UBS: Risiko verkauft, Transparenz fehlt

Das Drehbuch ist alt: Der Anlagekunde verliert Geld und fällt aus allen Wolken. Am Ende zahlt die Bank mit Geld und Vertrauen. UBS wiederholt den Klassiker. Dabei wäre eine Lösung gar nicht so schwierig, findet Fintech-Pionier Marc Lussy. 


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Eines habe ich in über 30 Jahren Private Banking gelernt: Falsches Erwartungsmanagement beim Anlagekunden ist der sicherste Weg ins finanzielle Desaster. Warum wiederholt sich dieses Muster so zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk?

Der aktuelle Fall rund um UBS-Forex-Derivate liefert eine ernüchternde Antwort: In Hunderten Fällen wurden Risiken verkauft, deren Eintritt unwahrscheinlich, die Folgen jedoch verheerend sind. Der Dollar fällt – nicht völlig aus dem Nichts – und plötzlich entstehen Verluste, die niemand auf dem Radar hatte. Warum nicht? Weil solche Extremrisiken für viele Anleger und Berater abstrakt bleiben – und das System sie zulässt.

Tiefe Zinsen bringen Anleger unter Zugzwang

Befeuert wird das Ganze noch dadurch, dass in einer Welt ultraniedriger Zinsen Berater bei konservativen Anlegern unter Druck geraten. Wer nur einen kleinen Aktienanteil halten darf, findet kaum mehr rentable Alternativen. Die Folge: Es wird ausgewichen - in strukturierte Produkte mit schwer fassbaren Risiken. Der Kunde verlangt Rendite - der Markt liefert keine. Also wird geschoben, gebogen, gerechtfertigt. Bis es schiefgeht.

«Aus Angst, unfair bewertet zu werden, wird auf ein Instrument verzichtet, das objektive Einordnung erst ermöglichen würde.»

Doch solche Fehlentwicklungen zeigen sich nicht überall. Und genau das ist der entscheidende Punkt: Sie sind nicht systemisch, treten nur bei gewissen Instituten auf, und selbst dort meist nur vereinzelt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die Mehrheit macht es richtig. 

Warum also nicht von der «Crowd» lernen? Ein systematischer Peer-Vergleich auf Basis ähnlicher Portfolios mit vergleichbarer Volatilität und täglich gemessenen Performance-Daten würde sofort sichtbar machen, wenn sich etwas ungewöhnlich entwickelt. Sei es in der Wertentwicklung oder bei der Volatilität – dann ist dies ein klares Alarmsignal. Und zwar eines, das man nicht ignorieren kann.

Nicht Misstrauen, sondern Professionalität

Es ist nachvollziehbar, dass viele Banken beim Peer-Vergleich noch zögern. Ein solcher Vergleich wirkt nur, wenn er unabhängig und frei von Partikularinteressen ist. Das dafür notwendige Vertrauen muss zuerst aufgebaut werden - Schritt für Schritt. Doch genau hier liegt das Paradoxe: Aus Angst, unfair bewertet zu werden, wird auf ein Instrument verzichtet, das objektive Einordnung erst ermöglichen würde. 

Die Logik ist bestechend einfach: Crowd-basierte Vergleichssysteme helfen nicht nur, Ausreisser zu identifizieren, sondern auch systematische Fehlentwicklungen frühzeitig zu stoppen. Schon bei historischen Desastern wie Madoffs Ponzi-Schema hätte ein solcher Vergleich deutlich gemacht: Die Performance war zu gut, um mit vergleichbarem Risiko realistisch zu sein.

«Die Instrumente sind vorhanden. Es fehlt nur noch am flächendeckenden Willen.»

Nicht Misstrauen, sondern Professionalität. Portfolio Manager erhalten ein Instrument, das nicht nur kontrolliert, sondern schützt. Kunden gewinnen digitalen, transparenten Einblick.

Denn am Ende geht es um Verantwortung–, auch auf Kundenseite. Wer sein Portfolio regelmässig im Spiegel der Peer Group sieht, wird informierter, selbstbewusster und auch kritischer. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Das gilt eben auch im Private Banking. Schon die Tatsache, dass der Kunde mitvergleicht, würde das Verhalten spürbar verändern.

Regulator könnte die Weichen stellen

Zurück zur UBS: Hätte ein solches Peer-System existiert, wäre das Unheil zumindest in diesem Ausmass wahrscheinlich verhindert worden. Die auffällige Bewegung des Dollars und ihre Wirkung auf diese Derivate hätte früh die Warnlampen aufleuchten lassen. Nicht in der Retrospektive, sondern zu einem Zeitpunkt, als noch alles zu retten gewesen wäre.

Und nein, basierend auf meinen Informationen wird dieser Wandel hin zu Transparenz via Peer-Vergleich wohl kaum bei der UBS beginnen. In diesem Kontext erinnere ich mich gut an eine offizielle Anlagestrategie der Bank, die aus meiner Sicht das reale Risiko im Verhältnis zum kommunizierten Risikoprofil überdeutlich nach oben verschoben hat. Ich sprach die Verantwortlichen direkt an. Die Reaktion? Nett. Aber folgenlos.

«Ob die Finma diesen Durchbruch beschleunigt, bleibt offen; in Bern mahlen die Mühlen langsam. »

Doch es gibt Hoffnung: Immer mehr Banken und Vermögensverwalter nutzen Peer-Vergleiche aktiv: auch in Beratung, Risikokontrolle und Compliance. Die Instrumente sind vorhanden. Es fehlt nur noch am flächendeckenden Willen.

Ob die Finanzmarktaufsicht Finma diesen Durchbruch beschleunigt, bleibt offen; in Bern mahlen die Mühlen langsam. Der Regulator hätte es jedoch in der Hand, die Weichen zu stellen.


Marc Lussy ist Fintech-Pionier und Head of Business Development Deutschschweiz bei Investment by Objectives.