Warum Führungskräfte ihre wichtigste Währung verspielen
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
Branding bedeutet nicht Logos oder Slogans, sondern Kultur zu leben und zu kultivieren. Eine tragfähige Kultur entsteht durch drei einfache Schritte: zuhören, verstehen, anpassen. Der wahre Wert einer Marke ist ihre Reputation – das, was man über sie sagt und wie man über sie spricht. Wer diese Stimmen überhört, verspielt Vertrauen: die wertvollste Währung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Wie schnell Vertrauen verspielt wird
Die jüngsten Beispiele sind deutliche Warnsignale. Die Credit Suisse scheiterte nicht nur an mangelndem Risiko- und Compliance-Management, sondern auch an gierigem Investmentbanking, das letztlich zu einem Kulturversagen und massiven Vertrauensverlust führte.
«Überall zeigt sich dieselbe Lehre: Wer nicht zuhört, riskiert seine Basis.»
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) wirkt zunehmend in sich selbst verstrickt, gefangen in einem elitären, dogmatischen Monolog, anstatt als globales Forum des Austauschs zu fungieren. Marken wie Budweiser oder Heinz verloren durch unbedachte Kampagnen das Vertrauen ihrer Kunden und damit auch ihren Markenwert. Überall zeigt sich dieselbe Lehre: Wer nicht zuhört, riskiert seine Basis.
Stimmungen in klare Botschaften übersetzen
Leaders, die zuhören, nehmen Stimmungen auf und übersetzen sie in klare Botschaften, während viele Politiker an ihren Wählern vorbeireden und vorbeiregieren. Wirtschaft und Politik machen denselben Fehler, wenn sie Bedürfnisse ignorieren und sich zu stark auf sich selbst fokussieren. Der Westen verliert sich zunehmend in Symbolpolitik. «Wokeness» ersetzt Substanz und Kultur, während die Menschen konkrete Lösungen für Energie, Wasser, Infrastruktur und Sicherheit einfordern.
«Politik und Finanzplatz Schweiz verharren zu häufig in regulatorischer Selbstzufriedenheit.»
Ein Beispiel für nachhaltigen Erfolg kommt aus Shenzhen. Aus einer kleinen Garage heraus verstand Frank Wang die Bedürfnisse der Nutzer und setzte sie in Drohnen für Fotografie und Videografie um. Heute ist DJI international führend. Erfolg entsteht aus Zuhören, Verstehen und konsequentem Handeln. Während DJI kontinuierlich wächst, verharren Politik und Finanzplatz Schweiz zu häufig in regulatorischer Selbstzufriedenheit und technokratischer Routine. Die entscheidende Frage lautet daher: Hört die Schweiz wirklich zu – ihren Werten, Wählern, ihrer Bevölkerung, ihren Partnern, Talenten und der nächsten Generation?
Erfolg heisst verstehen, prüfen, handeln. «Wokeness» dagegen bedeutet reagieren, moralisieren – und damit verlieren. Die Zukunft gehört jenen, die Resonanz statt Monolog wagen, Empathie mit Klarheit verbinden und Innovation mit Verantwortung verknüpfen. Nur sie werden die Markenwerte stärken und das Vertrauen bewahren, das kostbarer ist als jede andere Währung.
«Wer nicht zuhört, wird auch nicht verstehen.» – Konfuzius 551 v. Chr. bis 479 v. Chr.
Florin Baeriswyl ist Unternehmer und Berater für internationale Markenführung und -strategie sowie für Design. Er gründete 1987 «dai Zürich», eine Design-Agentur, die Corporate Design-Dienstleistungen in Zürich und mittlerweile auch in London und Shanghai anbietet. Aufgrund seines frühen Engagements in China wurde er zu einem Experten für die strategische Entwicklung von Unternehmen zwischen Ost und West. Als Folge davon berief ihn die in Peking ansässige DeTao Group an die Fudan/SIVA-Universität sowie an die DeTao Masters Academy. Überdies gründete er das Institute for Swiss International Branding (ISIB).