Deutschland ist seit 2013 im Besitz einer Steuer-CD der Bank Leumi Schweiz mit Dutzenden von Kontodaten jüdischer Kunden. Mit der Verfolgung dieser Steuerhinterzieher tun sich die Behörden schwer.

Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen hat sich unter seinem Finanzminister Norbert Walter-Borjans als besonders reger Käufer von geklauten Steuer-CDs Schweizer Privatbanken hervorgetan. Im Jahr 2013 erwarb Walter-Borjans einen Datenträger, auf dem mehrere Dutzend Namen sehr vermögender jüdischer Kunden der Bank Leumi (Schweiz) enthalten gewesen sein sollen, wie das deutsche «Handelsblatt» (Artikel kostenpflichtig) am Dienstag schrieb.

Die Bank Leumi (Schweiz) war eine der ausländischen Privatbanken mit einem besonders hohen Anteil von Schwarzgeldkonten. An die USA musste das Institut eine Busse von 400 Millionen Dollar bezahlen. Im Jahr 2014 kaufte die Bank Julius Bär die «sauberen» Leumi-Kundenkonti und das israelische Institut schloss in der Schweiz seine Pforten.

Schwer belastete Historie

In Deutschland brüteten derweil Finanzbeamte über den Daten. Diese waren gut: Die über 100 Leumi-Kunden auf der CD sollen fast durchwegs sehr vermögend gewesen sein. Doch das Thema war aufgrund der historisch schwer belasteten Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sehr heikel.

Die Ermittlungen gegen jüdische Steuerbetrüger in Deutschland mussten darum sehr diskret und in aller Stille vonstatten gehen.

Das «Handelsblatt» erfuhr nun von einer Aktion deutscher Steuerfahnder auf israelischem Boden. Dabei ging es um einen heute bei Tel Aviv lebenden ehemaligen Kunden der Bank Leumi (Schweiz), der bis zu 100 Millionen Euro am deutschen Fiskus vorbeigeschleust haben sollte.

«Politische Sensation»

Gegenüber dem Wirtschaftsblatt bezeichneten angesprochene Steuerstrafrechtler den Fall als «politische Sensation». Dass deutsche Steuerfahnder israelischen Boden betreten dürfen, sei bis vor kurzem noch undenkbar gewesen.

Der moralische Konflikt, in welchem sich Deutschland bei der Verfolgung jüdischer Steuerhinterzieher befindet, ist verständlich. Auf der Leumi-Steuer-CD befand sich eine Reihe von Kontodaten von Menschen, über die das deutsche Nazi-Regime unaussprechliches Leid gebracht hatte. Dennoch ist die deutsche Gesellschaft wegen der unterschlagenen Steuern auch in einer Opferrolle.

Geld von Nazi-Opfern in der Schweiz

Die Rolle der Schweizer Privatbanken und insbesondere auch der Bank Leumi (Schweiz) ist in diesem dunklen Kapitel eine besondere. Denn Nazi-Opfer und ihre Nachkommen schleusten aufgrund ihrer erlittenen Erfahrungen Gelder am deutschen Fiskus vorbei in die Schweiz.

«Das kollektive Gedächtnis dieser Menschen besagt, dass sie dem deutschen Staat nicht trauen dürfen», zitiert das «Handelsblatt» eine Anwältin. «Das hat sich eingebrannt, auch bei späteren Generationen. Das Sicherheitsgefühl, einen Schatz im Ausland zu haben, von dem der deutsche Staat nichts weiss, ist nicht zu ermessen.»

Historisches Misstrauen gegenüber dem Staat

Ein Steuerberater berichtete der Zeitung von einem Ansturm von Nazi-Opfern mit Schweizer Konten, die ihre Konten nachträglich deklarieren wollten. Das seien heikle Gespräche gewesen, in den Tränen geflossen seien. «Diese Menschen haben ein historisches Misstrauen gegenüber dem deutschen Staat.» Einer dieser Leumi-Kontoinhaber sei ein ehemaliger Häftling des Konzentrationslagers Auschwitz gewesen.

Deutschland erledigte diese Fälle der Steuerhinterziehung, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr. Ein deutscher Steueranwalt mit vielen jüdischen Mandanten sagte dem «Handelsblatt», in Bezug auf das Wissen dieser Art von Schwarzgeldkonten sei die Stimmung bei den deutschen Finanz- und Strafverfolgungsbehörden sehr angespannt gewesen.
«Wenn eine Diskussion über reiche Juden losbricht, die ihre Millionen verstecken, weiss niemand, was passiert», so der Anwalt.

Nackt und wehrlos

Die Selbstanzeigen dieser Bankkunden seien vielfach bedrückend, weil sie gegenüber dem deutschen Fiskus wirklich alles offenlegen müssten, so ein weiterer Steuerberater. «Das ist eine totale Offenbarung. Ich habe einen 95-jährigen Kunden, der seitdem Angst hat, auch nur an einer Polizeistation vorbeizugehen. Das ist rational nicht zu erklären. Aber so ist es nun mal. Der Mann fühlt sich nackt und wehrlos.»

Der ehemalige Leumi-Kunde in Tel Aviv, den deutsche Steuerfahnder besucht hatten, verweigert sich einer Einigung. Doch weil er bereits seit einiger Zeit in Israel lebt, interessiert der Fall auch die dortigen Steuerbehörden. Ihre Beamten waren im Rahmen der Rechtshilfe bei der Aktion zugegen. Einigt sich der Mann mit Deutschland, würden auch dem israelischen Fiskus mehrere Millionen Euro zufliessen.

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