Schlägt künstliche Intelligenz die Weisheit der Crowd?

Auch nach eineinhalb Jahren sind die Eqitron-Gründer davon überzeugt, dass der Anlageprozess mit künstlicher Intelligenz viel günstiger gestaltet werden kann. Und sie wollen den Schlüssel zur Lösung des Timing-Problems beim thematischen Investieren gefunden haben.

Vor gut eineinhalb Jahren ging die Finanzboutique Eqitron an den Start. Die Gründer waren von Vontobel Asset Management gekommen. Axel Schwarzer hatte dieses geleitet, Daniel Seiler war dort Leiter des Bereichs Multi Asset. Die dritte im Bunde, Yun Bai, war zuvor Leiterin Factor Investing Research bei der Vontobel-Fondsgesellschaft Vescore.

Ziel der in Zürich domizilierten Eqitron ist es, das Potenzial der künstlichen Intelligenz (KI) in der Vermögensverwaltung zu entfesseln. Im Kern geht es dabei um thematisches Investieren, eine etablierte Stilrichtung, die sehr anspruchsvoll ist, weil das Ziel darin besteht, möglichst früh zu erkennen, welche Themen am Aktienmarkt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit besonders gut laufen werden.

Themen rascher als Markt identifizieren

Denn allein mit der Feststellung am Ultimo, dass bestimmte themenbasierte Aktien den Markt geschlagen haben, verdient man erfahrungsgemäss keinen müden Heller. Und die Finanzmärkte sind bekanntlich auch ziemlich schnell darin, neue Trends zu erkennen – wie kann eine kleine Boutique hier gegenüber der «Weisheit der Crowd» einen Mehrwert liefern?

Genau da kommt KI ins Spiel. Eqitron nutzt generative KI und neurolinguistische Sprachmodelle, um den gesamten Anlageprozess neu zu gestalten und insbesondere das Timing zu verbessern, d.h., die Nase vorne zu haben. Dadurch soll es möglich sein, künftige Themen zu identifizieren, bevor es der Markt tun kann – vorausgesetzt, die Modelle sind richtig aufgesetzt und lernen auch das Richtige dazu.

Viele Gespräche – Warten auf substanzielle Beträge

Eqitron, in der Zwischenzeit von der Finma als Vermögensverwalter lizenziert, hat denn auch im Herbst 2024 ein entsprechend strukturiertes, aktiv verwaltetes Zertifikat (Actively Managed Certificate, AMC) aufgelegt, das in den globalen Aktienmarkt investiert.

«Wir führen viele Gespräche mit potenziellen Investoren, also Asset-Managern und Family Offices. Die Resonanz auf unseren Ansatz ist dabei erfreulich positiv, aber wir wissen natürlich, dass es in unserem Geschäft etwas dauert, bis dann effektiv auch substanzielle Beträge gesprochen werden», hält Schwarzer, der den Eqitron-Verwaltungsrat präsidiert, fest.

«Es braucht keinen Aktienanalysten mehr»

Daran, dass KI die Vermögensverwaltungsbranche insgesamt umkrempeln wird, zweifeln aber weder Schwarzer noch Seiler, wie sie im Gespräch, das finews.ch mit ihnen vor wenigen Wochen führte, deutlich machen.

«Es braucht keinen Analysten mehr, der die Geschäftsberichte liest», konstatiert Seiler, CEO von Eqitron. «Buy-Side-Analyst und damit auch Chief Investment Officer büssen markant an Bedeutung ein.» Positiver Nebeneffekt für den Kunden: «Der ganze Anlageprozess wird viel günstiger, die Kosten schrumpfen auf maximal ein Drittel.»

Themen-Attention ist nicht Themen-Sentiment

Seiler bleibt überzeugt davon, dass KI die Trends und das Sentiment zu Themen viel rascher erkennen kann als der Mensch. «KI löst zunehmend auch das Selektionsproblem, weiss also auch, welche Aktien innerhalb einer Branche zu bevorzugen sind.»

Er stellt zudem klar, dass es in der Zwischenzeit um viel mehr als bloss Big Data (also die Verarbeitung und Analyse grosser Datenmengen dank grosser Rechenkapazitäten) geht. «Unser Modell unterscheidet zwischen Themen-Attention und -Sentiment. Dass ein Unternehmen häufig in den Medien erwähnt wird, heisst noch lange nicht, dass es attraktiv ist. Es muss sich auch ein entsprechendes Narrativ dazu herausbilden, das ein Ertragspotenzial verspricht.»

Positive Rückmeldungen

Im Kern hat Eqitron aber weiterhin den Anspruch, mit KI das altbekannte Timing-Problem beim thematischen Investieren zu lösen oder zumindest zu entschärfen.

Die Gründer sind trotz der eher zähen Startphase auch aufgrund der positiven Rückmeldungen aus Anleger- und Investorenkreisen davon überzeugt, dass sich ihr Investmentansatz langfristig als überlegen erweisen und deshalb durchsetzen wird.

Sie wetten damit indirekt darauf, dass KI schneller dazulernt, als dies der allein mit seiner eigenen Intelligenz ausgestattete Investor tut. Tröstlich ist, dass KI zumindest bis heute immer noch nicht ganz ohne menschliche Regie und Optimierung auskommt.