Die nächsten Tage werden weisen, ob sich die amerikanische Politik zu einem Kompromiss durchringen kann. «Sonst müssten wir auf ein Wunder hoffen», sagt Gareth Fielding.

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Gareth Fielding ist CEO und Chief Investment Officer von Quantum Global Investment Management

Für die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft dürften die nächsten Tage entscheidend werden. Denn seit seiner Wiederwahl ist US-Präsident Barack Obama mit der drohenden «Fiscal Cliff» konfrontiert. «Fiskalische Klippe» nennen Experten den Mix aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen, der das Bruttoinlandprodukt (BIP) im nächsten Jahr um bis zu 5,1 Prozent verringern könnte – sofern sich die Demokraten und Republikaner in Washington nicht zu einem Kompromiss durchringen können.

Selbstverständlich hoffen alle Investoren auf eine Lösung, die den befürchteten Sparkurs mildern würde, der gemäss jetzigen Gesetzen auf Anfang 2013 in Kraft tritt. Ein baldiges Signal, dass man auf demokratischer Seite bereit wäre, mit den Republikanern zu kooperieren, dürfte der einzige Weg sein, eine signifikante Rezession zu verhindern, die zwangsläufig auch auf die Finanzmärkte ihre Auswirkungen hätte.

Damoklesschwert über der US-Wirtschaft

In der Tat zeigte sich diese Woche auch der Republikaner John Boehner, seines Zeichens Sprecher des US-Repräsentantenhauses, zu allfälligen Kompromissen bereit, indem er erklärte, seine Partei sei willens, gewisse Steuererhöhungen unter bestimmten Bedingungen zu unterstützen. Sofern es nun auch noch Barack Obama gelingt, einen konzilianten Ton anzustimmen, ist eine Einigung durchaus möglich, welche die finanzpolitischen Restriktionen abwenden würde, die wie ein Damoklesschwert über der US-Wirtschaft hängen.

Ein Kompromiss wird indessen nicht einfach zu bewerkstelligen sein, selbst wenn beide Seiten einen solchen anstreben. Wie schwierig es ist, einen Konsens zu finden, zeigte sich bereits im August 2011 in einem von zunehmend dogmatischen Prinzipien dominierten Umfeld. Damals liess sich die Schuldenobergrenze temporär nur erhöhen, weil im Gegenzug Ausgabenkürzungen für 2013 vereinbart wurden, die rund 10 Prozent der nun befürchteten «fiskalischen Klippe» ausmachen.

Anhänger der «Tea Party» haben Einfluss

Immerhin dürfte die Chance für Kompromisse nun nach den US-Wahlen grösser sein. Doch das Potenzial für einen Systemkollaps bleibt nichts desto trotz bestehen. Die Republikaner haben das Repräsentantenhaus fest in ihrer Hand und können so jeden Gesetzesvorschlag, der ihnen nicht passt, blockieren – zumal die radikalen Anhänger der «Tea Party» im republikanischen Lager einen massgeblichen Einfluss besitzen. Zudem ist der Kongress durch die Abwahl einiger gemässigter Parlamentarier zu Gunsten eher ideologischer Politiker viel polarisierter geworden.

Unter diesen Prämissen ist das bestmögliche Ergebnis eine Art Kompromiss, sozusagen ein grosser «Bargain», den die Parteien in den nächsten Tagen erreichen könnten. Er würde darauf abzielen, geringere Steuererhöhungen mit moderaten Ausgabenkürzungen zu kombinieren, was zu einer kleiner «Fiskalklippe» in der Grössenordnung von 1,5 Prozent bis 2,5 Prozent führen würde. Doch selbst dieser BIP-Schwund könnte die wankende US-Wirtschaft 2013 an den Abgrund einer Rezession führen.

Gedämpfter Marktaufschwung

Umgekehrt würden sich dadurch aber die mittel- bis längerfristigen Aussichten aufhellen, was durchaus zu einem Auftrieb in der US-Wirtschaft führen könnte. In diesem Szenario dürften sich riskantere Anlagen beser entwickeln, weil sie die Zukunft vorwegnehmen. Doch jeder Marktaufschwung würde angesichts des nach wie vor trüben wirtschaftlichen Umfelds über kurz oder lang ordentlich gedämpft werden.

Der wahrscheinlichere Ausgang der Bemühungen in den nächsten Tagen wird indessen wohl schwerer wiegen. Denn ohne Kompromiss dürften die Bestandteile der «fiskalischen Klippe» partiell zum Tragen kommen. Beispielsweise könnte das Finanzministerium die Einführung einer 2-prozentigen Lohnsteuererhöhung verzögern, und zwar unter der Annahme, dass rückwirkend eine 2-prozentige Steuerkürzung angenommen würde, die im Normalfall ausgelaufen wäre.

Geldpolitik als Steuerungsinstrument

So oder so muss spätestens Mitte Februar die Schuldenobergrenze erhöht werden. Sollte bis dann kein Kompromiss diese Massnahme abfedern, könnte dies für die Finanzmärkte zum Siedepunkt werden. Vor diesem Hintergrund erwarte ich, dass riskante Anlagen einiges von ihren Avancen in diesem Jahr wieder abgeben werden.

Verschiedene Dinge sind jedenfalls klar: Erstens, die US-Wirtschaft bleibt schwach bleiben, und finanzpolitische Sparmassnahmen werden weiter dominieren. Die Geldpolitik wird dabei das wichtigste Steuerungsinstrument bleiben, um Wachstum zu generieren und damit auch die Börsenkurse zu stützen.

Wer folgt auf Ben Bernanke?

Zweitens: Mit der Wiederwahl von Präsident Barack Obama dürfte sich auch die Politik der amerikanischen Federal Reserve in mehr oder weniger unveränderter Form fortsetzen, selbst wenn Notenbank-Präsident Ben Bernanke zurücktritt, wie gerüchteweise zu hören ist. Die aussichtsreichste Nachfolgekandidatin, Janet Yellen, ist sogar noch moderater als «Helikopter-Ben», was wiederum dazu führen dürfte, dass die Fed noch beherzter eingreifen würde, sollte sich die US-Wirtschaft verlangsamen.

In einem solchen Umfeld würden Staatsobligationen eine gute Unterstützung finden. Auch Gold würde sich gut entwickeln, wobei die Investoren sich allmählich bewusst werden sollten, wie gross mittlerweile die Korrelation zwischen dem gelben Edelmetall und den Aktienmärkten ist. Der amerikanische Dollar dürfte in engen Grenzen notieren, zumal ein erhöhtes Angebot der Geldmenge dem Safe-Haven-Charakter des «Greenback» abträglich wäre.

Anleger werden Gewinne realisieren

Insgesamt erwarte ich Steuererhöhungen auf Kapitalgewinne und Dividenden. Vor diesem Hintergrund ist denn auch anzunehmen, dass viele Anleger einen Teil ihrer Aktien abstossen und Gewinne realisieren werden, zumal die US-Märkte seit März 2009 um rund 100 Prozent zugelegt haben. Auf das Jahresende hin werden also nicht nur die Papiere von Apple unter Verkaufsdruck geraten. Doch lässt sich die Fiskalklippe denn irgendwie abwenden, wenn sich Obama und Boehner nicht zu einem Kompromiss durchringen können?

Nun, der Kalender der Maya sieht das Ende der Welt bereits am 21. Dezember vor. Sollte sich diese Prophezeiung also bewahrheiten, würde die Fiskalklippe tatsächlich von selbt abgewendet werden. Aber abgesehen von diesem Szenario dürften wohl sämtliche Massnahmen die darauf abzielen, die US-Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen, den Anlegern kurzfristig eher ein Unwohlsein bereiten.


Gareth_Fielding_3qGareth Fielding leitet Quantum Global Investment Management seit September 2008 als Chief Executive Officer und Chief Investment Officer. Zuvor war er Chief Investment Strategist und Head Economist bei Rothschild in London, Head of Asset Allocation im Zentralbanken-Team von Merrill Lynch Investment Managers und Joint Head of Fixed Income bei J.P. Morgan Investment Management. Am Imperial College der Universität London absolvierte er sein MBA.

 

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