Alexandre Sauterel: «Unser Herz schlägt für Europa»

Europäische Aktien erleben gerade eine Renaissance – davon profitiert auch LFDE. Im Interview mit finews.ch spricht der Schweizer Länderchef über neue Vertriebschancen, die ESG-Zurückhaltung im Private Banking – und erklärt, warum er den Moment für mutige Allokationen gekommen sieht.

Als Alexandre Sauterel vor über 25 Jahren von seiner Heimatstadt Genf nach Zürich kam, ging er von einer kurzen beruflichen Station im Investment Banking aus. Doch dann lernte er seine Frau kennen – und blieb. Heute ist Zürich sein Lebensmittelpunkt, auch wenn er regelmässig ins LFDE-Büro nach Genf pendelt, das er als Schweizer Länderchef betreut.

Sauterel begann seine Karriere als Investmentbanker, bevor er sich als Vertriebsprofi im institutionellen Geschäft bei einigen der grössten Player der Branche einen Namen machte. Seit vier Jahren baut er das Schweizer Geschäft von La Financière de l’Echiquier (LFDE) auf.

Im Gespräch mit finews.ch spricht der Asset-Management-Experte über die Stimmung unter seinen Kunden, neue Expansionspläne – und den Rückenwind, den europäische Aktien derzeit erfahren.


Herr Sauterel, der Name «La Financière de l’Echiquier» klingt für hiesige Ohren ein wenig exotisch. Was ist eigentlich seine Bedeutung?

Der Name geht einerseits auf die Pariser Strasse «Rue de l‘Echiquier» zurück – eine bekannte Adresse in der französischen Finanzwelt. Andererseits steht «Echiquier» für das Schachbrett, unser Logo zeigt die Dame, die stärkste Figur im Spiel. Das ist nicht nur ein Symbol, sondern Ausdruck unserer strategischen Ambition.

Spielen Sie selbst Schach?

Ein wenig, aber nicht regelmässig. Im Vordergrund unserer Markenführung steht jedoch, dass wir uns zunehmend über das Kürzel LFDE positionieren – das ist einfacher auszusprechen, auch international. Ähnlich wie bei HSBC oder UBS.

Wie entstand bei LFDE das Interesse für den Schweizer Markt?

Die Schweiz ist für uns ein strategischer Markt – nicht zuletzt wegen ihrer spezialisierten Finanzexpertise, die in dieser Dichte international selten ist. Unsere Präsenz begann um 2010 über Genf, wo Kollegen aus Paris regelmässig unterwegs waren. 2016 wurde ein Büro eröffnet – die kulturelle Nähe, das Medienumfeld und die Kundschaft halfen uns beim Markteintritt. Mit meiner Anstellung 2021 begann die Expansion in die Deutschschweiz – unter anderem über die Zusammenarbeit mit Schweizer Grossbanken.

«Mit dem Wegfall der Credit Suisse fehlt nicht nur ein Vertriebskanal, sondern auch ein Stück gesunder Wettbewerb.»

Was ist die Investment-DNA des Unternehmens?

LBP AM, unsere Muttergesellschaft, steht für europäische Private-Markets-Lösungen, Multi-Asset- und Absolute-Return-Strategien. LFDE positioniert sich als spezialisierter aktiver Asset Manager mit starkem Fokus auf Aktien Europa, thematische sowie nachhaltige Investments.

Wie viele Vermögenswerte verwaltet die Gruppe heute?

Rund 74 Milliarden Euro per Ende letzten Jahres – nicht beliebig, sondern bewusst fokussiert. Wir haben uns unseren Boutique-Charakter bewahrt, mit klarer Positionierung und tief verankerter Überzeugung.

Was hat sich in der Schweiz durch die Integration mit LBP AM verändert?

Im Tagesgeschäft hat sich für mich wenig verändert – aber der strategische Rahmen hat sich deutlich erweitert: Ich kann heute auf ein grösseres Produktuniversum zugreifen und neue Kundensegmente ansprechen. Die regulatorische Komplexität ist gestiegen, aber auch die Chancen: Mit dem Know-how von LBP AM, die zur französischen La-Poste-Gruppe gehört, kann ich nun verstärkt mit institutionellen Investoren arbeiten. LBP AM gehört – exklusive Fixed-Income-Mandate – bereits zu den zehn grössten Vermögensverwaltern Europas. Ein weiterer wichtiger Schritt in der internationalen Entwicklung ist die Ernennung von Anne-Sophie Girault zur neuen Leiterin International Development. Sie arbeitet aus Genf heraus. Ihre Berufung markiert einen Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung der ambitionierten Wachstumsstrategie auf europäischer Ebene.

«ESG ist teilweise in den Hintergrund gerückt, weil viele Kunden das Thema nie richtig getragen haben.»

Also tatsächlich ein «neues Spiel», wie im Schach?

Ja. Unsere Fonds sind teils sehr fokussiert – mit 35 bis 50 Positionen. Seit der Integration kann ich zusätzlich sogenannte Blend-Fonds, also beispielsweise Mischstrategien aus Value und Growth, anbieten, die sich für volatile Märkte besser eignen. Das schafft mehr Spielraum.

Ist Ihr Private-Debt-Angebot in der Schweiz bereits zugelassen?

Noch nicht breit. Wir hatten erste Gespräche mit Lebensversicherern und treiben die Einführung nun voran.

Wo sehen Sie aktuell das grösste Potenzial im Schweizer Markt?

Kurzfristig bei unserem Absolute-Return-Produkt – sehr gefragt in der aktuellen Marktlage. Daneben bleiben unsere europäischen Aktienfonds stark positioniert, vor allem im Mid- und Small-Cap-Segment. Wir zählen zu den drei grössten aktiven Playern in diesem Bereich.

Welche Kundengruppen bearbeiten Sie am intensivsten?

Zum einen die grossen Banken – strategisch nach wie vor wichtig. Daneben unabhängige Vermögensverwalter, besonders in Genf. Diese Zielgruppen sind anspruchsvoll, aber offen für differenzierte Angebote. In Zürich haben wir ebenfalls stark aufgeholt.

«Von so etwas hätte ich noch vor kurzem nicht zu träumen gewagt.»

Mit welchem Auftrag wurden Sie 2021 zu LFDE geholt?

Ich sollte den Zugang zu den Grossbanken öffnen und die Marke internationalisieren. Dabei wurde rasch klar: Wir müssen auch unsere Produkte und Strategien anpassen. Schweizer Investoren schätzen Differenzierung und fundierte Bottom-up-Analysen. Heute sehe ich eine klare Beschleunigung der Zuflüsse – sowohl aus Genf als auch aus Zürich.

War der Wegfall der Credit Suisse für Sie ein Rückschlag?

Ja. Die CS war über Jahre ein verlässlicher Partner. Mit dem Wegfall fehlt nicht nur ein Vertriebskanal, sondern auch ein Stück gesunder Wettbewerb.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Marktlage – besonders bei europäischen Aktien?

Der Jahresstart bis Mitte März war sehr positiv – endlich rückten europäische Titel wieder ins Blickfeld. Es gab deutliche Zuflüsse, etwa über Exchange Traded Funds. Jetzt hoffen wir, dass sich ein tragfähiger Boden bildet. Natürlich besteht das Risiko einer Wiederholung von 2022 – aber ich bin optimistisch.

Wie reagieren Ihre Kunden auf die aktuellen Unsicherheiten?

Erfahrene Kunden bleiben ruhig – sie haben schon viele Zyklen erlebt. Jüngere sind vielleicht etwas nervöser. Was sich verändert hat: Die Fragen werden langfristiger. «Was kommt als Nächstes?» oder «Wie verändert sich die Welt?» – Themen wie wirtschaftliche Umbrüche und Transformation sind in den Gesprächen allgegenwärtig.

«Wir haben uns unseren Boutique-Charakter bewahrt.»

Es gab beträchtliche Umschichtungen von US- in europäische Aktien.

Ja, von so etwas hätte ich noch vor kurzem nicht zu träumen gewagt. Seit der Finanzkrise 2008 haben US-Aktien europäische regelrecht abgehängt. Doch der Bewertungsunterschied ist inzwischen gewaltig – und Europa bietet eine vielfältige, oft unterschätzte Unternehmenslandschaft.

Das heisst, Sie fühlen sich mit Ihrem europäischen Fokus derzeit besonders wohl?

Ja, unser Herz schlägt für Europa, wir haben aber auch Produkte in China, Japan oder im Fixed-Income-Bereich. Private Debt ergänzt das Angebot, aber die DNA bleibt. Wir verfolgen globale Trends und sind nicht beliebig unterwegs.

ESG ist ebenfalls ein Schwerpunkt Ihres Angebots…

LFDE ist seit langem tief in ESG verankert – nicht aus Opportunismus, sondern aus Überzeugung. Wir sprechen direkt mit den Unternehmensleitungen, verlassen uns nicht nur auf Ratings.

«Unsere Fonds sind teils sehr fokussiert – mit 35 bis 50 Positionen.»

Wie entwickelt sich die ESG-Nachfrage in der Schweiz?

Differenziert. Institutionelle Anleger bleiben engagiert, aber pragmatisch. Retailbanken – etwa Kantonalbanken – kommunizieren Nachhaltigkeit weiterhin aktiv. Im Private Banking hingegen ist ESG teilweise in den Hintergrund gerückt, weil viele Kunden das Thema nie richtig getragen haben.

Oft hört man, ESG sei im Privatbanken-Umfeld kaum noch verkäuflich. Stimmt das?

In den Boomjahren profitierten ESG-Portfolios stark von Tech-Titeln – das war ein wesentlicher Performance-Treiber. Das überzeugte viele Kunden. Heute ist das Bild komplexer: Die Performance steht wieder im Vordergrund. Am stärksten treibt heute die junge Generation ESG – sie hat zwar noch nicht geerbt, aber sie prägt bereits die Diskussion.

Gibt es sonst aktuelle Projekte – etwa ein Büro in Zürich?

(Lächelt.) Wer weiss? Aber darüber sprechen wir dann gerne ein andermal.


Alexandre Sauterel ist seit 2021 als Country Head für die Schweizer Niederlassung von LFDE (La Financière de l’Echiquier) tätig, heute LFDE / LBP AM. Zuvor war er unter anderem bei Lombard Odier Investment Managers, Fidelity und Invesco in leitenden Vertriebsfunktionen tätig. Zu Fidelity holte ihn im Jahr 2007 Alfred «Fredy» Strebel. Der ausgebildete Ökonom mit MBA-Abschluss der Universität Freiburg spricht fliessend Deutsch, Französisch und Englisch. Er ist zertifizierter Swiss Fund Officer sowie ESG-CFA.