Ein Londoner Gericht schickt den ehemaligen UBS-Trader wegen Manipulation des Libor-Zinssatzes für 14 Jahre ins Gefängnis. Das Exempel an Hayes löst das Problem des Finanzskandals jedoch nicht.

Bild©Keystone

Der Londoner Richter Jeremy Cooke statuierte am Montag ein abschreckendes Exempel: Er verurteilte den 35-jährigen Banker Thomas Hayes (im Bild rechts) zu nicht weniger als 14 Jahren Haft. Eine der schwersten Strafen, die in Grossbritannien in den vergangenen Jahrzehnten je wegen Finanzvergehen verhängt wurden.

Für Cooke war klar: Hayes hatte bei der Schweizer Grossbank UBS und der amerikanischen Cititgroup als Drahtzieher eines Netzwerks agiert, das die weltweiten Libor-Referenzsätze manipulierte. Sätze, die für Zinsprodukte weltweit im Umfang von rund 350'000 Milliarden Dollar bestimmend sind.

Schaler Nachgeschmack

Reine Gier sei Hayes Tatmotiv gewesen, stellte das Gericht fest. Der Trader habe die Referenzsätze beeinflusst, um die Gewinne der Bank und damit seinen eigenen Bonus zu maximieren. Hayes sei für seine missliche Lage deshalb selber verantwortlich. Die Verteidigung des Traders, seine Taten seien von den Vorgesetzten gebilligt worden, stiess auf taube Ohren.

Der Drahtzieher im Libor-Skandal ist demnach gefunden, verurteilt und weggesperrt. Doch das Verdikt hinterlässt einen schalen Nachgeschmack: Nämlich den Verdacht, dass der am Asperger-Syndrom leidende Hayes in einem weltumspannenden Komplott bloss als Schwarzer Peter hinhalten muss – während viele andere Manager und Trader ungeschoren davonkamen.

Von Carsten Kengeter bis Marc Branson

Denn das zeigte der monatelange Prozess gegen den Ex-UBS-Trader deutlich: Hayes ist kein Einzeltäter wie es Nick Leeson, Kweku Adoboli oder Jérôme Kerviel einst gewesen sind. Vielmehr agierte er innerhalb eines Netzwerks von mehr als 30 Tradern und rund zehn Finanzfirmen.

Hayes belastete mit seinen Aussagen auch seine Vorgesetzten bei der UBS schwer – bis hinauf zu Carsten Kengeter, dem damaligen Co-Chef der UBS-Investmentbank, der nun als CEO der Deutschen Börse gerade Erfolge feiern darf.

Der Ruch der Libor-Affäre wird Kengeter wohl noch lange begleiten. Genauso wie die 40 meist anonym gebliebenen Banker, die bei der UBS in die Libor-Machenschaften verwickelt waren – und jene mutmasslichen Helfershelfer, die bei Schweizer Banken weiter ihren Dienst versehen.

Affären über Affären

Der Libor-Makel bleibt auch am heutigen Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) kleben, Mark Branson. Er war als Ex-Chef der UBS-Tochter in Japan selbst an prominenter Stelle im Libor-Skandal aufgetaucht. Und natürlich am Top-Management der UBS während der Jahre 2006 bis 2009, in denen Hayes bei der UBS in London angestellt war.

Doch auch das wirkt am Ende wie ein Schwarzpeter-Spiel – nur diffuser und auf höherer Ebene. Desgleichen die Bemühungen, das «System UBS» für die offensichtlich laschen Risikokontrollen und falschen Anreiz-Systemen in der Libor-Affäre abzustrafen.

So zahlte die Schweizer Grossbank in der Libor-Affäre bisher 1,5 Milliarden Dollar an Strafen und befindet sich in den USA unter verschärfter Aufsicht. Dennoch schlitterte die Bank in den Skandal um die Manipulation von Wechselkursen – und wird wohl noch Jahre mit der Aufarbeitung anderer Rechtsstreitigkeiten beschäftigt sein.

Gipfel der Extreme

Ist denn das Investmentbanking an sich Schuld? Schliesslich sind nicht nur der Libor-Skandal, sondern auch die Finanzkrise von 2008 jenem Milieu entwachsen, das von extremer Risikofreude, extremen Einsätzen und extremen Löhnen geprägt wurde.

Doch auch dieser Vorwurf greift zu kurz. Die bisweilen extreme Agressivität und das Ausloten von Grenzen könnten schon nur deshalb Teil der «DNA» der Investmentbanken sein, weil diesen oftmals gar keine andere Wahl bleibt.

So lauten jedenfalls die einleuchtenden Argumente des ETH-Finanzprofessors Didier Sornette in einem Interview mit der Schweizer «Handelszeitung» (Artikel bezahlpflichtig). Weil die Banken, so Sornette, in einem dermassen eng regulierten Raum operierten, könnten sie sich eigentlich nur durch das clevere Ausnutzen von Schlupflöchern von der Konkurrenz differenzieren.

Rollende Gesetzeswelle

Dabei würden Regeln nicht nur gebogen, sondern oftmals auch gebrochen, mahnt der weltbekannte Erforscher von Börsencrashs.

Ist Sornette zu glauben, verstärkt sich das Dilemma noch zusätzlich. Denn sowohl auf die Finanzkrise wie auch auf den Libor-Skandal reagierten die Aufsichtsbehörden stets mit einem Wust neuer Regeln und Vorschriften. Dennoch ist jeden Monat von neuen potenziellen Finanzaffären zu lesen – zuletzt etwa von den Dark-Pool-Untersuchungen unter anderem gegen die Schweizer Credit Suisse.

Im Frisbee liegt die Lösung

Gibt es denn keinen Ausweg aus der Spirale aus Vergehen und Anschuldigungen? Doch, glaubt finews.ch. Einen Lösungsansatz könnten weniger, dafür klarere Regeln bieten. In seinem längst legendär gewordenen Aufsatz «The Dog and the Frisbee» erklärte der britische Notenbanker Andrew Haldane vor drei Jahren, wie und warum das im Banking funktionieren könnte. 

Würde nach diesen klaren, einfachen Regeln sanktioniert, käme es zwar immer noch zu abschreckenden Exempeln an einzelnen Bankern und Banken. Doch wenigstens könnte man sich das entwürdigende Schwarzpeter-Spiel ersparen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.63%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.55%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.19%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.1%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.51%
pixel