Am Singapore Fintech Festival werden derzeit die heissesten Fintech-Trends für das kommende Jahr diskutiert. UBS-CEO Ralph Hamers blieb für den Anlass zwar in der Schweiz, weiss aber, wohin die Reise geht.

Ralph Hamers ist der «Mr. Fintech» unter den CEO im globalen Banking – und seit gut einem Monat ist er Konzernchef der UBS, der grössten Privatbank der Welt. Am weltgrössten Fintech-Event, das Singapore Fintech Festival (an dem die finews.ch-Schwesterseite finews.asia Medienpartnerin ist), reiste Hamers allerdings nicht an.

Fintech Runde

Fintech-Runde an der SIX (v.l.): SIF-Staatssekretärin Daniela Stoffel, Bankiersvereinigung-Präsident Herbert Scheidt, UBS-CEO Ralph Hamers, Credit-Suisse-CEO Thomas Gottstein (aus Singapur zugeschaltet), Moderatorin Tanya König.

Doch hatte er dank der Exportförderung Switzerland Global Enterprise, die am Montag gemeinsam mit den Bundesbehörden die Informations-Plattform finance.swiss lancierte, dennoch einen Auftritt im Rahmen des Satelliten-Events World Fintech Festival in Switzerland.

Er nutzte die Bühne um darzulegen, welches die grossen Fintech-Trends im kommenden Jahr sein werden.

1. Neobanken: Entwickeln sie ein Geschäftsmodell?

Auch Hamers vertritt als CEO einer «traditionellen» Bank wie die UBS die Meinung, dass Neobanken wie Revolut, Monzo oder N26 kein Geschäftsmodell haben. Neobanken hätten die Fintech-Charakteristiken «digital» und «mobil» zwar verinnerlicht. Das einzige sichtbare betriebswirtschaftliche Merkmal der Neobanken ist gemäss Hamers das Wachstum. «Aber ist das ein Geschäftsmodell?», stellte er auf dem Podium die rhetorische Frage.

Er ist der Meinung, dass das sogenannte «Freemium-Modell», bei dem Kunden die wichtigen Basisdienstleistungen umsonst erhalten, nicht ausreiche, um wirtschaftlich operieren zu können. Tatsächlich definieren die Neobanken bislang ihren Geschäftserfolg über die Anzahl Nutzer und die laufend neuen Finanzierungsrunden. Irgendwann werden die Investoren selber Geld sehen wollen – und Hamers sagte: «Ein Trend wird sein zu sehen, wie die Neobanken Geld verdienen wollen.» 

2. Robo-Advisor: Was lässt sich daraus machen?

Das Thema Robo-Advisor scheint in der Schweiz abgehakt: Robo-Advisor funktionieren – insbesondere im Private Banking – nur als hybrides Modell mit einer persönlichen Beratung durch die Bank. Hamers sagte dazu: «Robo-Advisor und ihre Algorithmen haben bewiesen, dass sie gute Entscheidungen und Anlageergebnisse liefern können. Aber nur wenige Leute wollen einem Robo-Advisor viel Geld anvertrauen.» Einem Robo-Advisor bleibt somit der Daseinszweck jedes digitalen Geschäftes verwehrt: Die Skalierung, also Kostenvorteile durch Mengenausweitung zu erlangen.

Um das Vertrauensproblem der Kunden zu überwinden, sind die allermeisten Robo-Advisor dazu übergegangen, eine persönliche Beratung anzubieten. Das Problem ist laut Hamers geblieben: «Wie können sie skalieren?» Man wird gemäss Hamers 2021 verstärkt Massnahmen und Anstrengungen sehen, um die Robo-Geschäftsmodelle ertragreicher zu machen.

3. Tokenisierung: Wird das Potenzial freigesetzt?

UBS-CEO Hamers outete sich am Fintech-Anlass als grosser Fan der Tokenisierung und Digitalisierung von Assets. Ein wenig war er dazu auch verpflichtet, fand der Anlass doch am SIX Convention Point in Anwesenheit von CEO Jos Dijsselhof und Verwaltungsratpräsident Thomas Wellauer statt – die SIX-Tochter SDX will die erste regulierte Börse für Token und digitale Assets werden.

Tokensierung sei ein Fintech-Trend mit sehr grossem Potenzial, so Hamers. Die UBS laboriert bereits seit bald zwei Jahren an entsprechenden Projekten. CEO Hamers sieht Hürden im Mangel von allgemein gültigen Regelwerken. «Wir müssen die Rahmenbedingungen setzen, um das Potenzial der Tokenisierung freizusetzen».

4. Green Fintech: Aus zwei Trends wird einer

Green Fintech – gemäss Hamers ist dieser Trend ein «no brainer»: Fintech und nachhaltiges Investieren sind jeweilige Trends. Die zwei funktionierten auch in Kombination hervorragend. Die Schweiz gehört bezüglich Green Fintech sogar zu den Trendsetter; das Thema zählt zu den tragenden Säulen der Finanzplatz-Strategie. Im vergangenen November lancierte das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) das Green Fintech Netzwerk, das Akteure aus Unternehmen, Verbänden, Risikokapitalfirmen, Universitäten und Beratungsfirmen sowie Anwaltskanzleien zusammenbringt.

Was Green Fintech in der Schweiz bereits kann, zeigt beispielsweise die App des Fintechs Yova, über die auf einfache Weise Impact Investments getätigt werden können. Die Zürcher Globalance Bank pflegt dabei noch ein weiteres Element: Den spielerischen Zugang zu Green Fintech, indem sich Emissionen oder Energieverbrauch in einem Portfolio darstellen lassen.

5. Open Banking: Wird die Symbiose perfekt?

Kein neuer Trend, aber laut Hamers einer, der sich für Banken als äusserst disruptiv erweisen kann: Open Banking. Öffnen sich Banken nicht für Drittanbieter, droht ihnen die sogenannte Disintermediation, das Aufbrechen ihrer Wertschöpfungskette. Öffnen sich die Banken hingegen, bleibt ihnen der Kundenzugang, auch wenn das beste Dienstleistungsangebot für ein spezifisches Kundenbedürfnis nicht mehr aus dem eigenen Haus stammt. Die UBS selber bewegt sich in Richtung Open Banking, wie die am Montag angekündigte Kooperation mit dem Finanz-Marktplatz Financescout24 zeigt.

Für Hamers schafft Open Banking eine Win-Win-Situation: Fintechs, die über viel zu wenig Mittel für den Aufbau eines eigenen Kundenstammes verfügen, erhalten Zugang zu einem etablierten Markt. Und Banken erhalten Zugang zu Technologien und digitalen Dienstleistungen, die sie selber nicht entwickeln könnten.

6. Die E-Identität: Der Schlüssel zu allem

Die digitale Identität ist in der Schweiz kein Trend, sondern eher ein Politikum. Am kommenden 7. März stimmt die Schweiz über die rechtlichen Grundlagen einer staatlich anerkannten elektronischen Identität ab. Zankapfel ist Aufgabenteilung zwischen Staat und Wirtschaft: Nur die Bestätigung einer Identität soll noch durch den Staat erfolgen, Herausgeber der so genannten E-ID können Privatunternehmen sein.

Hamers ist sich der Problematik des Datenschutzes durchaus bewusst und hat als ING-CEO bereits vor Jahren internationale Rahmenbedingungen zum Schutze von persönlichen Daten gefordert. Doch als agiler und digitaler Banken-CEO ist für den Niederländer eines klar: Ohne die E-Identität könne sich keine digitale Ökonomie entwickeln. «Die E-Identität ist der Erfolgsschlüssel für jeden Fintech-Trend», ermahnte er.

Hamers dürfte sich inzwischen über die Schweizer direkte Demokratie schlau gemacht haben: Scheitert die E-Identität im März an der Urne, wird sich so manches Fintech-Geschäftsmodell als Rohrkrepierer erweisen. Es würde weitere zwei bis drei Jahre dauern, bis die Schweiz eine allseits akzeptierte E-Identität hätte. In der digitalen Ökonomie ist das eine kleine Ewigkeit.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.61%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.58%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.24%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.06%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.51%
pixel