Laurent Gagnebin: «Rothschild & Co wächst in Israel kontinuierlich»
Herr Gagnebin, im ersten Halbjahr 2025 erlitt Rothschild & Co einen Rückgang der verwalteten Vermögen. Was ist schiefgelaufen?
Wir haben im vergangenen Jahr rekordhohe Kundengelder verzeichnet. Ab dem zweiten Quartal 2025 spürten wir jedoch die erhöhte Marktvolatilität und die Währungseinflüsse. Vor allem der schwache Dollar – wir halten viele Kundenvermögen in dieser Währung – führte zu Tieferbewertungen.
Die Neugelder beliefen sich im ersten Semester 2025 auf 535 Millionen Franken. Welche Entwicklungen trugen massgeblich zu diesem Volumen bei?
Das Schweizer Geschäft erzielte ein starkes Ergebnis, und auch die Mehrheit unserer internationalen Geschäftsstellen trug zur positiven Neugeldentwicklung bei.
Der Zufluss spiegelt eine robuste operative Leistung in einem herausfordernden Umfeld wider.
Wie unterscheidet sich die Wachstumsdynamik zwischen der Schweiz und den Auslandsniederlassungen?
In der Schweiz profitieren wir sicher von unserer jahrelangen Aufbauarbeit, dem guten Netzwerk und den Investitionen in neue Services. Hier sind wir bei den Kundengeldern stark gewachsen.
«Unsere Kundenberater betreuen im Durchschnitt nur rund 30 Kunden.»
In den sich im Aufbau befindenden Märkten wie Spanien und Israel ist der Kundenzuspruch ebenfalls positiv. Stark war auch unser Start in Dubai.
Wie kann Rothschild & Co in der Schweiz noch wachsen?
Wir wachsen kontinuierlich sowohl in Genf als auch in Zürich. Es zahlt sich langfristig aus, dass wir viel in die persönliche Beratung investieren. Unsere Kundenberater sollen dafür Zeit haben und betreuen im Durchschnitt nur rund 30 Kunden.
Mit diesem Ansatz und einer überdurchschnittlichen Anlageperformance sehen wir in der Schweiz noch viel Potenzial für organisches Wachstum.
Dazu beitragen wird auch der Ausbau unserer Beratung im Bereich der Vermögensnachfolge, Vorsorgeplanung, Erbschaften und Willensvollzug. Hier haben wir kürzlich die Firma Tenalis akquiriert, um dieses Angebot zu stärken.
Sehen Sie hierzulande derzeit weitere Privatbanken als Übernahmeziele?
Primär wollen wir organisch wachsen. Wir schauen uns aber immer wieder einmal ein Dossier an. Dabei sind wir aber sehr selektiv.
«Die Kunden suchen in diesen unsicheren Zeiten Orientierung und Sicherheit»
Für uns ist es sehr wichtig, dass die Familien- und Unternehmenswerte von Rothschild & Co übereinstimmen und ein möglicher Partner zu unserem Beratungsansatz passt. Dazu gehört die langfristige Perspektive bei der Kundenbetreuung und keine falschen kurzfristigen finanziellen Anreize für die Kundenberater.
Inwiefern bietet das Swiss Banking noch einen Mehrwert gegenüber ausländischen Banken und Finanzplätzen?
Genauso wie der Schweizer Franken bieten auch Schweizer Privatbanken etwas, das aktuell wieder sehr gefragt ist: Stabilität und Verlässlichkeit. Die Kunden suchen in diesen unsicheren Zeiten Orientierung und Sicherheit.
Zudem ist der Schweizer Finanzplatz sehr international ausgerichtet und hat viel Erfahrung bei der Betreuung von komplexen Vermögen, die international verstreut sind. Die Attraktivität der Schweiz für sehr vermögende Familien ist in den vergangenen Jahren sogar gestiegen.
Welchen Einfluss haben die geopolitischen Konflikte auf Ihre Märkte in Israel und Dubai?
Auf unser Geschäft hat die Situation in Israel bisher keinen Einfluss. Das mag ein wenig überraschen. Aber wir wachsen in Israel kontinuierlich. In Dubai sind wir erst seit kurzem. Aber auch dort entwickelt sich das Geschäft erfreulich, und wir konnten bereits zusätzliche Kundenberater einstellen.
«Wir betreuen asiatische Kunden aus der Schweiz heraus.»
Das Potenzial in Dubai ist sehr gross, nicht zuletzt auch, weil wir dort mit unserem Global Advisory Business im Bereich M&A und Unternehmensfinanzierungen sehr stark sind.
Warum expandieren Sie nicht nach Asien, zum Beispiel nach Singapur?
Wir betreuen asiatische Kunden aus der Schweiz heraus. Die Rothschild & Co Gruppe konzentriert sich im Wealth Management vorwiegend auf europäische Stammmärkte.
Der Fokus liegt hier darauf, überall eine wichtige Marktposition zu erlangen. Das ist bereits der Fall in der Schweiz, Deutschland, Frankreich und in Grossbritannien. In anderen Ländern wie Italien oder Spanien investieren wir aktuell.
Sie haben in verschiedenen (europäischen) Märkten eine Neuausrichtung vorgenommen. Warum, und was sind die Resultate aus den getroffenen Massnahmen?
Wir haben unser Geschäft in Luxemburg neu aufgestellt. Mit der Übernahme der Banque Pâris Bertrand in der Schweiz vor vier Jahren erhielten wir auch ein Office in Luxemburg. Das haben wir nun mit unserem französischen Wealth Management, welches bereits auch in Belgien tätig ist, zusammengelegt. Das ergibt aus Gruppensicht mehr Sinn.
Welche Prioritäten haben Sie sich gesetzt, um in den kommenden 18 Monaten weiter zu wachsen und erfolgreich zu sein?
Wir führen unsere Investitionen in den Ausbau der Kundenberatungskapazitäten in allen Märkten fort. Wir haben noch überall Wachstumspotenzial.
«Ein weiterer Schwerpunkt ist die Stärkung unseres Entrepreneur-Angebots.»
In der Schweiz liegt der Fokus darauf, die gesamtheitliche Beratung der Kunden weiter zu stärken. Die Akquisition von Tenalis spielt dabei eine wichtige Rolle. Wir wollen den Kunden von Tenalis aufzeigen, dass wir sie und ihre Angehörigen im Bereich der klassischen Vermögensverwaltung unterstützen können.
Gleichzeitig können wir unseren Kunden jetzt auch den bestmöglichen Service rund um die Willensvollstreckungen und Erbschaften bieten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Stärkung unseres Entrepreneur-Angebots.
Schliesslich wollen wir unseren Kunden den Zugang zu den Privatmärkten weiter erleichtern, denn diese Assetklasse bietet weiterhin gute Renditechancen. Dies geschieht zusammen mit dem Geschäftsbereich Five Arrows innerhalb der Rothschild & Co Gruppe.
Laurent Gagnebin stiess im Herbst 2011 zur Rothschild Wealth Management Equitas, dem Genfer Standbein der Zürcher Rothschild & Co Bank. Zuvor leitete er die Investec Bank in der Rhonestadt. Ins Banking gelangte er über die Goldman Sachs Bank in Genf, nachdem er zuvor die École hôtelière de Lausanne absolviert und mehrere Jahre in der Hotelbranche gearbeitet hatte. Seit Mitte 2016 führt er als CEO die Rothschild Bank in der Schweiz.