Mit steigenden Zinsen werden die Nachteile der heutigen Verrechnungssteuer für die Schweiz noch gravierender. Die Abwanderung des Obligationengeschäfts ins Ausland wird sich noch mehr beschleunigen. Mit einem Ja zur Reform der Verrechnungssteuer könne dies korrigiert werden, schreibt Nicholas John von der Schweizerischen Bankiervereinigung in einem Gastbeitrag auf finews.ch.

NicholasJohn 3Von Nicholas John, Public Affairs Manager bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Die steigenden Zinsen führen angeblich zu höheren Steuerausfällen, sollte die Reform der Verrechnungssteuer am 25. September 2022 angenommen werden. Dieser mechanischen Argumentationslinie werden die Gegnerinnen und Gegner der Reform über die nächsten drei Monate treu bleiben. Dass die «Milchbüchlirechnung» hinten und vorne nicht aufgeht, zeigt ein einfaches Beispiel. In diesen sommerlich heissen Tagen eignet sich hierfür am besten eine Badeanstalt (Badi). Nehmen wir an, dass der Eintrittspreis für die Badi heute bei 8 Franken liegt. Nun könnte sich der Bademeister entscheiden, den Badi-Eintritt auf 800 Franken zu erhöhen.

Eintrittspreis: 800 Franken

Macht der Bademeister dadurch einen grösseren Umsatz? Natürlich nicht, denn bei einem Eintrittspreis von 8 Franken, kommen täglich 500 Gäste in die Badi. Bei einem Eintrittspreis von 800 Franken kommen vielleicht 3 Gäste pro Tag.

Die übrigen 497 Gäste verteilen sich auf die umliegenden Badis. 497 Gäste weniger, die nun auch noch weniger Bratwürste und weniger Eis kaufen. Welches Szenario sich besser auszahlt, muss wohl nicht vorgerechnet werden.

Einfache Rechnung nicht vor Augen

Oder doch? Denn die Referendumsführer scheinen diese einfache Rechnung nicht vor Augen zu haben. Sie argumentieren damit, dass höhere Zinsen zu höheren Steuerausfällen führen. Dabei ist die Situation vergleichbar mit der Badi. Nur weil etwas mehr kosten wird, heisst es nicht automatisch, dass auch Mehreinnahmen generiert werden.

500 x CHF 8 = CHF 4'000 | 3 x CHF 800 = CHF 2’400

(Der Umsatz aus Bratwurstverkauf und Eis nicht einmal mitgerechnet)

Nachteil bei tiefen Zinsen

Sind die Steuern auf Zinsen tief wie im Beispiel der Eintrittspreis, werden mehr Personen in Obligationen investieren. Sind die Steuern auf Zinsen hoch, werden nur wenige in Anleihen investieren. Davon profitieren andere Märkte mit niedrigeren oder gar keinen Steuern auf Zinsen. Denn wie die Badibesucherinnen und -besucher, werden sich die Investoren auf umliegende Märkte verteilen.

Die Schweiz, ihre Unternehmen und die öffentliche Hand haben bereits heute, bei tiefen Zinsen einen Nachteil. Deshalb ist das Geschäft mit Obligationen ins Ausland abgewandert. Soll der Nachteil bei steigenden Zinsen noch grösser werden? Glauben wir ernsthaft, die Investoren werden darauf nicht reagieren? Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Geschäft mit Anleihen noch stärker ins Ausland verlagert, ist bei steigenden Zinsen noch höher.

Mehr verdienen mit Bratwürsten und Eis?

Oder senken wir – um im Bild zu bleiben – die Badipreise und verdienen über Bratwurstverkauf und Eis insgesamt mehr? Den Entscheid können Sie am 25. September 2022 treffen – mit einem Ja zur Reform der Verrechnungssteuer.