Der frühere Private Banker Mike Baur hat sich zum Venture-Investoren gewandelt. Im Interview mit finews.ch erklärt er, wie Startup-Finanzierungen zu einer Assetklasse werden, und warum Privatbanken darauf anspringen.


Herr Baur, Sie sind ehemaliger Private Banker und seit 2014 in der Startup-Szene unterwegs. Zunächst versuchten Sie sich als Inkubator und Accelerator und Investor zugleich. Inzwischen hat sich das Profil geschärft. In welche Richtung?

Ja absolut, heute ist die Swiss Startup Group eine Finanzgesellschaft und einer der aktivsten Frühphasen-Venture-Investoren in der Schweiz. Wir haben unseren eigenen Early Stage Venture Fund, unseren Company Builder, also die Swiss Startup Factory, sowie einen Investoren Club mit auserlesenen privaten, professionellen Co-Investoren.

Sie wollen eine Finanz-Disziplin etablieren, die Sie Venture Asset Management nennen. Was verstehen Sie darunter?

In den vergangenen fünf bis sieben Jahren ist das Investieren in Venture in der Schweiz sehr populär geworden. Nun kommen wir in eine Phase, in der dieser Bereich stark professionalisiert wird und sich vor allem bei UHNW- aber auch HNW-Kunden zu einer eigenen Anlageklasse entwickelt, die in den letzten Jahren sehr gute Renditen erzielt hat. Auf diesen Bereich haben wir uns im Sinne von Venture Asset Management spezialisiert.

Das Startup-Universum ist riesig. Wie filtern Sie Unternehmen mit Potenzial heraus?

Wir haben einerseits einen sehr strukturierten Prozess entwickelt, bei dem unser Investmentteam die Pipeline sehr genau analysiert. Hier geht es um Themen wie die Technologie des Unternehmens, Skalierbarkeit, Business Plan, Marktanalyse usw.

«Der Fonds ist im High-Risk-Bereich»

Andererseits spielt bei uns als Frühphasen-Investor das Gründerteam eine sehr entscheidende Rolle. Ist das Gründerteam von den Persönlichkeiten und den Kompetenzen her richtig zusammengesetzt? Ist das Unternehmer-Gen vorhanden? Wir beobachten die Teams über eine gewisse Zeit bevor es zu einem Investment unsererseits kommt.

Ein solcher Venture-Fonds: Wie ist der aufgebaut?

Unser Flagship-Fund hat eine 2-Prozent-Management-Fee und eine 20-Prozent-Performance-Fee. Der Fund hat nach dem ersten Closing im April dieses Jahres angefangen zu investieren. Wir werden ihn im ersten Halbjahr 2021 bei 50 Millionen Franken schliessen. Mindestens 50 Prozent der Investments werden in der Schweiz getätigt, rund 30 Prozent in den USA als Co-Investments mit anderen VC-Funds sowie 20 Prozent in Europa ebenso mit Co-Investments.

Vom Industriefokus her spezialisiert sich der Fund auf IT und Kommunikation, Healthtech sowie Deeptech. Ein unabhängiges, vierköpfiges Investment Committee entscheidet welche Investments getätigt werden.

Anleger müssen auch mit Ausfällen rechnen oder mit starken Schwankungen im Fonds. Wie managen Sie solche Risiken?

Nun, der Fund ist per se im Venture-Bereich und situiert sich somit im High-Risk-Segment. Starke Schwankungen im Fund sind somit in der Natur der Sache. Eine klare Diversifikation sowohl von den Regionen her wie auch den Industrien ist daher sehr wichtig.

Es sollten nur qualifizierte Investoren investieren. Andererseits ist das Thema natürlich hoch attraktiv, da hohe Risiken auch hohe Renditen heissen kann, wenn man die Startups richtig auswählt und das Investment-Portfolio gut managt. 

Im Private Banking sind derzeit Privatmarktinvestments sehr gefragt. Passen Startup-Investments auch ins Angebotsuniversum einer Privatbank?

Wir erhalten im Moment diverse Anfragen von mittelgrossen Banken und Vermögensverwaltern und arbeiten bereits mit einer Schweizer Privatbank aus Genf zusammen. Aus meiner Sicht macht ein Startup-Angebot bei einer Privatbank nur dann Sinn, wenn sie das Angebot mit einem spezialisierten Venture Partner vorantreibt. Eigene Ressourcen in diesem Bereich aufzubauen, halte ich für suboptimal.

«Jede Privatbank hat heute das selbe Problem»

Das Thema an sich ist für eine Privatbank hoch attraktiv, denn jede hat heute das selbe Problem: Wie unterscheide ich mich von meiner Konkurrenz? Da viele Private-Banking-Kunden eine hohe Affinität zum Themen wie Unternehmertum und neue Technologien haben, kann man sich hier auf eine smarte Art und Weise differenzieren.

Was sind diesbezüglich Ihre Pläne?

Ich bin überzeugt, dass sich die Assetklasse Venture über die nächsten Jahre in der Schweiz stark entwickeln und die Nachfrage nach professionell geführten Venture-Investment-Produkten steigen wird.

Dies auch im Zuge der aktuellen Kapitalmarktsituation und weil attraktive Alternativen zu Privatmarktanlagen fehlen. Wir werden über die nächsten Jahre unsere Venture-Produkte-Palette stark ausbauen und bereits im Januar 2021 einen zweiten Fund, der aber themenspezifisch sein wird, im Markt lancieren.

Ihre Swiss Startup Group ist jeweils an den selber ausgegründeten Startups als Mehrheitsaktionär beteiligt. Laufen Sie da nicht Gefahr, sich zu verzetteln?

Nein, überhaupt nicht. Einerseits gründen wir selber nur zwei bis drei Startups pro Jahr aus und andererseits sind wir dank unserer professionellen Fund-Struktur so aufgestellt, dass ein fokussiertes Investmentteam eine Verzettelung unterbindet und uns stark diszipliniert.

Wenn durch Venture Asset Management voraussichtlich mehr Geld in die Startup-Szene fliesst, wird es dann nicht zu mehr Verzerrungen oder Fehl-Allokationen kommen?

Doch, auf jeden Fall. Dies geschieht immer, wenn eine Anlageklasse an Attraktivität und Geldzuflüssen gewinnt. Hier gilt es in Zukunft, nur mit den besten zusammenzuarbeiten, denn nur diese werden für die Investoren die gewünschte Performance erzielen.

Sie haben einen Investoren-Club aufgebaut mit bekannten Namen wie Urs Wietlisbach, Michael Hartweg oder Christian Wenger. Etabliert sich Venture Asset Management, verlieren diese Clubs ihre Exklusivität. 

Aus meiner Sicht ist das nicht ein Problem, ganz im Gegenteil: Durch die Professionalisierung des Venture Business werden unerfahrene Business Angels weniger zum Zuge kommen. Das ist gut für die Startups, denn die Erfahrung zeigt, dass diese mit unerfahrenen Investoren oft viel Zeit verlieren und diese am Schluss gar nicht das Kapital haben, um die Startups über mehrere Wachstumsfinanzierungsrunden mit zu begleiten.

Professionelle, private Venture Investoren sind für viele Startups sehr wertvoll. Sie verfügen über viel Kapital, haben ein weitreichendes Netzwerk und viel unternehmerische Erfahrung. Ein Startup sollte aus meiner Sicht von Anfang an nur solche Investoren mit dabei haben.


Mike Baur war als Private Banker bei der UBS, bei Clariden Leu und zuletzt bei Sallfort (heute Banque Heritage) tätig, bevor er sich 2014 selbständig machte. Er gründete zuerst die Swiss Startup Factory, einen Inkubator und Accelerator, und anschliessend die Swiss Startup Group, die sich auf Investments konzentriert. 

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