Vor einem halben Jahr sah es nicht gut aus für die Schweizer Banken. Doch unbemerkt hat sich in sechs Monaten einiges geändert.

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Der Tiefschlag kam aus dem Nichts. Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 15. Januar 2015 die Franken-Anbindung an den Euro aufhob, war dies selbst für die Banken eine totale Überraschung, die sie zunächst einmal perplex machte. Und vor allem rief es ihnen schmerzlich in Erinnerung, dass sie einen Grossteil ihrer Erträge in ausländischen Währungen erzielen, während die Kosten en gros in Franken anfallen.

Insofern überraschte es nicht, dass der notorisch quirlige Julius-Bär-CEO Boris Collardi kurzerhand den Abbau von 200 Stellen ankündigte, um sozusagen wieder Herr der entfesselten (Kosten-)Situation zu werden. Auch bei anderen Instituten ging die bange Frage um, wie man mit einer Heimwährung wirtschaften soll, die sich innert Stunden um 15 Prozent aufwertet.

In den Grundfesten erschüttert

Das alles geschah zu einer Zeit, da bereits ein anderes Thema viele Schweizer Banken paralysierte: der US-Steuerstreit. Akribisch hatten zahlreiche Medien bereits vorgerechnet, wie hoch und fatal die Bussen ausfällen würden, welche die betroffenen Häuser in den Kategorien 1 und 2 den US-Behörden würden bezahlen müssen. Sowohl Julius Bär als auch der Zürcher Kantonalbank (ZKB) mass man eine Busse von bis zu einer Milliarde Franken zu, was – gelinde gesagt – beide Institute in ihren Grundfesten erschüttern würde.

Doch damit nicht genug. In diesem aufgeheizten Umfeld schienen die Erträge wie Sulzschnee an der Frühlingssonne zu schmelzen, derweil sich die Margen verengten und die Profitabilität auf der Strecke blieb, zumal die verschärften Gesetze und Bestimmungen immer höhere Kosten verschlangen, wie es nicht wenige Unternehmensberater zu wissen glaubten.

Mehr Glaubwürdigkeit

Und als ob dies alles nicht genügte, kochten die Manipulationen des Libor-Zinssatzes hoch, und offenbarten (einmal mehr), mit welcher Dreistigkeit manche (Gross-)Banker ihrem Gewerbe nachgegangen waren. Das war nicht unbedingt, was man sich in Bankierskreisen wünschte, um wieder mehr Glaubwürdigkeit zu erlangen.

Doch bekanntlich kündigen sich grosse Veränderungen oder gar Umwälzungen zumeist in kleinen, geradezu unscheinbaren Begebenheiten an. So war es auch diesmal – das, was die Angelsachsen als den Tipping Point bezeichnen; den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. In diesem Fall war es wohl eher ein Impuls.

War das der Wendepunkt?

War es die UBS? Die grösste Bank der Schweiz stand oftmals am Anfang prägender Entwicklungen in der Branche, wie dies bei den nachrichtenlosen Vermögen in den neunziger Jahren der Fall war, als der Wachtmeister Christoph Meili mit Makulaturen einen epochalen Skandal heraufbeschwor, oder zwanzig Jahre später, als die UBS im Steuerstreit mit den USA wesentlich dazu beitrug, dass es heute kein Schweizer Bankgeheimnis mit dem Ausland gibt.

Diese UBS publizierte ein überdurchschnittlich gutes Quartalsresultat, mit dem nicht einmal die Fachleute gerechnet hatten, was regelrecht eine Sensation war, weil man derlei über viele Jahre kaum mehr in dieser Dimension erlebt hatte. War das der Wendpunkt? Vielleicht.

Ein neuer Hoffnungsträger

Noch anderes geschah in den frühen Wochen des Jahres 2015: Die Öffentlichkeit begegnete einem Finanzmann mit einer Sympathie, wie man sie seit dem Ausbruch der Krise nie mehr erlebt hatte.

Auf den spröden Amerikaner Brady Dougan folgte als Chef der Credit Suisse der ivorisch-französische Doppelbürger Tidjane Thiam, den die Medien fast schon wie einen Erlöser feierten, und dies noch bevor auch nur eine Sekunde für die Bank gearbeitet hatte. Natürlich war das etwas peinlich – war vielleicht (auch) der Wendepunkt, dass sich die Branche nicht weiter in ihrer Sinnsuche verirrte.

Ungeahnte Euphorie

Plötzlich stieg da auch wieder Euphorie auf: Das Losungswort lautete «Fintech». Plötzlich fanden sich Leute zusammen und machten sich mit einem Mal Gedanken darüber, wie man mit den heutigen technologischen Mitteln das Banking verfeinern, verbessern und effizienter gestalten kann.

Zweierlei ist in dieser Hinsicht bemerkenswert: Fintech machte es zum ersten Mal möglich, dass sich auch kleinere Institute profilieren konnten. Den Beweis lieferte die Glarner Kantonalbank (GLKB), die mit ihren Anwendungen (Kontomat, Hypomat, Investomat) einen Massstab setzte, der ihr gleich noch das Prädikat «digitalste Bank» eintrug.

Fintech sorgt für Furore

Letztlich demonstrierte das Staatsinstitut, dass der innovative Erfolg im 21. Jahrhundert nicht bloss den Giganten (Dinosauriern?) vorbehalten ist, sondern auch flinke und wendige Institute etwas bewegen können. Der Erfolg der GLKB bekräftige auch andere Institute, wie die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB), die nach ihrer Crowdfunding-Plattform bald auch eine Crowdlending-Dienstleistung einführen will.

Aber es sorgten noch zahlreiche andere Fintech-Unternehmen für Furore, indem sie eine Industrie, die noch in den Kinderschuhen steckte, zumindest ins Teenager-Alter überführten. Das Resultate offenbarte sich am 5. Mai 2015, als eine Konferenz in Zürich, namens Finance 2.0, nicht weniger als 350 Personen in ihren Bann zog. Damit war endgültig klar, dass Fintech allmählich erwachsen wurde.

Bewegung im Steuerstreit

Doch auch im Steuerstreit mit den Amerikanern bewegte sich plötzlich einiges: Bemerkenswert war dabei vor allem die Tatsache, dass die Bussen erheblich tiefer ausfielen als es all die vermeintlichen Insider zu wissen geglaubt hatten. Kein Institut wurde in seinen Grundfesten erschüttert, keine Bank musste deswegen seine Zukunft überdenken.

Und als selbst die Bank Julius Bär, die lange als Gradmesser für die Sanktionen der Amerikaner gegolten hatte, 350 Millionen Franken zurückstellte – und nicht eine Milliarde Franken –, war vollends klar, dass das Schweizer Bankwesen auch diese Herausforderungen meistern kann.

Eine neue Disziplin

Im Verlauf der vergangenen sechs Monate nahm auf dem Schweizer Finanzplatz noch eine weitere wichtige Entwicklung ihren Lauf: Mehr als 80 Finanzunternehmen und Netzwerkpartner repräsentieren inzwischen den Verband Swiss Sustainable Finance (SSF) und propagieren so eine neue Disziplin, mit der sich die hiesige Branche international profilieren kann. Dass nun auch die beiden Schweizer Grossbanken da mitmachen, ist ein wichtiger Erfolg für diese Bewegung. 

Nachhaltiges Investieren mag zwar in der Schweiz selber noch ein Nischendasein fristen, im Ausland indessen, namentlich in den USA, bekennen sich mittlerweile schon viele institutionelle Anleger zu dieser Art des Investierens. Dass die Schweiz mit ihrer Infrastruktur dabei eine wichtige Rolle spielt, ist ein wichtiges Indiz dafür, wie sich die hiesige Finanzbranche den Bedürfnissen und Anforderungen in der Welt anpassen kann.

Überraschender Personalbedarf

So gesehen erstaunte es dann auch kaum mehr, als der Finews-Jobdirectory-Index unlängst feststellen konnte, dass sich die Zahl der offenen Stellen in der Bankbranche allein in den vergangenen drei Monaten um nicht weniger als 20 Prozent erhöht habe. Offenbar besteht mittlerweile wieder ein Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften, die dazu beitragen, dass die Schweizer Finanzbranche den Anschluss an die Spitze nicht verliert.

Dass die Aktien namhafter Schweizer Finanzfirmen in den vergangenen sechs Monaten deutlich an Wert gewonnen haben, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die hiesige Branche die Talsohle überwunden hat:

  • Leonteq: +40,1 Prozent
  • Banque Privée Edmond de Rothschild: +32,5 Prozent
  • VZ Gruppe: +30,6 Prozent
  • UBS: +28,4 Prozent
  • Vontobel: +22,6 Prozent
  • Julius Bär: +18,0 Prozent
  • Valiant: +14,1 Prozent
  • EFG International: +13,3 Prozent
  • Credit Suisse: +10,4 Prozent
  • GAM: +10,2 Prozent
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
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  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
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