Der Schweiz-Chef des Fondshauses Fidelity International zieht gegenüber finews.ch eine erste Bilanz der Corona-Krise. Frei von Sorge ist Jürg Rimle dabei allerdings nicht.

Wer wie Jürg Rimle zwei Jahrzehnte in der Finanzbranche vorweisen kann, hat einige Börsenverwerfungen mitgemacht – von der Dotcom-Blase der Nullerjahre zur Finanz- und Schuldenkrise nach 2008 bis hin zu den von Handelscomputern ausgelösten «Flash Crashs».

Das hilft, in einer Ausnahmesituation wie der Corona-Pandemie mental Boden zu finden und Strukturen ins aufgeregte Gewimmel rund um einen herum zu bringen. Wie der Schweiz-Chef des Fondshauses Fidelity International berichtet, gibt es nämlich durchaus Parallelen zu früheren Erfahrungen.

Wenn das Telefon nur in eine Richtung schrillt

«Wie andere Krisen zuvor lässt sich auch diese nun bei der Arbeit mit Investoren in Phasen unterteilen», erklärt der Vertriebsexperte im Gespräch mit finews.ch. Und für jede Phase gebe es Dinge, die zu tun oder zu lassen seien.

Wie in den Börsencrashs zuvor habe zunächst die Verteidigung bestehender Investitionen im Vordergrund gestanden. Kunden versuchten, Risiken in ihrem Portefeuille zu verstehen und wenn möglich abzusichern. «Gerade grössere Positionen bei einzelnen Anbietern können für Aufregung und Anrufe sorgen», weiss Rimle.

Kunden suchen Parkplätze

In die andere Richtung sei die Kundschaft hingegen schwer zu erreichen, was diesmal durch die Umstellung aufs Homeoffice noch verstärkt wurde. Trotzdem, so Rille, sei es absolut zentral, Kunden mit den wichtigsten Informationen zu ihren Anlagen zu versorgen. Glücklicherweise ist diese Zeit seit dem Kurssturz vom vergangenen März bereits überstanden.

In einer zweiten Phase werde dann aktive Kommunikation wieder möglich. Die Kunden suchten nach «Parkplätzen» für die liquiden Mitteln aus ihren Notverkäufen, erklärt der Vertriebsmann weiter. «Gesucht sind dann Investments, die bei tiefen Risiken 1 bis 2 Prozent Ertrag einbringen.»

Abflüsse und Neugeld

Diese Phase geht nun in eine dritte Bewegung über, bei der Anleger nach dem Crash aktiv nach Marktchancen suchen. Dies, indem sie Übertreibungen nutzen, um in gewissen Bereichen wieder zuzukaufen. «In dieser Phase, die seit etwa zwei Wochen angebrochen ist, gehen wir aktiv auf die Anleger zu, in Zeiten von Corona vor allem mit telefonischem Direktkontakt oder mit Konferenzschaltungen», berichtet der Fondsprofi aus der Alltagspraxis.

Fidelity International sei dabei in der Schweiz «mit einem blauen Auge» davongekommen, sagt der Länderverantwortliche. Es habe zwar Abflüsse gegeben, doch die konnten kompensiert werden. Auf europäischer Ebene verzeichnete das Unternehmen laut Rimle bis Mitte April Zuflüsse von rund 6 Milliarden Dollar.

Bloss eine Bärenmarkt-Rally

Gegenwärtig gebe es auch keine Entlassungen oder Kurzarbeit – und auch keinen Anstellungsstopp. Erst Anfang April stiess etwa Jürg Furrer als neuer Leiter des Geschäfts mit Banken hinzu. «Man spürt in der Krise gut, dass Fidelity ein Unternehmen in Privatbesitz ist. Es verfügt über einen langfristigen Horizont», sagt er.

Ganz entspannen will sich der Schweiz-Chef aber trotzdem nicht. Denn die Erfahrungen aus früheren Krisen lehren ihn, dass das dicke Ende noch kommen könnte. «Was uns sorgt, ist die Gefahr, dass es sich bei der gegenwärtigen Erholung nur um eine Bärenmarkt-Rally handeln könnte», gibt er zu bedenken.

Tiefs vom März testen

Die Investoren hätten im Crash kaum Zeit gehabt, die Lage zu analysieren. Nun könnten sie bewusst damit beginnen, Risiken abzutragen. Rimle: «Falls es dazu kommt, drohen die Börsen die Tiefs vom vergangenen März nochmals zu testen.

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