Wie eine exotische, sich verfärbende Amphibie namens «Rana de Ojos Rojos» an die aktuellen Projekte in der Schweizer Bankenregulierung erinnert. 

staub_markusVon Markus Staub, Leiter Bankenpolitik/Bankenregulierung, Schweizerische Bankiervereinigung

Vor einigen Tagen habe ich eine Postkarte aus Costa Rica erhalten. Die Vorderseite zeigt ein Bild von einem spektakulären einheimischen Frosch, der sich bei Berührung verfärbt. Der «Rana de Ojos Rojos» ist grundsätzlich grün, und damit auf seinem typischen Hintergrund perfekt getarnt.

Bei Berührung allerdings wechselt er schlagartig sein Farbenkleid und wird kunterbunt: Leuchtend rote Füsse, enzyanblaue Hinter- und Vorderbeine und ein gelbes, tigerähnliches Streifenmuster entlang dem Rumpf lassen ihn fast wie ein überzeichnetes Kunstwerk der Pop Art aussehen. Vermutlich also ein Giftfrosch.

Warum mich dieses Tier fasziniert? Keine Angst: Ich werde bewusst nicht die Analogie zwischen Farben und politischen Richtungen oder Parteien strapazieren. Stattdessen hat mich die interessante Amphibie an aktuelle Projekte der Bankenregulierung erinnert. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Interpretationen denkbar.

Variante 1: Der Frosch ist tatsächlich giftig und weist zur Warnung seiner Fressfeinde die Qualitäten eines Chamäleons auf. Gewissermassen ein Wolf im Wolfspelz. Bei derartigen Regulierungsprojekten handelt es sich häufig um Kröten, die für die Betroffenen schwierig zu schlucken sind, beispielsweise weil sie Wettbewerbsnachteile generieren oder mit unverhältnismässigen Umsetzungskosten verbunden sind.

Von entsprechend hoher Bedeutung ist es deshalb, Warnsignale rechtzeitig wahrzunehmen und richtig zu interpretieren. Wenn eine regulatorische Verschärfung farbig aufleuchtet, ist es im Zweifel sicherer, zunächst von ihrer Giftigkeit auszugehen. Die gegenwärtig laufende Konkretisierung des «Too big to fail»-Pakets auf Verordnungsstufe ist dafür ein Beispiel.

Variante 2: Der Frosch ist ein Bluffer, er kann zwar auf der Klaviatur der Regenbogenfarben spielen und bunt schillern, ist aber in Tat und Wahrheit gar nicht giftig. Das Schaf im Wolfspelz. Die etwas subtilere Abwehrstrategie besteht dann gerade darin, Giftigkeit vorzutäuschen respektive «Freeriding» bei wirklich gefährlichen Konkurrenten zu betreiben, ohne selbst giftig sein zu müssen.

In unserer Analogie wären das regulatorische Verschärfungen, die sich farbig aufblustern, zunächst für verschiedene Seiten attraktiv scheinen, aber letztlich wenig Wirkung erzielen, mindestens nicht auf längere Sicht. Die ursprünglich vorgeschlagenen Verschärfungen der Risikogewichtung für Hypothekarkredite hätten teilweise diesen Charakter gehabt. In solchen Fällen ist ebenfalls Vorsicht am Platz, wenn man sich nicht von Illusionen blenden lassen will.

Variante 3: Der Frosch ist ein verzauberter Prinz. Wenn die schöne Prinzessin ihn nicht nur berührt, sondern auch küsst, wird er zum holden Jüngling. Solche Regulierungsperlen sind leider eher rar. Umso wichtiger ist es, die richtigen Zauberfrösche zu identifizieren.

Das ist typischerweise nur über die systematische Abwägung von Nutzen und Kosten eines regulatorischen Instruments möglich. Aus diesem Grund ist die Durchführung von Kosten/Nutzen-Analysen beziehungsweise von Regulierungsfolgenabschätzungen von zentraler Bedeutung. Ohne geeignete Wirkungsanalysen findet man die verzauberten Prinzen nicht.

Auch im Umfeld der Regulierung kommen alle diese Froscharten vor. Grundsätzlich gilt: Die Dinge sind häufig nicht, was sie vorgeben zu sein. Regulierungsfrösche sind manchmal getarnt und unauffällig, manchmal kitschig farbig – und manchmal sogar giftig. Die richtige Einordnung kann matchentscheidend sein. Und: Prinzen sind selten, küssen Sie Frösche nur mit Zurückhaltung!