UBS-Präsident Colm Kelleher: «Die Schweiz befindet sich in einer Identitätskrise»

Colm Kelleher, Präsident der UBS, sprach während einer Podiumsdiskussion am «2025 Global Financial Leaders Investment Summit» in Hongkong über globale Regulierungsvorschriften und verwies dabei auf zwei «grosse Diskrepanzen». Erstens mangele es an einer wirksamen Regulierung des Schattenbankensystems. Zweitens gebe es Unterschiede in der Geschwindigkeit bei der Vereinfachung der Regulierung.

«Ich glaube, die Regulierungsbehörden sind ausser Kontrolle geraten. Denn in ihrem Bestreben, das Bankensystem übermässig zu regulieren, haben sie das Mass verloren», sagte Kelleher bei der von der Hong Kong Monetary Authority organisierten Veranstaltung. «Sie haben eine riesige Menge an Produkten aus dem Bankensystem in den Schattenbanksektor verdrängt, der nicht auf derselben Grundlage reguliert ist.»

Lockerung versus Straffung

In Bezug auf die Diskrepanz stellte Kelleher fest, dass die USA im Gegensatz zur Schweiz bei der Deregulierung führend sind. «Ich bin davon überzeugt, dass die USA zu Recht zu der Überzeugung gelangt sind, dass das Eigenkapital ein Problem von gestern ist. Und sie sind der Ansicht, dass man – nachdem die Kapitalfrage für Banken geklärt ist – eine wirksame Regulierung schaffen muss, damit die Wirtschaft wachsen kann. Die Schweiz geht jedoch den umgekehrten Weg», kommentierte er.

Die UBS sieht sich derzeit mit strengeren Auflagen im Heimatland konfrontiert, da die Schweizer Regierung Regeln vorgeschlagen hat, nach denen sie 24 Milliarden Dollar zusätzliches Eigenkapital vorhalten müsste, um die Banken des Landes sicherer zu machen.

Risiko der Arbitrage

Die von Kelleher angesprochene Diskrepanz beschränkte sich nicht nur auf Unterschiede zwischen Ländern, sondern auch innerhalb dieser Länder.

«Nehmen wir das Versicherungsgeschäft als Beispiel. Das Versicherungsgeschäft, insbesondere in den USA, wird zunehmend auf bundesstaatlicher Ebene reguliert und nicht auf nationaler Ebene. Wir beobachten zunehmend eine enorme Arbitrage der Ratingagenturen im Versicherungsgeschäft», erklärte er.

Man sollte sich daran erinnern, dass es 2007 bei den Subprime-Krediten ausschliesslich um Arbitrage durch Ratingagenturen ging.»

Die Schweiz in einer «Identitätskrise»

Speziell zur Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz sagte Kelleher, dass das Land einen Teil seiner Attraktivität als bedeutender Akteur in der Weltwirtschaft verloren habe, und nannte drei zentrale Herausforderungen.

Erstens sei sie im globalen Vermögensmanagement durch Zentren wie Hongkong und Singapur bedroht. Zweitens werde ihre Pharmaindustrie durch Zollverhandlungen ausgehöhlt. Drittens befinde sie sich in einer «leichten Identitätskrise» hinsichtlich ihrer Rolle im globalen Bankwesen.

«Ich glaube also, dass die Schweiz etwas von ihrem Glanz verliert, da andere Zentren nun mit ihr im Wettbewerb um Kapital stehen», fügte er hinzu.