Ein Schweizer Analysehaus ist den Anlagegewohnheiten vermögender Kunden auf den Grund gegangen. Die Experten fördern dabei Verstörendes zutage.

Die in Kreuzlingen TG beheimatete Research-Firma Myprivatebanking ist für ihre unkonventionellen Ansichten bekannt. Diesem Ruf sind die Thurgauer Experten nun abermals gerecht geworden: In einer neuen Studie gingen sie dem Anlageverhalten von vermögenden Personen (High Net Worth Individuals, HNWI) weltweit auf den Grund.

Als Basis diente dabei eine Umfrage unter 1'000 Vermögenden in fünf Private-Banking-Märkten rund um den Globus, wie die Firma angibt.

Jeder Dritte investiert ohne Bank

Die Antworten fallen aus Sicht von Privatbanken verstörend aus. Immer mehr Reiche verwalten nämlich ihr Vermögen auf eigene Faust – ohne die Expertise einen Bankers in Anspruch zu nehmen. Diese sogenannten self-directed-Investoren bedeuten eine grosse Gefahr für die herkömmliche Vermögensverwaltungs-Branche, warnt Myprivatebanking.

Wie die Bankenexperten weiter vorrechnen, gehört bereits jeder Dritte potenzielle HNW-Kunde in jenes Lager. Weltweit würden auf diese Weise bereits 20'000 Milliarden Dollar an Vermögen gehalten.

Alles auf den Kundenberater gesetzt

Der durchschnittliche Selbstverwalter ist dabei um die 40 Jahre alt und männlich. Das lässt darauf schliessen, dass sein Vermögen noch deutlich zunimmt. Für ihre Zwecke wenden sich diese Investoren direkt an Online-Broker – und an die aufkommende Zunft der digitalen Vermögensverwalter und Robo-Advisor, stellt die Studie weiter fest.

Dies erscheint auch deshalb bedenklich, weil der Anteil der diskretionären Mandate, welche alle Anlageentscheide der Bank überlassen und deshalb für die Geldhäuser lukrativ sind, deutlich weniger schnell wächst als die Zahl der self-directed-Investoren, wie die Experten mahnen.

Das ist nicht alles. Wird dieser Befund konsequent weiter gedacht, wird offenbar, dass die Privatbanken in den letzten Jahren womöglich falsch digitalisiert haben. Worin sich nämlich die noblen Finanzhäuser landauf, landab einig sind, ist die unangefochtene Stellung der Kundenberater.

Loslassen lernen

Entsprechend wurden diese für teures Geld mit Tablets und digitalen Werkzeugen für die Beratung ausgerüstet. Ebenfalls digitalisierten die Privatbanken ihre diskretionären Mandate, um der vermögenden Kundschaft eine leicht skalierbare Palette von Diensten vorzulegen.

Trifft indes die Analyse von Myprivatebanking zu, hätten die Privatbanken die Digitalisierung noch viel radikaler anpacken müssen – sie müssten die Kunden direkt und online ansprechen. Denn die Klientel der self-directed-Investoren verlangt genau das.

Natürlich hat das Analysehaus Ratschläge parat, um Selbstverwalter künftig an die Bank zu binden. Dazu müssen die Institute aber erst loslassen lernen: 60 Prozent der befragten Investoren verzichten auf eine Privatbank, weil sie die Kontrolle über ihr Vermögen behalten wollen; nur 20 Prozent störten sich an den Bankgebühren.

Plattform ist zwingend

Was nicht heissen will, dass die Banken um teure Investitionen herumkommen. Laut der Studie ist eine moderne Handelsplattform Grundvoraussetzung, um die digital affinen Selbstverwalter anzulocken. Das ist zwingend: Erst wenn die Plattform als Berührungspunkt etabliert ist, können die Vermögensverwalter von dort aus optionale Beratungsdienste anbieten, so genannte «lite»-Dienste.

Das alles klingt nach einer schwierigen Übung. Doch die Alternative ist noch unangenehmer. Sollten die Banken nämlich die Schnittstelle zum Kunden verlieren, ist es mit ihrem Geschäftsmodell vorbei – darüber ist sich die Branche heute schon einig.

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