Lange Zeit konnten sich die Schweizer Banken darauf verlassen, dass ihnen die Vermögen ausländischer Kundinnen und Kunden einfach zuströmten. Diese Zeiten sind vorbei. Heute liegt das Epizentrum des grossen Geldes in der Wüste. Doch nirgendwo anders liegen Chancen und Risiken so nah beieinander.

Trotz erheblicher kultureller Unterschiede zum Westen besitzt Dubai als internationale Finanzdrehscheibe seit einigen Jahren eine einzigartige Anziehungskraft. Das Emirat ist zu seinem Sammelbecken illustrer Stars, Influencer, digitaler Nomaden, aber auch visionärer Unternehmer, Investoren und Vermögender aus aller Welt geworden.

Daraus resultiert nicht nur eine immense Wertschöpfung, sondern ein Übermass an Kapital, das seiner Verwaltung harrt. Damit vollzieht sich ein Paradigmenwechsel in der Hackordnung der grossen Finanzzentren. Brauchten die Schweizer Banken in der Vergangenheit nur darauf zu warten, dass ihnen das Geld der Superreichen aus aller Welt zufloss, strömt es jetzt nach Dubai und ins benachbarte Abu Dhabi, wo es sich rein äusserlich in den mondänen Immobilienobjekten der Superlative manifestiert, die wie Pilze aus dem Boden der Wüste schiessen.

Auf den Geschmack gekommen

Optimale Geschäftsbedingungen – örtlich konzentriert im Dubai International Financial Centre (DIFC), einer futuristisch anmutenden Wirtschaftszone – verbunden mit tiefen Steuern, einem attraktiven Einreise- und Aufenthaltsregime (Stichwort: Golden Visa) sowie vielen Anreizen, damit sich Firmen ansiedeln und last but not least die politisch neutrale Haltung der Regierung in den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) tragen zusätzlich dazu bei, dass auch Schweizer Banken und Vermögensverwalter in dieser Region auf den Geschmack kommen.

Die Genfer Privatbank Lombard Odier etwa will ihre Belegschaft von derzeit knapp 20 Beschäftigten in den nächsten drei Jahren verdoppeln. Die UBS wiederum wird nach erfolgter Integration der Credit Suisse (CS) rund 200 Mitarbeitende in Dubai beschäftigen. Andere ehemalige CS-Leute haben in den vergangenen Monaten zur Deutschen Bank gewechselt, darunter ein zehnköpfiges Team unter der Ägide des hochgelobten Kundenberaters Saad Osseiran, wie auch finews.ch berichtete.

Konkurrenz für Singapur

«Als Reaktion auf das rasche Wachstum im Nahen Osten, das sich in starken Zuflüssen sehr vermögender Personen, institutioneller Kunden und Family Offices widerspiegelt», schreibt die Genfer Union Bancaire Privée (UBP), habe sie Anfang 2024 ihre Führungscrew unter der Leitung von Mohamed Shoukry neu aufgestellt und beschäftigt bereits 40 Personen vor Ort. Selbst das Zürcher Investmenthaus Vontobel, das nicht in der Region selbst vertreten ist, baut seine Kundenberater-Teams in Genf und Zürich dieses Jahr massiv aus, um an dem Wachstumsmarkt zu partizipieren, wie Nahost-Chef Gianpiero Galasso unlängst gegenüber finews.ch erklärte.

Immer mehr zeichnet sich ab, dass Dubai dem südostasiatischen Finanzzentrum Singapur den Rang abläuft. Ging die Zahl der vermögenden Privatpersonen im vergangenen Jahr global gesehen leicht zurück, nahm sie lediglich im Nahen Osten zu, wie aus dem Wealth-Report der Beratungsgesellschaft Capgemini hervorgeht. Dabei verzeichneten die VAE den höchsten Nettozufluss von Millionären; gemäss Schätzungen von Henley & Partners, einer Beratungsfirma für Investitionsmigration, allein im vergangenen Jahr 4'500.

Gefahr von Blasen

Das rasante Wachstum in den vergangenen Jahren birgt aber auch Risiken; die Gefahr von Blasen drängt sich in verschiedenen, allmählich überhitzten Branchen auf; am meisten im Immobiliensektor, wo niemand weiss, ob tatsächlich eine so grosse Nachfrage besteht, wie es das Angebot an mondänen Projekten insinuiert. Aber auch die Frage der Reputation müssen sich die internationalen Banken immer wieder stellen, solange sie in der westlichen Welt hehre Werte der Gleichberechtigung, Nachhaltigkeit und Vielfalt propagieren.

Das Verständnis für diese kulturellen Werte ist in Nahost noch bei weitem nicht so weit gediehen wie in Europa; gleichwohl sind sich die Regenten am Golf bewusst, dass sie ihre globalen Ambitionen nur realisieren können, wenn sie sich mittelfristig dem Kodex der freien Welt angleichen.

Botschafter Lionel Messi

Bis zu einem gewissen Grad findet dies bereits auch statt. Die VAE arbeiten heute auf Geheiss ihrer Regenten an einem Gesellschaftssystem, in dem unterschiedliche Wertesysteme koexistieren können. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich gleichzeitig in Europa und in den USA ein Populismus breit macht, der die Werte der Freiheit mit Füssen tritt.

Selbst das benachbarte Saudi-Arabien, wo das meiste Geld in der Region liegt, und wo eine Art Marshall-Plan das Land bis 2040 zu einer Oase des globalen Wohlstands und Fortschritts machen soll, scheut mittlerweile keine Kosten mehr, um sich einen Anstrich westlicher Vielfalt und Toleranz zu verpassen. Bestes Beispiel dafür ist ein Werbespot gegen Vorurteile mit dem argentinischen Fussballstar Lionel Messi (Video oben) in der Hauptrolle.

Auf Geheiss der USA – Lizenzentzug für russische Bank

Mit einem weiteren Phänomen werden sich die Schweizer Banken in den VAE ebenfalls noch intensiv befassen müssen: Galten vermögende Russinnen und Russen unmittelbar nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs noch als höchst willkommene Klientel zwischen Dubai und Abu Dhabi, zeitweilig zählten sie zu den grössten Immobilienkäufern in der Region, hat sich diese Entwicklung in mehrfacher Hinsicht gelegt. Zum einen gehen vielen Russinnen und Russen aufgrund der rasanten Abwertung des Rubels die Mittel aus, zum andern haben die USA mittlerweile selbst gegenüber den VAE einen derart hohen politischen Druck aufgebaut, dem sich sogar die Scheichs nicht entziehen können.

Bestes Beispiel dafür ist die russische MTS Bank, ein Ableger des grössten russischen Mobil-Telekom-Unternehmens Mobile TeleSystems; besagtes Finanzinstitut hatte in den «guten» Zeiten noch eine Lizenz in den VAE für seinen Bankbetrieb erhalten. Als die USA ihr Sanktionsregime gegenüber Russland dann massiv ausweiteten, sanktionierten sie auch die MTS Bank. Das wiederum hatte der Folge, dass die VAE nicht umhinkamen, die zuvor gewährte Lizenz wieder zu annullieren.

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