Lassen sich Finanzprodukte sicherer machen, indem man ein immer engeres Regulierungs-Korsett um sie herum schnürt? Die Geschichte lehrt das Gegenteil, sagt Christoph Winzeler von der Bankiervereinigung.

Christoph Winzeler 133x200Christoph Winzeler (Bild) ist Leiter Finanzmarktrecht bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Manche Politikerinnen und Politiker trauen dem Staat, insbesondere dem Gesetzgeber, erstaunliche Heilungskräfte zu, wenn es um die Lehren aus der Vergangenheit geht.

Fabian Molina denkt in seinem «NZZ»-Gastkommentar vom 12. August 2014 offenbar, die Wirtschaftskrise ab 2008/09 und die Stützung der UBS hätten sich mit strengeren Transparenzanforderungen für Finanzprodukte vermeiden lassen können. Deshalb verspricht er sich vom Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) das Heil der Anlegerinnen und Anleger.

Molina will das FIDLEG verschärfen und durch eine Zertifizierungspflicht für (alle?) Finanzprodukte aufmöbeln, in der Meinung, dann würde sich eine neuerliche Krise nicht wiederholen.

Ein kontraproduktiver Vorschlag

Ökonomen bezweifeln, dass Krisen sich so wiederholen, dass mit den Lehren aus der ersten die zweite vermieden werden kann. Schon viel ist gewonnen, wenn man die zweite besser als die erste durchsteht, und dafür kann Gesetzgebung ein Beitrag sein – ein Beitrag, aber nicht schon die Lösung.

Was Molina jedoch vorschlägt, bringt keinen solchen Beitrag, sondern eine Verschlimmbesserung erster Güte: Finanzprodukte würden teurer, in vielen Fällen zu teuer – namentlich für die zahlreichen Kleinanlegerinnen und -anleger, denen solche Instrumente über die vergangenen Jahrzehnte zu Ertrag und somit zur Erhöhung ihres Wohlstands verholfen haben.

Politische Husarenritte

Die Probleme mit Lehman und Madoff, auf die manch ein regulierungsfreudiger Politiker zur Begründung seiner Husarenritte verweist, sind absolut nicht die Regel. Sie bilden die grosse Ausnahme – Lehman eine Bank erster Adresse, die insolvent wurde, und Madoff ein Krimineller.

Beide bedauerlichen Fälle hätte auch ein überaus strenges FIDLEG nicht verhindert, da ein Gesetz menschliches Fehlverhalten nie ausschliessen kann. Nötig hierzu ist ein Strafrecht, das gröbstes Fehlverhalten sanktioniert. Ein solches ist weitgehend schon vorhanden und muss nicht neu erfunden, aber in gewissen Bereichen konsequenter angewandt werden.

Ein Update mit Augenmass

Es gibt Dinge, die das FIDLEG verbessern kann und soll, gerade im Bereich der Vermögensverwaltung und Anlageberatung. Hier verträgt das in die Jahre gekommene Obligationenrecht, was Finanzdienstleistungen und Kapitalmarkt angeht, durchaus einen Update – aber bitte mit Augenmass.

Nötig sind Regeln über die Prüfung von Eignung und Angemessenheit der Anlagestrategie für eine Kundin oder einen Kunden, aber auch eine Bewilligungspflicht für Vermögensverwalter und Anlageberater. Solche Massnahmen können den Anlegerschutz auf sinnvolle Weise verbessern und werden insoweit von den Banken unterstützt.

Zwei Fliegen mit einer Klappe?

Molina will aber zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn er im selben Atemzug die Thematik der Rohstoffe und des auf sie gestützten Derivatehandels anspricht. Allein, von dort besteht keine Kausalität zur Wirtschaftskrise, die Fragen des Handels mit Rohstoffen sind andere, und sie gehören nicht ins FIDLEG, sondern verdienen eine eigenständige, sorgfältige Behandlung.

Eine Zertifizierungspflicht für Finanzprodukte hingegen brächte die Wirtschaft auf den Holzweg. Lange Verfahren, bei denen die Produkte nicht auf den Markt kommen, sondern auf der Strecke bleiben, sind nicht die Lösung. Wo ein solches Verfahren zu lange dauert, wandert das Geschäft ab.

Schon lange das Nachsehen

Es überrascht deshalb nicht, dass die Schweiz etwa bei der Fondsemission gegenüber dem Ausland schon lange das Nachsehen hat. Ähnliche Beispiele sind aus der Pharmaindustrie bekannt.

Zudem ist manch ein Kranker oder Verunfallter froh, dass die Operationsmethode seines Arztes nicht erst noch zertifiziert werden muss.