Niemand spricht offen von Übertreibungen im Schweizer Hypothekengeschäft. Aber täglich nähren weitere Anzeichen den Eindruck, die Auswüchse seien da.

Es ist eine der spektakulärsten Schlagzeilen, die der Schweizer Hypotheken-Boom in den vergangenen Monaten hervorgebracht hat: Der Versicherer Helvetia gab am Freitag bekannt, für mehr als 100 Millionen Franken den Online-Hypothekenvermittler Moneypark zu übernehmen.

Nicht übersehen sollte man eine gleichtags ebenfalls publizierte Meldung: Die französische Bank Crédit Agricole hat zusammen mit der Zürcher Kantonalbank (ZKB) Schweizer Hypotheken auf Wohnimmobilien im Wert von 200 Millionen Franken verbrieft – letztmals haben dies Schweizer Banken im Jahr 2003 getan.

Stetige Ausweitung des Kreditvolumens

Die beiden Meldungen haben auf Anhieb wenig miteinander zu tun. Doch bei genauerem Hinsehen lässt sich unschwer erkennen, dass sich die Schweiz in der Endphase eines Hypotheken-Booms befindet. 

Dabei werden der Immobilienaufschwung und die damit verbundene Kreditausweitung von zwei unterliegenden Entwicklungen getragen.

Zuwanderung und Tiefzinsen

Unterstützt von einer massiven Zuwanderung war der Wohnungs- und Infrastrukturbau in den vergangenen Jahren die tragende Säule des Schweizer Wirtschaftswachstums. Das Kreditgeschäft und das daraus betriebene Zinsdifferenz-Geschäft sind für die Mehrheit der Schweizer Banken die wichigste Ertragsquelle.

Der stetig gesunkene Zins sowie die Einführung von Negativzinsen durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) haben die Hypothekenvergabe weiter befeuert. Durch Volumenausweitungen konnten die Banken den Effekt der sinkenden Zinsmarge so ausgleichen.

Die zwiespältige Rolle der SNB

Die SNB ist damit in die Doppelrolle der Kontrolleurin und Antreiberin geschlüpft: Sie führte 2012 den antizyklischen Kapitalpuffer ein, um den Risikoappetit der Banken zu dämpfen. Offenbar ist er der Nationalbank aber immer noch zu hoch. So warnte die SNB am vergangenen Donnerstag, die Banken sollten ihre Risikopolitik auf einen langfristigen Horizont ausrichten.

Das Votum kam nicht von ungefähr, hatte doch die Raiffeisenbank Schweiz wenige Wochen zuvor den Vorschlag lanciert, die Minimalanforderungen für die Kreditvergabe an Familien mit mittleren Einkommen zu senken.

Wie hoch sind die Risiken bereits?

Zahlreiche Banken unterstützen das Ansinnen der Raiffeisenbank allerdings nicht. Das lässt sich dies dahingehend interpretieren: Die einen Akteure sehen bereits hohe Risiken im Markt, die anderen wollen dagegen noch mehr riskieren.

Raiffeisen ist gemäss eigenen Aussagen nun daran, Angebote für weniger begüterte Kreditnehmer (Familien) auszuarbeiten – und in den nächsten Wochen zu lancieren.

Verhältnisse wie im Silicon Valley

Auch der Versicherer Helvetia ist mit der Übernahme von Moneypark eher zur zweiten Gruppe zu zählen. Da ist zunächst der Übernahmepreis von 107 Millionen Franken, womit ein Startup (Moneypark gibt es seit 2012) eine Bewertung von über 130 Millionen Franken erhält. Das sind beinahe schon Verhältnisse wie im Silicon Valley.

Moneypark hat im vergangenen Sommer auf Monatsbasis erstmals die Gewinnschwelle erreicht. Insofern ist zweifelhaft, dass Helvetia den Übernahmepreis in nützlicher Frist refinanzieren kann.

Verzerrungen sind da

Doch das muss der Versicherer auch nicht. Mittels Moneypark kann er sein Hypothekengeschäft stark ausbauen, was seinen Anlagenotstand vermindert.

Ausserdem sind für Versicherer Investments im Immobilienbereich weniger von einem Preis bestimmt, als von der Rendite, die sie erwarten können. Diese Praxis sorgt für Verzerrungen im Markt und für teilweise überzogene Bewertungen von Immobilien – denn weder Versicherer noch Pensionskassen müssen den antizyklischen Kapitalpuffer einbauen.

Verbriefungen schaffen neue Risikokategorie...

Wer nun ein weiteres Warnzeichen für Überhitzung ausmacht, weil Crédit Agricole Schweizer Hypotheken verbrieft, darf aus finanztechnischer Sicht sicherlich kritisiert werden. Verbriefungen sind an sich nützliche Instrumente zur Risikooptimierung einer Bilanz und zur Liquiditätsbeschaffung.

Tatsache ist aber auch, dass die Umwandlung von risikobehafteten Verbindlichkeiten in handelbare Wertpapiere eine weitere Risikokategorie schafft. Es mag beruhigend sein, dass die Emission solcher «Mortgage Backed Securities» von Aufsichtsbehörden bewilligt werden muss und die Ratingagenturen die Qualität dieser Papiere einschätzen.

...und schüren Interesse an Kreditausweitung

Weil Banken an der Emission solcher Produkte aber Geld verdienen, schürt es ihr Interesse an einer weiteren Kreditausweitung, um möglichst noch mehr solche Produkte herauszugeben.

Die Finanzkrise von 2008 war in den USA die Konsequenz eines solchen «perpetuum mobiles», in welchem falsche Anreizstrukturen zu einer völlig aus dem Ruder laufenden und missbräuchlichen Kreditvergabe führten und zu verbrieften Produkten, deren Schuldnerqualität nicht mehr überschaubar war.

Künstliche Verlängerung des Booms

Es ist inzwischen auch erwiesen, dass der Kreditboom die Blase im US-Immobilienmarkt künstlich verlängerte, wodurch die Krise erst ihr Ausmass gewinnen konnte.

Wer will schon den Teufel an die Wand malen und in der Schweiz nun ähnliche Muster erkennen?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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