Nach Jahrhunderten der Geschäftstätigkeit ist das Zürcher Traditionshaus Hottinger & Cie kollabiert. Der Niedergang hat sich indes abgezeichnet – und muss als Mahnmal für andere Privatbanken dienen.

Bis ins Jahr 1786 reichen die Ursprünge der Bank Hottinger & Cie mit Hauptsitz in Zürich zurück. Damals gründete die aus der Limmatstadt zugewanderte Kaufmanns-Dynastie Hottinger in Paris ihr erstes Institut – und trug über Jahrhunderte hinweg auch zum Renommee des Swiss Private Banking bei.

Doch die Tradition schützte das Institut nicht vor dem Untergang. Nach 229 Jahren endete die Geschichte der Bank am Montag nämlich in einer bitteren Niederlage: Wie auch finews.ch berichtete, eröffnete die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) den Konkurs über der Bank Hottinger. Dies, nachdem dem Haus laut der Behörde die Überschuldung drohte. Am Montagabend wurde dann auch der Internet-Auftritt des Instituts (Bild) abgeschaltet.

Ein tüchtiger Schrecken

Das Ende des Traditionsinstituts war am Montag Tagesgespräch in der Branche und dürfte es auch noch einige Tage bleiben. Der Kollaps liess nicht wenigen Akteuren den Schrecken in die Glieder fahren. Der Umstand, dass die Hottinger & Cie nicht einmal mehr an einen Konkurrenten verkauft werden konnte, trägt massgeblich zu den jetzigen Ängsten bei.

Schliesslich gibt es zurzeit Schweizer Privatbanken zuhauf, die ums Überleben kämpfen. Eine Studie der Beratungsfirma KPMG etwa rechnet mehr als einen Drittel der Branche in dieses Lager. Die Anzahl Privatbanken, die für das Jahr 2014 einen Verlust auswiesen, veranschlagen die Studienautoren auf 28 Prozent.

Drohender Hottinger-Effekt

Was Wunder, ist hinter den Kulissen bereits von einem «Hottinger»-Effekt die Rede. «Es ist nicht auszuschliessen, dass vor allem kleine Privatbanken dasselbe Schicksal ereilen könnte», erklärt ein renommierter Branchenkenner, der ungenannt bleiben möchte.

Derweil sagt Professor Bernhard Koye, Institutsleiter des Schweizerischen Institutes für Finanzausbildung (SIF): «Die Pleite ist exemplarisch für Institute, die noch zu wenig auf die Ausgestaltung zukunftsträchtiger Ertragspotenziale achten, weil sie mit Altlasten aus Schwarzgeldtagen beschäftigt sind.»

Dies umso mehr, als die Probleme, an denen die Bank Hottinger schliesslich scheiterte, zwar in ihrer Art hausgemacht waren – aber im Swiss Private Banking dennoch einschlägig bekannt sind. Das sind sie in fünf Punkten:

1. Verpasster Strukturwandel

Wie die anderen Schweizer Privatbanken hatte Hottinger & Cie vom Bankgeheimnis über Jahrzehnte profitiert. Der Paradigmenwechsel hin zur «Weissgeldstrategie» traf das Zürcher Institut dann mit voller Wucht. Obschon es an Initiativen nicht mangelte (siehe unten), fasste das von der Bankiersfamilie Hottinger dominierte Unternehmen seit Ausbruch der Finanzkrise nicht mehr richtig Tritt.

Stattdessen brachte die Bewältigung von Altlasten das Traditionshaus in existenzielle Nöte. Wie auch finews.ch berichtete, schossen Aktionäre aus dem Kreis der Eignerfamilie und des Managements im Sommer 2014 noch rund 12 Millionen Franken frisches Kapital in die Bank ein.

Dies, um eine Unterdeckung wegen einer drohenden Busse aus den USA zu verhindern. Im Rahmen des Programms zur Beilegung des Steuerstreits mit den US-Behörden musste die Bank damals nämlich eine Rückstellung von 4 Millionen Franken vornehmen. Das Institut gab damit zu, Schwarzgeld mit US-Bezug verwaltet zu haben.

Über den heutigen Stand der Vermögen bei der Bank schwieg die Finma in ihrer Mitteilung vom Montag. Dass aber kein Käufer für das Institut gefunden werden konnte, darf als Indiz gelten, dass der Bestand an attraktiven – sprich versteuerten – Geldern bis zuletzt gering gewesen sein muss. In der Branche spricht man von einem ganz tiefen einstelligen Milliardenbetrag.

2. Unklare Strategie

«Ungelöste Rechtsfälle und stetige Verluste» hätten dazu geführt, dass Hottinger das bankengesetzlich erforderliche Mindestkapital unterschritt, hielt die Aufsicht in ihrer Mitteilung zur Konkurserklärung weiter fest. Eine Sanierung sei zwar intensiv geprüft worden, konnte aber nicht erreicht werden, so die Finma lakonisch. Mit anderen Worten: Die Strategie zur Neupositionierung der Bank in der Weissgeld-Ära hat versagt.

Dabei fehlte es nicht an Versuchen. Im Jahr 2010 verabschiedete sich die Zürcher Privatbank vom reinen Teilhaber-Modell. Die Bank, die damals acht Niederlassungen in der Schweiz und insgesamt 13 Niederlassungen in acht Ländern bediente, wechselte ins Rechtskleid einer Aktiengesellschaft. Frédéric Hottinger amtete als deren Präsident, Paul de Pourtalès als Geschäftsführer.

Laut der Bank sollte der Umbau den Grundstein für spätere Wachstumsschritte legen.

Im Jahr 2012 verabschiedete sich das Institut dann aber insgeheim vom organischen Wachstum. Stattdessen führte es hinter den Kulissen Kooperationsgespräche mit der Genfer Banque Cramer Gespräche. Wie damaligen Medienberichten zu entnehmen ist, scheiterte das Vorhaben aus ungeklärten Gründen. Der Ausbau des Geschäfts mit unabhängigen Vermögensverwaltern zog derweil in Genf einen Skandal nach sich (siehe Punkt 3). Kurz: Hottinger war wieder auf sich allein gestellt.

Auf den Aufbau folgte der Abbau. Wie finews.ch berichtete, fiel Hottinger 2012 mit (allerdings sehr überschaubaren) Entlassungen am Zürcher Bankenplatz auf. 2015 beschäftigte die Bank noch 150 Mitarbeitende an den Standorten Zürich, Genf, Brig, Sitten, Basel und New York.

Zu Abgängen kam es auch auf der Chefetage. Jörg Auf der Mauer, der 2011 für de Pourtalès eingesprungen war, wechselte im letzten Januar zum Beratungsunternehmen BDO. Für ihn übernahm André Reichlin, während Jean Roch bereits seit Ende 2013 als Präsident der Privatbank amtete. Wie Insider berichten, wurde das Management zuletzt durch Meinungsverschiedenheiten unter den Eignern zusätzlich blockiert.

Eine Antwort auf die Anfrage von finews.ch zu diesem Punkt steht ebenfalls aus.

Spätestens mit dem Kapitalschnitt (siehe oben) von Mitte 2014 war klar, dass bei der Bank jede Strategie dem Kampf ums nackte Überleben gewichen war. Dass dieser scheiterte, ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie schnell sich im einst so lukrativen Swiss Private Banking die Chancen verflüchtigen.

3. Den guten Ruf zerstört

In den letzten Jahren rang die Bank Hottinger nicht nur um ihr Geschäft. Sondern auch um ihren Ruf. So brachten der Bank nicht nur der Steuerstreit mit den USA Schlagzeilen ein: Im Jahr 2013 wurde beim Genfer Asset Manager Hottinger et Partners ein Betrugsfall ruchbar. Wie auch finews.ch berichtete, sollen damals Kundengelder in grossem Stil veruntreut worden sein. Verdächtigt wurde dabei ein Mann des Verwaltungsrates.

Hottinger et Partners wurde zwar von der Bank Hottinger separat geführt. Frédéric und Rodolphe Hottinger aus der Bankiersfamilie waren allerdings Gründer des Genfer Unternehmens, weshalb der Fall teils auch auf das einst vortreffliche Image der Zürcher Privatbank zurückgefallen sein dürfte.

4. Zu wenig fürs Überleben

Die überwiegende Mehrzahl der Schweizer Privatbanken verwaltet heute Vermögen unter 10 Milliarden Franken – und existiert weiterhin. Entsprechend heikel sind Prognosen zur minimalen Bankengrösse. Jedoch zeichnet sich ab, dass kleine Banken zunehmend ein Kosten-Problem haben. So rechnete KPMG vor, dass ein kleines Institut für die Verwaltung von 1 Milliarde Franken rund 8'200 Frankenaufwerfen muss. Eine grosse Bank hingegen kostet dies «nur» 6'000 Franken.

Das deutet auf das Umfeld hin, in dem sich die Bank Hottinger mit zuletzt 50 Beschäftigten und 1'500 Kunden zu behaupten suchte.

5. Digitalisierung verpasst

Laut Medienberichten verzichtete die Bank Hottinger in der IT auf die Standard-Plattformen Avaloq oder Finnova; die zahlreichen Umbauten dürften es dem Institut zusätzlich erschwert haben, in Sachen Technologie rasch voranzuschreiten.

Ein Manko: Die Digitalisierung wird von immer mehr Branchenkennern als Feld genannt, in der sich Privatbanken profilieren könnten. Ebenso macht der Fall der Bank Hottinger klar, dass an Fintech-Projekte nicht zu denken ist, wenn das Überleben auf dem Spiel steht.

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