Stablecoin-Vorlage: Ein wichtiges Zeichen, aber nun muss nachgebessert werden
Von Hans Kuhn
Mit einer Revision der Finanzinstitutsgesetzes (Finig) will der Bundesrat die Rahmenbedingungen für Fintechs und Krypto-Institute verbessern und die Ausgabe von Stablecoins ermöglichen. Das ist ein wichtiges Zeichen gegen den Verlust der schweizerischen Führungsstellung im Bereich der innovativen Finanztechnologien.
Der Bundesrat hat am 22. Oktober 2025 ein umfangreiches Gesetzgebungspaket im Fintech- und Kryptobereich in die Vernehmlassung bis Anfang Februar 2026 geschickt (finews.ch berichtete). Das Paket umfasst vier Teile:
- Die 2019 eingeführte Fintech-Lizenz (Art. 1b Bankengesetz) wird als Bewilligung für Zahlungsmittelinstitute in das Finig überführt. Der Wegfall der arbiträren 100-Millionen-Franken-Obergrenze für Publikumseinlagen und der bessere Schutz der Kundengelder stärken diese Bewilligungskategorie.
- Zahlungsmittelinstitute haben das alleinige Recht, sogenannte «wertstabile kryptobasierte Zahlungsmittel» auszugeben – das sind Stablecoins, die dem E-Geld-Token nach EU-Recht entsprechen.
- Eine neue Bewilligungskategorie für Kryptoinstitute deckt die bisher in Art. 1b Bankengesetz geregelte Sammelverwahrung von Kryptowerten ab, ausserdem den Kundenhandel sowie das Marketmaking. Inhaltlich orientiert sich diese Kategorie an derjenigen für Wertpapierhäuser.
- Für Kryptodienstleistungen gelten neu ähnliche Sorgfaltspflichten wie für Finanzdienstleister nach dem Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg). Für das öffentliche Angebot von gewissen Kryptowerten bzw. deren Zulassung zum Handel greifen Transparenzpflichten.
Eine gemeinsame Arbeitsgruppe der wichtigsten Industrieverbände (Swiss Blockchain Federation, Crypto Valley Association, Swiss Fintech Association und The Capital Markets and Technology Association) hat das Paket in den vergangenen Wochen einlässlich analysiert und kommt in ihrer heute veröffentlichten Stellungnahme zu einer überwiegend positiven Beurteilung.
Wichtig ist vor allem, dass die Emission von Stablecoins aus der Schweiz heraus endlich möglich wird. Stablecoins sind virtuelle Währungen, die durch einen Stabilisierungsmechanismus (zumeist ein Rückzahlungsversprechen zum Nominalwert) an eine offizielle Währung (z.B. Dollar oder Euro) gebunden sind. Vor allem im Dollarraum sind Stablecoins zuletzt explosionsartig gewachsen. Zusammen mit tokenisierten Bankeinlagen und digitalem Zentralbankgeld werden sie in Zukunft eine zentrale Stellung im Zahlungsverkehr einnehmen.
Endlich sind Schweizer Stablecoins möglich
Aus der Schweiz heraus war eine Emission von Stablecoins angesichts der Anforderungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) faktisch kaum möglich. So verlangte die Finma eine umfassende Identifikation auch von Zwischenhaltern von Stablecoins – eine Vorgabe, die internationale Standards nicht vorsehen und die deshalb weltweit einmalig ist. Das Finig-Paket sieht nun vor, dass Geldwäschereirisiken auch durch die Sperrung von sanktionierten Adressen Rechnung getragen werden kann («Blacklisting»). Damit wird das Potential der Distributed Ledger Technology (DLT) für Compliance-Zwecke erschlossen.
Umso weniger ist nachvollziehbar, dass Blacklisting nur gerade für E-Geld-Token erlaubt sein soll, nicht aber für andere Stablecoins, obwohl deren Emittenten dem Geldwäschereigesetz ebenfalls unterstehen.
Keine bürokratischen Hürden für Banken
Unverständlich ist auch, weshalb Banken nach den Vorstellungen des Bundesrats die Emission von Stablecoins nur über ein separates Zahlungsmittelinstitut erlaubt sein soll. Banken sind die zentralen Träger des Zahlungsverkehrs und müssen am Innovationswettbewerb im Zahlungsverkehr ohne kostspielige bürokratische Hürden teilnehmen können.
«Die vorgeschlagene Regulierung von Kryptoinstituten würde zu einer drastischen Marktbereinigung führen, wie sie derzeit in der EU zu beobachten ist.»
Kritischer ist die Einschätzung der Verbände zur vorgeschlagenen Regulierung von Kryptoinstituten, die sich gemäss Erläuterungsbericht an derjenigen für Wertpapierhäuser orientieren soll. Das würde zu einer drastischen Marktbereinigung führen, wie sie derzeit in der EU zu beobachten ist. Dort dürften nach vollständiger Umsetzung der Markets-in-Crypto-Assets-Verordnung (MiCAR) von ursprünglich rund 3000 Kryptodienstleistern noch 150 bis 300 sogenannte CASPs (Crypto-Assets Service Providers) übrigbleiben.

Hans Kuhn hat die Stellungnahme der Krypto- und Fintechverbände koordiniert. (Bild: zVg)
Zweistufiges Aufsichtsmodell prüfen
Deshalb sollte ein zweistufiges Aufsichtsmodell geprüft werden, bei dem die laufende Aufsicht über Kryptoinstitute ähnlich wie bei den Vermögensverwaltern durch Aufsichtsorganisationen wahrgenommen wird, ausser für bedeutsame Kryptoinstitute, die direkt durch die Finma beaufsichtigt würden.
Damit würde nicht nur die Selbstregulierung – eines der Alleinstellungsmerkmale der Schweiz – gestärkt; auch die Finma würde damit von Aufgaben entlastet, die sonst über Jahre hinweg knappe Ressourcen absorbieren würden.
Taxonomie für Zahlungs-, Anlage- und Nutzungstoken
Keine grundlegenden Einwände gibt es gegen die sinngemässe Anwendung der Fidleg-Sorgfaltspflichten auf Krypto-Dienstleister. Diese sollten allerdings auf Kryptowerte beschränkt sein, die primär Investitionszwecken dienen; für kryptobasierte Zahlungsmittel passen sie nicht. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit einer präziseren Taxonomie, die sich an der bewährten Dreiteilung von Zahlungs-, Anlage- und Nutzungstoken orientierten sollte.
«Bei den Transparenzpflichten würden die Verbände den Anwendungsbereich sogar erweitern: ‹Sunlight is the best disinfectant.›»
Ohne Vorbehalte zu begrüssen sind schliesslich die Transparenzpflichten, im Wesentlichen eine Pflicht zur Veröffentlichung von sogenannten Whitepapern bei einem öffentlichen Angebot oder dem Listing von Kryptowerten. Hier würden die Verbände sogar einen erweiterten Anwendungsbereich befürworten, gilt doch gemäss Louis Brandeis, einem bekannten amerikanischen Juristen und Richter am Supreme Court in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: «Sunlight is the best disinfectant.»
Schnellere Bewilligungsverfahren der Finma
Die Verbände machen in ihrer Stellungnahme auch auf Handlungsbedarf bei den Bewilligungsverfahren der Finma aufmerksam, die viel zu lange dauernd und intransparent sind. Sie fordern deshalb, dass ein Bewilligungsverfahren im Regelfall innerhalb von sechs Monaten nach Einreichen eines vollständigen Dossiers abgeschlossen werden soll. Das entspricht den Vorgaben gemäss der MiCA-Verordnung. Die Bewilligungsverfahren für Personen nach Art. 1 Bankengesetz dauerten demgegenüber zuletzt regelmässig 18 bis 24 Monate.
Auch im Bereich der konsolidierten Aufsicht gibt es Handlungsbedarf, weil die Anforderungen der Finma hier regelmässig zu kaum überwindbaren Hürden für Investitionen ausländischer Unternehmen in der Schweiz führten. Werden diese technischen Probleme nicht gelöst, droht die Finig-Novelle toter Buchstabe zu bleiben.
Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen
Auch wenn noch viel Hobel-, Schleif- und Polierarbeit zu leisten ist, so ist die Finig-Vorlage doch ein ausgezeichneter Ausgangspunkt, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im Bereich der innovativen Finanztechnologien zu stärken bzw. wiederherzustellen.
Diese hat zuletzt gelitten, weil andere Staaten in hohem Tempo aufgeholt haben, aber auch aufgrund einer immer restriktiveren Politik der Finma sowie einer gewissen Selbstzufriedenheit der Branche. Dass die Finma in ihrer jüngsten, vor einem Jahr verabschiedeten Vierjahresstrategie auf das bisherige Innovationsziel verzichtet hat, ist ein Menetekel.
«Es wäre tragisch, wenn die Schweiz als eines der innovativsten Länder der Welt hier nicht an vorderster Front mitmachen würde.»
Epochaler Innovationsschub
Das Thema ist für den gesamten Finanzplatz von Bedeutung, weil sich die Finanzindustrie mitten in einem epochalen Innovationsschub befindet. Der Einsatz von Technologien wie DLT, künstlicher Intelligenz sowie Cloud- und Quantum-Computing verspricht massive Effizienzgewinne, ermöglicht neue Produkte und Dienstleistungen und wird die Zukunft der Finanzindustrie und ihrer Infrastruktur entscheidend formen.
Es wäre tragisch, wenn die Schweiz als eines der innovativsten Länder der Welt hier nicht an vorderster Front mitmachen würde. Dabei sollte die Schweiz auf ihre traditionellen Stärken setzen, zu denen neben Selbstregulierung auch Rechtssicherheit und dialogbereite Behörden gehören.
Hans Kuhn ist Gründer und Partner der Kanzlei Lawside. Er ist seit 2014 als selbständiger Rechtsanwalt tätig, nachdem er 13 Jahre lang Chefjurist bei der Nationalbank war. Er hat die Stellungnahme der Verbände zur Finig-Vorlage in deren Auftrag koordiniert.















