NextGen Collector: Wie eine neue Generation den Kunstmarkt transformiert


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Es wächst eine neue Generation von Kunstsammlern heran, die den globalen Kunstmarkt leise, aber bestimmt verändert. Digital vernetzt, kritisch und werteorientiert, interessieren sie sich weniger für Rendite oder Status als vielmehr für eine persönliche, sinnstiftende Verbindung zur Kunst. Sie kaufen mit dem Herzen – und mit dem Kopf.

«Klassische Galerien oder Museen treten in den Hintergrund.»

Statt elitärer Exklusivität wünschen sie sich Transparenz, Dialog und Teilhabe. Ihre Entscheidungen prägen neue Narrative, fördern Diversität und stellen das überkommene Selbstverständnis der Kunstwelt infrage. Klassische Galerien oder Museen treten in den Hintergrund, gesucht wird Kunst auf digitalen Plattformen und in unkonventionellen Räumen. Aber wer sind diese neuen Sammler – und was treibt sie an? 

Neue Ikonen, neue Narrative

NextGens – also Millennials und ältere GenZs – sammeln anders: Sie interessieren sich weniger für historische Prestigeobjekte als für Künstler, die aktuelle Themen wie Identität, Gender oder Aktivismus verhandeln. 

«Für viele junge Sammler ist Kunst ein Ausdruck persönlicher Werte.»

Es geht darum, Teil eines dynamischen, sich ständig weiterentwickelnden Dialogs zu sein, der Kulturen und Technologien miteinander verbindet. Dabei durchbrechen sie Barrieren einer einst abgeschotteten Gesellschaft, in der Wissen und Zugang zur Kunst streng gehütet wurden.

Sammeln mit Haltung 

Für viele junge Sammler ist Kunst ein Ausdruck persönlicher Werte. Sie unterstützen Künstler, die sich mit Identität, Gerechtigkeit oder sozialer Transformation auseinandersetzen. Man interessiert sich für Visionen einer inklusiveren Welt, in der Kunst als Medium für ein neues Erzählen, für Repräsentation und Empowerment dient. 

Es geht darum, Teil eines dynamischen, sich entwickelnden Dialogs zu sein, der Kulturen und Technologien verbindet. Zentrale Merkmale der Sammelpraxis sind Austausch und Community. 

Misstrauen gegenüber Institutionen und Sammeln per Klick 

Museen, Auktionshäuser und Mega-Galerien haben an Autorität eingebüsst. NextGens informieren sich über Social Media, Peer Groups und unabhängige Quellen. Ob Instagram, TikTok, digitale Viewing Rooms oder artist reels: Die Entdeckung neuer Kunst findet online  statt. 

«Online-Plattformen sind längst einer der wichtigsten Kanäle für Kunstkäufe.»

Junge Sammler fordern Transparenz, digitale und schnelle Zugänglichkeit ohne Hürden und Beratung auf Augenhöhe, statt Exklusivität und Elitedenken. Online-Plattformen sind längst einer der wichtigsten Kanäle für Kunstkäufe: Eine grosse Mehrheit der jungen Sammler nutzt sie wegen, einfacher Navigation und unkomplizierter Abwicklung.  

Das klassische Auktionshausmodell gilt vielen als intransparent und überholt. Stattdessen wird Kunst zunehmend als Teil der eigenen digitalen Identität verstanden und über soziale Netzwerke entdeckt, diskutiert und gekauft.

Erfahrung schlägt Besitz

Für viele junge Sammler zählt der direkte Austausch mit Künstlern mehr als der Besitz einer Trophäe. Sie besuchen Ateliers, folgen den Künstlern auf Social Media und schätzen persönliche Gespräche über Inhalte, Prozesse und Haltung. Laut Art Basel & UBS Art Market Report entdecken über 50 Prozent der unter 40-Jährigen Kunst digital, suchen aber aktiv den persönlichen Kontakt.

Neue Zentren des Kunstsammelns

Regionale Verschiebungen prägen zunehmend den globalen Kunstmarkt. Die USA bleiben zwar Marktführer, doch bedrohen politische Unsicherheiten und die Einführung von Zöllen den Spitzenplatz. Die Plätze 2 (China) und 3 (UK) verzeichneten 2024 starke Rückgänge der Auktionsverkäufe.  

Gleichzeitig gewinnt der Nahe Osten an Bedeutung: Saudi-Arabiens Vision 2030 treibt den kulturellen Wandel in der Golfregion voran. Katar wird zum nächsten Schauplatz der Art Basel und des internationalen Kunstmarktes.

Nachhaltigkeit

GenZ’s legen grossen Wert auf ethisches Verhalten, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung und überträgt diese Werte auch auf ihr Sammelverhalten. Der Klimawandel zählt laut aktuellen Studien zu einem der wichtigsten Anliegen dieser Generation. 

Das führt zu wachsendem Interesse an umweltfreundlich produzierter Kunst und einer kritischen Haltung gegenüber CO₂-intensiven Praktiken des Kunstbetriebs, wie z.B internationalen Transporten oder energieaufwendigen Messeformaten.

Generationenwechsel im Vermögen

Die Kunstwelt blickt mit großer Aufmerksamkeit auf die Wünsche der jungen Generation, denn viele von ihnen werden künftig über enormes Vermögen verfügen.

Ökonomische Prognosen gehen davon aus, dass in den kommenden 20 Jahren weltweit Vermögenswerte in Höhe von rund 84 Billionen Dollar den Besitzer wechseln werden. Laut einer Analyse der Bank of America werden davon rund 30 Billionen an die Generation X (geb. 1965–1980), 27 Billionen an die Millennials (1981–1996) und 11 Billionen an die Generation Z (1997–2012) vererbt.


Birgit Gudat, Senior Manager, Head Art Management bei Kendris. Gudat verfügt als Kunsthistorikerin über umfassende Kenntnisse im Bereich des Sammlungsmanagements, des Kunstmarktes sowie des internationalen Museumswesens. 

Elena Bittner, Senior Consultant Art Management bei Kendris. Die Kunsthistorikerin verfügt umfangreiche Fachkenntnisse im Bereich des Galeriewesens und des internationalen Kunstmarktes.