhere Zinsen über kurz oder lang Gift für Dividendenwerte seien, so der Experte von Axa IM.

Franz Wenzel ist Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA Investment Managers. Er schreibt abwechselnd mit Stephan Heitz monatlich für finews.ch.

Mitte März war es wieder einmal so weit. Die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) hob unter der Leitung von Janet Yellen den Korridor für den Notenbankzins um 25 Basispunkte auf 0,75 Prozent bis 1 Prozent an. Die Reaktionen an den Märkten fielen moderat aus, waren die Zinsen am langen Ende doch bereits im Vorfeld gestiegen.

An den Aktienbörsen war eine Art von Erleichterung zu verspüren, zumal in den Börsensälen die Befürchtung umging, dass die Notenbankchefin einen schärferen Ton als erwartet anschlagen könnte. Letzteres blieb aus.

Bloss keine Nachlässigkeit

Dies sollte nun allerdings nicht zu Nachlässigkeit verführen. Weitere Zinserhöhungen stehen an. Bestenfalls wird man sich die Frage stellen, um wie viel und in welcher Geschwindigkeit die US-Zinsen angehoben werden. Daher sind langfristige Investoren gut beraten, sich eine Sicht der Dinge zurechtzulegen, die man in die Formel «in Übertreibungsphasen das Risiko reduzieren» fassen könnte.

Dies scheint auf den ersten Blick überraschend. Sowohl in den USA als auch in China, aber auch hier in Europa und der Schweiz lassen die konjunkturellen Daten sowie die Prognosen den Schluss zu, dass 2017 wie auch 2018 ein ordentliches Wachstum von um die 1,5 Prozent in Europa, über 2 Prozent in den USA und 6 Prozent in China möglich sein werden. Die Unternehmensgewinne wachsen nach einer zweijährigen Rezession wieder.

Mit Liquidität der Zentralbank gekauft

Bei all dem Positiven sollte man allerdings ein wesentliches Element nicht übersehen. Die Aktienhausse, die seit mehreren Jahren das Börsengeschehen prägt, ist mit Zentralbank-Liquidität gekauft. So hat sich der US-Markt seit seinem Tief 2008 mehr als verdreifacht, während die US-Unternehmensgewinne sich bestenfalls verdoppelt haben. Den Rest der Hausse, die die Börsenbewertung auf mehr als das 25-fache der Unternehmensgewinne gehebelt hat, verdanken wir Herrn (Ben) Bernanke und Frau (Janet) Yellen.

Von dieser Hausse haben auch die Aktienbörsen in Europa, die Schweiz eingeschlossen, mehr als nur profitiert, zumal sich hier in Europa die Unternehmensgewinne abgesehen von einer kurzen Erholungsphase nach der Krise von 2008/09 in den vergangenen Jahren kaum von der Stelle bewegt haben. Mit anderen Worten: Auch hier in Europa sind Aktien nicht gerade billig und anfällig, zumal das Fundament, sprich ein solides Unternehmensgewinnwachstum, fehlt.

Im ersten Anlauf durchaus positiv

Allerdings greift eine isolierte Betrachtung auf der Basis der Unternehmensgewinne zu kurz. Vielmehr gilt es, das Zinsniveau mit in die Betrachtung einzubeziehen. Ein Zinsanstieg ist nicht unmittelbar Anlass zur Sorge. Vielmehr ist er als Indiz für eine sich bessernde Konjunktur zu werten und daher im ersten Anlauf durchaus positiv.

Als gesicherte Tatsache gilt aber auch, dass höhere Zinsen über kurz oder lang Gift für Dividendenwerte sind. In der Vergangenheit war ein Anstieg der realen (US-)Renditen (nominales Zinsniveau abzüglich der Inflation) auf über 2,5 Prozent eine wichtige Hürde, die, einmal überschritten, eher zu Marktkorrekturen und damit zu einem niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) führte.

Von der Schallmauer noch entfernt

Auf der Basis heutiger Renditen sind wir von dieser Schallmauer aber noch ein ganzes Stück entfernt. In den USA liegen die Renditen im Laufzeitensegment zwischen fünf und zehn Jahren bei nominal 2 Prozent bis 2,5 Prozent. Bei langfristigen Inflationserwartungen von etwa 2,5 Prozent entspricht dies einer realen 10-jährigen Rendite um die 0 Prozent.

Das sehen die Investoren ähnlich: An den Märkten werden zehnjährige Realzinsen um die 50 Basispunkte (TIPS) gehandelt. Bei einer langfristig zu erwartenden Inflationsrate von 2 Prozent bis 2,5 Prozent könnten nach dieser Rechnung die nominalen Renditen bis auf 4 Prozent ansteigen. Dies entspräche einem weiteren Zinsanstieg i. H. v. 150 Basispunkten im zehnjährigen Segment und käme einem Zeitsprung zurück in den Juli 2008 gleich.

Besonderheiten der Schweizer Börse

Das scheint utopisch. Angesichts des weiterhin unsicheren politischen Umfelds auf beiden Seiten des Atlantiks ist es weitaus realistischer, dass Investoren früher das eher unsichere und mit hoher Volatilität behaftete Aktienterrain zugunsten festverzinslicher Anlagen verlassen. Dies gilt umso mehr, als viele institutionelle Investoren weiterhin einen deutlichen Nachholbedarf haben, was das Thema Laufzeiten-Divergenz zwischen Aktiva und Passiva angeht (duration gap). Bei welchem Zinsniveau der Shift Richtung festverzinsliche Anlagen einsetzen wird, bleibt allerdings ungewiss.

Neben dem internationalen Umfeld gilt es, einige Besonderheiten für die Schweizer Börsen zu beachten. Bei einem aktuellen KGV von ungefähr 24 x (auf der Basis veröffentlichter Gewinne) ist der Schweizer Aktienmarkt eher teuer bewertet. Allerdings bietet eine attraktive und relativ stabile Dividendenrendite von über 3 Prozent einen gewissen Schutz und damit eine relative Attraktivität.


wenzel franz 134 192Franz Wenzel gehört seit Oktober 2016 dem Team ‹Multi Asset Client Solutions› von Axa Investment Managers an. Seit Mai 2012 koordinierte er als Chefstratege die Abteilungen makroökonomische Forschung und Investment-Strategie. Zwischen 2005 und 2010 war er stellvertretender Direktor der Abteilung Research & Investment. Wenzel stiess Ende 1997 als Senior Investment Strategist zu Axa IM und war verantwortlich für die makroökonomische Analyse der Eurozone und daran angrenzender Länder. Ab 2000 beschäftigte er sich schwerpunktmässig mit dem weltweiten Aktienmarkt und Rohstoffen als Anlageklasse.

Zuvor hatte er drei Jahre als Chief Investment Officer für das Bankhaus Metzler in Frankfurt/Main gearbeitet. Zu Beginn seiner Karriere war er als Marktstratege und Produktentwickler bei der Commerzbank in Frankfurt/Main tätig gewesen. Von 1985 bis 1988 hatte er einen Lehrauftrag im Fach Banking and Finance an der Universität Würzburg, Deutschland, wo er 1989 in Betriebswirtschaft promovierte.

 

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