Mehr Rendite trotz niedrigerem Risiko? Was bislang undenkbar schien, soll mit nachhaltigen Finanzanlagen möglich sein, wie die Mirova-Fondsmanagerin Anna Väänänen im Gespräch mit finews.ch erklärt. 

«Nachhaltigkeit ist nichts Neues», sagt Anna Väänänen im Gespräch mit finews.ch. Die Fondsmanagerin des französischen Vermögensverwalters Mirova ist seit bald mehr als 25 Jahren im Anlagegeschäft tätig und suchte seit jeher nach gut geführten, langfristig profitabel arbeitenden und innovativen Unternehmen, wie sie weiter erklärt. Mit dem Klimawandel habe die Nachhaltigkeit jedoch eine neue Bedeutung erlangt.

Die Dringlichkeit, mit der die Welt heute die wachsenden Umweltprobleme lösen wolle, lasse sich auch in der Wirtschaft nicht länger ignorieren und führe zu einem erhöhten Anspruch auf Nachhaltigkeit. Darum müssten die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle überdenken, und gleichzeitig würden neue Akteure auf den Plan treten. Und vor diesem Hintergrund wandelten sich die Finanzmärkte, so Väänänen.

Neubewertung an der Börse

Firmen, die diesem Wandel nicht Rechnung tragen, würden aus der Gunst der Investorinnen und Investoren fallen, während sich gleichzeitig deren Kapitalkosten massiv erhöhten, ist Väänänen überzeugt. So wird es zu einer Art Neubewertung an der Börse kommen. «Was wir jetzt erleben, ist ein Weckruf für die Hochfinanz», sagt die Anlageexpertin von Mirova, einem Asset Manager, der sich seit rund 30 Jahren mit der Nachhaltigkeits-Thematik befasst.

Der Anspruch auf Nachhaltigkeit in der Geldbranche wird nicht mehr verschwinden, wie zahlreiche Fachleute versichern. Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich auch die gesellschaftliche Wahrnehmung dahingehend geändert, dass unsere Welt durchaus zu retten wäre, und dass mit gezielten Massnahmen schon innert kurzer Zeit etwas bewirkt werden könne. Diese Meinung teilen inzwischen auch viele institutionelle Investoren.

«Verwaiste» Anlagen

Die Beobachtung ist insofern interessant, weil sie gängigen Denkmustern der Finanzwissenschaft widerspricht, wie Väänänen einräumt. War es bislang so, dass höhere Renditen nur mit höheren Risiken zu erzielen waren, hat sich das nun geändert. Konkret: Nachhaltig geführte Firmen bergen ein tieferes Risiko und erzielen trotzdem höhere Renditen als «gewöhnliche» Unternehmen. Stimmt das wirklich?

Väänänen ist davon überzeugt, dass ein Umdenken im Gange ist. Die gesamte Wirtschaft sei im Umbruch. Neue Gesetze und Bestimmungen in Sachen nachhaltiges Wirtschaften würden dazu beitragen, dass sich Investorinnen und Investoren Gedanken darüber machten, ob ihre Vermögenswerte noch sicher seien. Denn über Nacht könnten Aktien, Maschinen oder (Rohstoff-)Vorräte aufgrund neuer Vorschriften wertlos werden. Man spricht dann von «verwaisten» Anlagen.

Suche nach den neuen «Googles» und «Amazons»

Im Gegenzug würden sich neue Geschäftsfelder für innovative Firmen eröffnen, etwa in der Abfallbewirtschaftung (Recycling), im «grünen» Bauen, mit erneuerbaren Energien, im Umgang mit Wasserressourcen oder in einer nachhaltigeren Nutzung der Landwirtschaft sowie mit elektrisch-betriebenen Verkehrssystemen. In diesem Kontext stehen Unternehmen, die heute zu den Disruptoren und Innovatoren gehören und schon morgen die neuen «Googles» oder «Amazons» sein könnten. Solche Investment-Stories sind ganz nach dem Gusto einer wachsenden Zahl von Anlegerinnen und Anleger.

In der Schweiz ist die Popularität nachhaltiger Anlagen mittlerweile enorm. Dies dokumentieren die Zahlen der Branchenorganisation Swiss Sustainable Finance (SSF): Der Markt für Anlagen, die nach den Kriterien Umwelt, Gesellschaft und gute Unternehmensführung (ESG) investiert werden, wuchs im vergangenen Jahr um mehr als 30 Prozent auf 1,52 Billionen Franken. Und das Volumen nachhaltiger Fonds machte 2020 erstmals überhaupt mehr als die Hälfte des Schweizer Fondsmarktes aus.

Drei Kriterien statt Gutmenschentum

Darauf zielt Väänänens Arbeit als Fondsmanagerin ab: Aus einem Universum von weltweit etwa 300 Firmen, die im weitesten Sinn nachhaltige Geschäftsaktivitäten betreiben, schaut sich die Expertin mit ihrem Team rund 100 Unternehmen näher an. Geleitet wird die Managerin bei ihren Anlageentscheiden nicht vom Prinzip Hoffnung oder Gutmenschentum. Im Vordergrund stehen vielmehr drei Kriterien, wie sie im Gespräch weiter erläutert.

Erstens müssen es Unternehmen sein, die in ihrem Bereich ein strukturelles Wachstum erzielen, dass nachhaltig über dem Branchendurchschnitt liegt; zweitens müssen diese Firmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz besitzen, sei es mit ihrer Preisführerschaft oder im Rahmen der Disruption eines Geschäftsfelds; und schliesslich ist eine nachweisliche Innovationskraft zwingend.

Die nächsten Megatrends

So kommen 40 bis 60 Firmen zusammen, die sich je nach Analyse für ein Engagement eignen, das wiederum vom Management, dem Geschäftsmodell, der Bilanzstruktur und des Bewertungspotenzials abhängt.

Die nächsten Megatrends sieht Väänänen in «sauberen» Verkehrsmitteln, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zahlreichen Infrastruktur-Vorhaben, die viele Staaten im Nachgang zur Corona-Pandemie beschlossen haben, darüber hinaus in der sogenannten Kreislaufökonomie, also in einem Geschäftsmodell, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden, so dass sich der Lebenszyklus der verwendeten Güter verlängert. Grosses Potenzial sieht Väänänen schliesslich in der nachhaltigeren Nutzung von Kulturland, was wiederum eine Basis schafft, um die Umwelt von Grund auf zu schonen.

Radikale Veränderungen

«Die Corona-Krise hat bewiesen, dass Nachhaltigkeit nicht nur zwingend für das langfristige Fortbestehen unseres Planeten ist, sondern die entsprechenden Investitionen erst noch besser rentieren als andere, herkömmliche Anlagen», betont die Mirova-Expertin; insofern stehe man ganz am Anfang einer Entwicklung, welche auch die Verhaltensweisen in der Finanzwelt noch radikal verändern werde.

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