Karl Reichmuth: «Die UBS sollte ihr Investment Banking verselbständigen»
Er meldet sich kaum mehr öffentlich zu Wort, angesichts der Tatsache, dass er die von ihm gegründete Privatbank seinem Sohn übergeben hat und auch aufgrund seines fortgeschrittenen Alters. Doch wenn es um das Grössenproblem (Too big to fail, TBTF) der UBS geht, kann und will Karl Reichmuth nicht schweigen.
Die Schweizer Grossbank hat mit der Übernahme der Credit Suisse (CS) nochmals deutlich an Gewicht zugelegt und profitiert als systemrelevante Gigantin in den Augen vieler Ökonomen von einer De-facto-Staatsgarantie und damit von einer impliziten Subvention. Um dieses Problem zu entschärfen und das Risiko zu reduzieren, dass die UBS dereinst in einer Krise vom Staat gerettet werden muss, will der Bundesrat im Rahmen der Verschärfung der TBTF-Gesetzgebung insbesondere die Eigenmittelanforderungen erhöhen.
«Ich bin besorgt über den ausländischen Einfluss, der letztlich unsere nationale Souveränität untergraben kann.» (Bild: zVg)
Reichmuth, der als Mitglied einer Gruppe mit weiteren bekannten Persönlichkeiten aus der Finanzwelt (die nicht namentlich genannt werden wollen) spricht, hat einen anderen Vorschlag.
Herr Reichmuth, inwiefern ist die UBS ein Problem für die Schweiz?
Weil sie wegen ihrer schieren Grösse faktisch eine Staatsgarantie geniesst und jeder Schweizer Steuerzahler für sie bürgt. Da unser Land verhältnismässig klein ist, bekommt das Sprichwort «Bürgen tut würgen» dadurch eine besondere Bedeutung.
«Das Sprichwort ‹Bürgen tut würgen› bekommt aufgrund der schieren Grösse der UBS im Verhältnis zur Schweiz eine besondere Bedeutung.»
Sind Sie als ehemaliger Privatbankier, der für sein Institut voll haftete, in dieser Frage nicht möglicherweise doch etwas voreingenommen?
Ich äussere mich hier in erster Linie als Staatsbürger. Mich stört es, wenn die Verantwortlichen nicht für ihre Entscheide haften. Ich bin besorgt über das grosse Risiko für den Steuerzahler. Und auch über den damit verbundenen ausländischen Einfluss, der letztlich unsere nationale Souveränität untergraben kann, zumal ein erheblicher Teil des Eigenkapitals der Bank bekanntlich ausserhalb der Schweiz gehalten wird.
Aber ich glaube, dass die UBS heute im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung grundsätzlich gut aufgestellt ist, und möchte, dass ihre wertschöpfenden Tätigkeiten weiterhin in der Schweiz stattfinden. Ich habe übrigens früher viel mit der UBS zusammengearbeitet und mit ihr gute Erfahrungen gemacht.
Was spricht gegen den Weg des Bundesrats, also mehr Eigenkapital?
Allzu hohe Eigenkapitalanforderungen haben eben auch Nachteile für ein weltweit tätiges und damit im internationalen Wettbewerb stehendes Institut. Die UBS bemüht sich darum, dass die Bürger die Vor- und Nachteile von mehr Eigenkapital verstehen. Aber sie sollte zudem vermehrt eigene Vorschläge zur Risikominimierung unterbreiten und dem Steuerzahler erklären, wofür er bürgt.
Was schlagen denn Sie vor?
Dass die UBS ihr kapitalintensives Investment Banking verselbständigt und dort domiziliert, wo dafür die besten Voraussetzungen und die entsprechende Kultur herrschen, z.B. in London oder in New York. Deshalb sind in diesem Bereich die anglo-amerikanischen Banken generell besser aufgestellt. Das Investment Banking ist – gut gemacht – wesentlich ertragreicher als das übliche Depositen- und Kreditgeschäft.
In der Vermögensverwaltung hingegen ist die UBS nach Blackrock der zweitgrösste Akteur. Hier profitiert sie vom Ruf der Schweiz besonders in Bezug auf die Verlässlichkeit.
Wie soll diese Trennung konkret vonstatten gehen?
Zusammen mit ein paar Freunden haben wir die UBS wissen lassen, dass dafür ein Aktiensplit eine der besten Varianten sein könnte. Man könnte also so vorgehen, wie das Holcim jüngst mit Amrize gemacht hat. Statt das US-Geschäft würde aber nun das Investment Banking ausgegliedert. Die UBS-Aktionäre könnten sich entscheiden, ob sie auch Eigentümer der neuen Investment Bank in London werden oder diese Aktien verkaufen wollen.
«Bereits heute sitzen die meisten Kapitalmarktspezialisten und Schlüsselpersonen für das Investment Banking der UBS in London.»
Würde das für die Schweiz nicht zu einem Aderlass an Knowhow und entsprechend qualifiziertem Personal führen?
Nein. Bereits heute sitzen gemäss meinen Erfahrungen z.B. mit dem Börsengang von Emmi die meisten Kapitalmarktspezialisten und Schlüsselpersonen für das Investment Banking der UBS in London. Es versteht sich von selbst, dass die Schweizer Kunden mit Buchungsstelle Schweiz auf diese Spezialisten in London zurückgreifen können.
Würde die Verlagerung des Investment Banking nicht auch zu Steuerausfällen in der Schweiz führen?
Ja, das wäre ein negativer Nebeneffekt, insbesondere für den Standort Zürich. Wenn die Politik der UBS zu harte Eigenkapitalregeln auferlegt und diese dadurch nicht mehr wettbewerbsfähig sein wird, werden die Steuererträge allerdings ebenfalls und vielleicht noch deutlicher abnehmen.
Die Idee, das risikoreiche Investment Banking abzutrennen, wurde bereits in der Vergangenheit von Schweizer und anderen europäischen Grossbanken erwogen, aber am Schluss immer wieder verworfen, vor allem deshalb, weil man weiterhin «alles aus einer Hand» anbieten wollte. Gilt dieses Argument nicht auch für die UBS?
Das ist eine Frage der Struktur und der Organisation, wofür der Verwaltungsrat der Bank zuständig ist. Das Problem mit der UBS ist aber wie erwähnt so gravierend, dass dieser Vorschlag zumindest sehr ernsthaft geprüft werden muss. Und mit diesem zugegebenermassen einschneidenden Schritt könnte auch die Voraussetzung dafür geschaffen werden, die politischen Kräfte und die Regulierung im Finanzsektor wieder zurückzubinden. Wir könnten uns dadurch wieder mehr in Richtung einer freien Marktwirtschaft mit dem Prinzip «Entscheid und Haftung gehören zusammen» bewegen, zum Wohl der Individuen und Schweizer Volkes.
Karl Reichmuth (Jahrgang 1939) gründete 1996 in Luzern die Privatbank Reichmuth & Co und ist heute deren Ehrenpräsident. Er ist zudem Vater des Realunit, einer Sachwertanlage, welche die Kaufkraft des Geldes erhalten soll, und gründete 2001 dafür eine entsprechende unabhängige Anlagegesellschaft. Seine Karriere startete er 1958 bei der Schweizerischen Kreditanstalt, mit Stationen in Genf, London, New York und Chiasso. Anschliessend war er rund zehn Jahre in der Geschäftsleitung der Luzerner Kantonalbank. Reichmuths allererster Beruf war aber, wie er finews.ch verriet, familiär bedingt der eines Käsers.