J.P. Morgan setzt im Schweizer Firmenkundengeschäft auf den Mittelstand
Herr Karl, im Schweizer Firmenkundengeschäft werden die Karten neu gemischt. Wo sehen Sie J.P. Morgan positioniert?
Wir sind eine der führenden internationalen Auslandsbanken für Schweizer Firmenkunden. Seit 60 Jahren sind wir in der Schweiz präsent und haben uns über viele Jahre stark auf das Large-Cap-Segment konzentriert, also die SMI-Konzerne sowie grosse private Unternehmen, etwa im Rohstoff- oder Schifffahrtsbereich. Unser Anspruch ist es, in diesem Umfeld die wichtigste internationale Bankpartnerin zu sein.
In den vergangenen drei bis vier Jahren haben wir unser Geschäft bewusst erweitert und eine Initiative gestartet, mittelständische Unternehmen stärker zu adressieren. Ausserhalb der USA zählen die Märkte in der Schweiz und Deutschland hierbei zu den Vorreitern. Unser Ziel ist, uns in diesem Segment nachhaltig als Partner zu etablieren.
Andere internationale Häuser sind hier ebenfalls aktiv, sodass es ein klarer Markttrend ist. Wir wollen uns jedoch durch Beständigkeit und eine enge Zusammenarbeit mit bestehenden Kunden differenzieren.
Welche Themen beschäftigen diese Kunden besonders?
Viele Schweizer Mittelständler haben sich traditionell stark auf ihre hiesigen Banken verlassen und ihr Auslandsgeschäft eher unsystematisch aufgebaut.
Für grosse Unternehmen dagegen ist es seit Langem selbstverständlich, mit klarer Strategie internationale Bankenpartner auszuwählen – sei es für Asien, Nordamerika oder globale Themen. Genau hier sehen wir eine grosse Chance, Wert zu stiften und uns als relevanter Partner zu positionieren.
«Die Resilienz vieler Schweizer Unternehmen erlaubt es, Entwicklungen mit Ruhe zu beobachten.»
Der Wegfall der Credit Suisse hat diese Entwicklung beschleunigt. Das öffnet Türen, gerade im Mid-Cap-Segment. Im Large-Cap-Bereich arbeiten wir ohnehin mit der überwiegenden Mehrheit der Kunden zusammen, aber auch dort konnten wir jüngst einige zusätzliche Mandate gewinnen.
Wie definieren Sie den Mittelstand, den J.P. Morgan adressiert?
Für uns relevant sind solide mittelgrosse Firmen, vielfach international tätig – beispielsweise die SMIM-Unternehmen. Ein fixes Umsatzkriterium haben wir nicht, wichtiger ist die Passung: Wo können wir unsere Stärken als global aufgestellte Bank einbringen? Unser Mehrwert liegt im internationalen Geschäft, in Skaleneffekten und in globaler Vernetzung. Für kleinere, rein lokale Unternehmen sind wir nicht der richtige Partner – und das kommunizieren wir offen.
Die geopolitische Lage ist angespannt. Wie wirkt sich das auf das Geschäft von J. P. Morgan aus?
Wir spüren eine deutlich höhere Sensibilität bei den Unternehmen. Viele arbeiten stärker mit Szenarien, planen kurzfristiger und leben mit dem «Unexpected». Es ist jetzt beim den Schweizer Unternehmen jedoch kein hektischer Aktionismus ausgebrochen. Produktionsstandorte werden nicht flächendeckend verlagert. Vielmehr beobachten wir ein vorsichtiges Abwarten. Wenn, werden punktuell strategische Schritte bzw. Veränderungen getan.
«Technologie spielt eine immer grössere Rolle: Echtzeit-Treasury, Blockchain im Zahlungsverkehr oder AI im Cashflow-Forecasting.»
Das hat auch mit der Stärke vieler Schweizer Unternehmen zu tun: solide Bilanzen, robuste Geschäftsmodelle, langjährige Handelsbeziehungen. Diese Resilienz erlaubt es, Entwicklungen mit Ruhe zu beobachten. Zugleich darf man nicht zu lange in der Komfortzone verharren: Das Risiko, einen wichtigen Schritt zu verpassen, ist real.
Wie unterscheiden sich Schweizer Unternehmen im Vergleich zu anderen Firmenkunden?
Die Schweizer zeichnen sich durch eine hohe finanzielle Solidität und eine grosse Professionalität aus. Sie wissen sehr genau, wie sie ihre Kapitalstruktur adressieren oder sich im M&A-Markt bewegen müssen. Gleichzeitig pflegen sie einen partnerschaftlichen Ansatz: Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist hier stärker ausgeprägt als in vielen anderen Märkten.
Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Die Stärke kann manchmal in Schwerfälligkeit umschlagen. Gerade in etablierten Industrien fehlt es mitunter an der Bereitschaft, radikalen Wandel anzustossen. Europa insgesamt – und damit auch die Schweiz – muss aufpassen, im globalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Hier sind mehr Entscheider gefragt, die Veränderungen entschlossen vorantreiben.
Welche Trends stehen bei ihren Kunden oben auf der Liste?
Technologie und Risikomanagement stehen ganz oben. Viele Firmen überdenken ihre Risk Policies, auch ausgelöst durch volatile Energiepreise oder Währungen. Gleichzeitig spielt Technologie eine immer grössere Rolle: Echtzeit-Treasury, Blockchain im Zahlungsverkehr oder AI im Cashflow-Forecasting.
Nicht jeder Kunde will Vorreiter sein, manche warten ab. Doch wer früh testet, verschafft sich einen Vorteil. Wir sind überzeugt, dass gerade Blockchain-Lösungen und AI langfristig unverzichtbare Werkzeuge im Finanzmanagement werden.