Die Job-Bewertungsplattform Kununu sammelt jetzt auch Lohndaten – und will damit eine Revolution auslösen. Arbeitnehmer seien nicht mehr bereit, in derselben Position viel weniger zu verdienen als die Kollegen, sagt Chef Moritz Kothe zu finews.ch.


Herr Kothe, Kununu wird zuweilen als Plattform der «disgruntled employees» wahrgenommen, die sich an einem Arbeitgeber rächen wollen. Wie gehen Sie damit um, dass die Kommentar-Funktion dazu genutzt wird, Dampf abzulassen?

Tatsache ist: der durchschnittliche Score, der anzeigt, wie gut oder schlecht ein Unternehmen abschneidet, liegt seit über zwölf Jahren bei drei bis dreieinhalb von maximal fünf Sternen. Das bedeutet, dass über 72 Prozent der Reviews positiv oder neutral sind.

Haben Sie persönlich Fälle erlebt, wo Firmen nach Kununu-Kommentaren die Arbeitsbedingungen verbessert haben?

Das haben wir durchaus schon erlebt. Unternehmen reagieren immer stärker auf das Feedback ihrer Angestellten oder ehemaligen Mitarbeiter. Waren die Kommentare negativ, wollen sie sich verbessern. Fallen sie positiv aus, möchten Arbeitgeber auf diesem Erfolg aufbauen.

«Neider werden dadurch eher milder gestimmt»

Die Transparenz wird nicht mehr als Gefahr, sondern als echte Chance wahrgenommen. Es gibt Unternehmen, die das Feedback vorbildlich umsetzen, und darüber freuen wir uns sehr. Luft nach oben gibt es allerdings immer.

Mit dem neuen Angebot Gehalts-Insights wagen Sie sich an ein besonders heikles Thema: an den Lohn. Hat Kununu keine Angst, damit die Neiddebatte zusätzlich zu befeuern?

Wir sind der Überzeugung, dass transparente Gehaltsstrukturen zu einer gerechten Vergütung führen und Neider dadurch eher milder gestimmt werden.

Wie das?

Jobsuchende erfahren schon vor der Bewerbung, was sie verdienen können. Zudem sehen Mitarbeiter erstmals, wo sie im internen Vergleich stehen. Als Ergebnis unserer Gehalts-Revolution werden Firmen nicht darum herumkommen, ihre Gehaltsstrategie nachvollziehbar und gerecht zu gestalten. Heute nutzt bereits jeder zweite Jobsuchende unsere Plattform, um einen Arbeitgeber auszuwählen. Mit der Angabe von Gehaltsdaten profitieren nun auch bestehende Mitarbeitende einer Firma.

Transparente Gehaltsstrukturen führen zu einer gerechteren Entlöhnung, sagen Sie. Ist es tatsächlich so einfach?

In der Theorie – ja. Unternehmen sehen sich verstärkt vor der Herausforderung, gute Mitarbeiter zu finden und längerfristig zu halten. Arbeitnehmer sind nicht mehr bereit, in derselben Position wie Kollegen deutlich weniger zu verdienen, und schauen sich bei der Konkurrenz um.

«Die Finanzbranche geniesst nicht unbedingt die modernste Unternehmenskultur»

Um eine hohe Mitarbeiter-Fluktuation zu vermeiden, tragen gerechte Löhne deshalb sicher einen wichtigen Teil bei. Allerdings geht es vielen Bewerbern heute nicht um das Gehalt alleine, sondern um das Gesamtpaket. Die Unternehmenskultur und Benefits werden genau unter die Lupe genommen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Die Transparenz ermöglicht es, sich ein genaues Bild vom Arbeitsplatz zu machen.

Besonders reif für Veränderungen wäre ja der Gender-Gap beim Lohn. Haben Sie Erkenntnisse dazu, warum die Geschlechterunterschiede beim Salär gerade in der Finanzbranche so gross sind?

Dazu können wir keine Erklärung abgeben, da unsere Daten anonym veröffentlicht werden. Was wir allerdings zur Finanzbranche sagen können: diese geniesst nicht unbedingt die modernste Unternehmenskultur.

Derweil scheint auch in der Finanzbranche aufgrund der Digitalisierung der Verlust Tausender Stellen unausweichlich. Können Angestellte in diesem Umfeld überhaupt noch Gehaltsforderungen stellen?

Zuerst einmal haben unser Gehalts-Insights ja nichts mit einer Gehaltsforderung zu tun. Es geht darum, zu sehen, was man auf dem Markt tatsächlich wert ist oder sein könnte. Die Digitalisierung in der Finanzbranche ist für den Verlust von Stellen verantwortlich – nicht aber dafür, wie viel in bestehenden Positionen gezahlt wird.

Kununu hat jüngst auch den Kulturkompass lanciert, mit dem Jobsuchende herausfinden können, ob ein Unternehmen zu den eigenen Werten passt. Was erwarten Sie: Wird der Kompass mehr genutzt oder die Gehalts-Insights?

Das Interesse an den Kultur-Daten als auch an den Gehalts-Insights ist enorm. Beide Features werden aktuell gleich stark genutzt. Wir gehen davon aus, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird.

«Arbeitnehmer suchen viel stärker nach der Sinnhaftigkeit»

Der Kulturkompass dient Arbeitnehmern dazu, ihr Unternehmen in den Bereichen Work-Life-Balance, Zusammenarbeit, interne Führung und strategische Ausrichtung zu bewerten.

Den jüngeren Kräften der Millennial-Generation wird nachgesagt, dass sie besonders auf die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit achten. Aber den Erkenntnissen von Kununu zufolge ist der Lohn immer noch wichtiger als die Aufgaben oder gar der Standort des Arbeitgebers. Gilt weiterhin: money makes the world go round?

Egal ob jung oder alt: Arbeitnehmer suchen viel stärker nach der Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit als früher. Dadurch, dass für immer mehr Menschen ein Leben mit Auto, mehreren Urlauben im Jahr, Restaurantbesuchen, teuren Hobbies und einer schönen Wohnung selbstverständlich ist, spielt das Gehalt natürlich immer noch eine extrem bedeutende Rolle. 

«Wir können uns mehr als glücklich schätzen»

Ausserdem investieren Schüler und Studenten immer mehr Zeit in ihre Ausbildung. Dadurch fordern sie auch höhere Löhne ein.

Was sagen eigentlich Kununu-Angestellte über ihren Job auf Kununu?

Verbessern kann man sich immer. Deshalb sind wir froh um jede Bewertung, die wir von unseren Mitarbeitern bekommen. Allerdings können wir uns mit einem durchschnittlichen Score von 4,18 Sternen und einer 93 prozentigen Weiterempfehlung mehr als glücklich schätzen. Ich denke, das hat viel mit der Transparenz zu tun, die wir intern vorleben.


Moritz Kothe ist seit Juni 2019 CEO der Digitalplattform Kununu mit Niederlassungen in Wien, Berlin, Porto und dem amerikanischen Boston. Kothe hat zuvor den US-Markt fürs österreichische Startup erschlossen. Davor war er unter anderem für die Berufsnetzwerk-Plattform Xing und den deutschen Retailer Tchibo in führenden Funktionen tätig. Die vor zwölf Jahren gegründete Kununu-Plattform deckt mittlerweile rund 900'000 Firmen ab, 26'000 davon allein in der Schweiz.