Unterm Vorwand der Finanzstabilität schotten sich einige Länder vor ausländischer Konkurrenz ab. Martin Hess argumentiert, dass sie sich damit selber schaden.

Martin_Hess_119x168Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle in einem Beitrag herausgestrichen, dass viele Länder hinsichtlich Bankenregulierung als Trittbrettfahrer davon profitieren, dass Musterschüler wie die Schweiz und Kanada ihren Banken hohe Kapitalanforderungen auferlegen. Es sind gegenwärtig ausgerechnet diese Länder, die sich zudem nun durch protektionistische Massnahmen ihre Märkte vor Konkurrenz aus Drittländern abschotten.

Nicht nur bedeutet dies eine Einschränkung für das globale Bankgeschäft, welches speziell aus der Schweiz erfolgreich betrieben wird. Vielmehr schneiden sich die protektionistischen Staaten ins eigene Fleisch.

Protektionismus erhöht Systemrisiken

Derartige Massnahmen erhöhen die Finanzierungskosten der Realwirtschaft und hemmen damit das Wachstum. Das Deleveraging in Europa erfolgt vor allem durch die Veräusserung von Aktiven im Ausland. Die Konzentration auf das Inland führt zu Klumpenrisiken, die in Ländern in Schieflage besonders akut werden und zur Erhöhung von Systemrisiken führen.

Zu befürchten ist auch, dass protektionistische Massnahmen durch die USA und die EU eine Spirale mit unabsehbaren Folgen in Gang setzen wird. Im schlimmsten Fall könnte durchaus ein Ende des globalen Bankgeschäfts stehen.

Quantifizierung der Nachteile von Dodd Frank

Kapitalkontrollen, FTT, MiFID 2, Absatz 165 DFA – Beispiele für protektionistische Folterinstrumente gibt es zuhauf. In einer eben veröffentlichen Studie hat Oliver Wyman (OW) die Folgen von Absatz 165 des Dodd Frank Act quantifiziert. Diese Gesetzespassage verlangt von den in den USA tätigen ausländischen Banken, dass sie ihr Geschäft über voll kapitalisierte, noch strengeren Liquiditäts- und Sanierungsauflagen unterworfenen Holdingunternehmen abwickeln. Laut OW erwachsen aus dieser Vorschrift jeder Bank Zusatzkosten in dreistelliger Millionenhöhe.

Finanzinstitute werden entweder das Geschäft aufgeben oder so umzustrukturieren müssen, dass höhere, kapitalkostendeckende Renditen erzielt werden können. Dadurch wird die Massnahme insgesamt nicht zur angestrebten Stabilisierung führen, sondern im Gegenteil wirtschaftliche Nachteile und erhöhte Systemrisiken nach sich ziehen.

So erwächst den ausländischen Finanzinstituten beispielsweise ein zusätzlicher Bedarf von 1,5 Billionen Dollar an bereits heute knappem Collateral. Der US-Kapitalmarkt würde sich spürbar verkleinern. OW prognostiziert, dass ausländische Banken als Folge von Absatz 165 DFA rund 330 Milliarden Dollar vom US-Repo-Markt abziehen, wodurch er um rund 10 Prozent schrumpfen wird.

Schweiz gefordert

Ich erwarte, dass die Schweizer Behörden auf internationalem Parkett eine Lanze für offene Grenzen, gegen Dirigismus und gegen Staatsgläubigkeit brechen.

Die Stabilität des internationalen Finanzsystems erfordert eine wirksame, nicht eine populistische Finanzregulierung.

Und vor allem ist eine intensive internationale Zusammenarbeit erforderlich. Am besten macht dies die offizielle Schweiz, indem sie die politischen Wirtschaftsführer an ihre eigenen Worte mahnt. Beim Weltfinanzgipfel auf dem Höhepunkt der Finanzkrise nach dem Lehman-Kollaps zeigten sich die Staats- und Regierungschefs gleich im ersten Absatz der Abschlusserklärung «entschieden, die Kooperation zu verstärken und zusammenzuarbeiten, um das Wachstum wieder herzustellen und die nötigen Reformen im globalen Finanzsystem durchzuführen.»