Seit einigen Jahren in aller Munde: Um fünf Uhr morgens muss der Wecker klingeln, um erfolgreich zu sein. Doch stimmt das wirklich?

Von Karin M. Klossek, Mitgründerin von GloriousMe.Net

Auf den ersten Blick einleuchtend: Viele Sportexperten empfehlen Sport am frühen Morgen, der so nicht aufgrund unvorhergesehener Dinge im Laufe des Tages verschoben wird, der gründlich wach macht, mögliche trübe Gedanken der Nacht gegen Endorphine austauscht und den ersten Punkt auf einer vollen To-do-Liste bereits erfolgreich «abhaken» lässt.

Dazu noch in Kombination mit bewusstem Atmen und Meditation, um gelassen in einen produktiven Tag zu starten. Das allein wäre es schon wert.
Klingelt der Wecker tatsächlich jeden Morgen um fünf Uhr, ist selbst nach Sportprogramm und Meditation ein früher Arbeitsbeginn möglich, um sich konzentriert einer schwierigen Sache zu widmen, bevor die Nachrichten in immer kürzeren Abständen in die Postfächer fliegen und das Telefon zu summen beginnt.

Warum fällt es so schwer?

Obwohl die frühe Morgenroutine so überzeugend klingt und wir die PR-Bilder von (vorzugsweise amerikanischen) Politikern und Top-Managern im Kopf haben, die sich gerne bereits um 4.30 Uhr am Morgen auf dem Laufband fotografieren lassen, klingelt bei den wenigsten von uns der Wecker freiwillig um 5.00 Uhr morgens.

Für alle, die im Schichtdienst arbeiten oder trotz Corona jeden Morgen sehr früh zum Bus, zum Zug, zum Flughafen oder auf die Autobahn müssen, ist die frühe Morgenroutine ein nicht realisierbarer Luxus und wenn, dann überhaupt nur am Wochenende möglich.

Die Antwort scheint im 24-Stunden-Rhythmus zu liegen

Im Jahr 2017 wurde der Nobelpreis für Medizin und Physiologie an die Wissenschaftler Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young für ihre Forschung zum circadianen Rhythmus «Discoveries of Molecular Mechanisms Controlling the Circadian Rhythm» vergeben (Circadian, abgeleitet vom Lateinischen circa, einen Kreis schliessen und vom Wort dies, der Tag).

Die Nobelpreisträger haben mit ihren Forschungen zur circadianen Uhr nachgewiesen, dass allen Lebewesen, sei es einer Pflanze, einem Tier oder dem Menschen ein 24-Stunden-Rhythmus innewohnt. Dabei handelt es sich um eine Art innere Uhr, die auf den Tag-Nacht-Zyklus abgestimmt ist.

Maximal Anpassung über die Zeit

Die Master-Zentrale für diesen 24-Stunden-Rhythmus befindet sich im Gehirn. In den unzähligen Zellen des Körpers läuft ein Programm ab, das den Körper im Laufe von 24 Stunden auf die jeweils nächste Zeitphase vorbereitet und die Ausschüttung von Hormonen, die Produktion von Enzymen, die Körpertemperatur und den Blutdruck steuert. Dieser Rhythmus beeinflusst auch das Bedürfnis unseres Körpers nach Schlaf.

Der 24-Stunden-Rhythmus der unsere Körperfunktionen steuert, hat sich im Laufe der Evolution entwickelt, mit dem Ziel, der maximalen Anpassung an die Veränderungen von Licht, Dunkelheit und Temperaturen als Folge der Erdrotation.

Licht ist ein entscheidendes Element im 24-Stunden-Rhythmus

Ein wichtiges Element ist das Licht, das nicht nur durch die Augen, sondern auch durch zahlreiche Hautzellen erfasst wird und auf diese Weise unsere Wachsamkeit, unsere Konzentration und vieles mehr reguliert.

In Tierversuchen konnte nachgewiesen werden, dass der 24-Stunden-Rhythmus für den Körper sehr wichtig ist. Kontinuierliche und andauernde Störungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, schwerwiegend zu erkranken.

Der menschliche Körper ist in einem gewissen Umfang und für eine gewisse Zeit anpassungsfähig. Nach einem Flug in eine andere Zeitzone leiden wir kurz unter Jetlag. Der Körper passt sich jedoch nach einer Weile dem Tag-/Nachtrhythmus in der neuen Zeitzone an. Auch die ein oder andere durchfeierte Nacht, Nachtarbeiten an zeitkritischen Projekten und Babynächte, sind durchaus zu verkraften.

Anzeichen für ein kontinuierliches Negieren der inneren Körperuhr

Die folgenden Anzeichen können daraufhin deuten, dass der circadianische Rhythmus über längere Zeit nicht beachtet wird:

  • Keine Chance, ohne Wecker wach zu werden
  • Ohne Kaffee am Morgen geht gar nichts
  • Ständig hungrig, aber nie Appetit
  • Die Stimmung ist meist am Boden, sehr gereizt oder sogar depressiv
  • Das Gefühl, die ganze Welt hat sich gegen einen verschworen, ist vorherrschend
  • Alkohol erscheint notwendig, um am Abend entspannen zu können
  • Es fällt schwer, einzuschlafen oder durchzuschlafen

Für alle diese Symptome kann es selbstverständlich andere Ursachen geben. In Zeiten starker psychischer Belastung ändert sich oft das Schlafverhalten, sei es, dass es schwer fällt, Schlaf zu finden oder das Gegenteil der Fall ist. Zeigt der Körper die oben genannten Symptome in «normalen» Zeiten kann ein kontinuierliches Negieren der inneren Körperuhr der Grund dafür sein.

Viele Menschen sind es gewohnt, Tages- und Nachtrhythmen sowie Zeitzonen zu missachten. Nicht jedoch ihr Körper. 

Lesen Sie morgen Dienstag, wann und wie früh Aufstehen Sinn macht.


Karin M. Klossek arbeitete in Frankfurt, Auckland, Sydney und London im Bereich Mode, Financial Services und Gesundheit mit dem Schwerpunkt auf strategischer Markenführung und Marketing. Im Jahr 2018 lancierte sie zusammen mit Maike Siever die Lifestyle-Website GloriousMe.Net. Darüber hinaus ist sie Co-Gründerin der Branding-Beratungsfirma Glorious Brands in Frankfurt am Main.