Susanne Thellung wurde als erste Frau an die Spitze einer Kantonalbank berufen. Wie sie dem Staatsinstitut aus einer als konservativ geltenden Region ihren Stempel aufdrückt, verrät sie im Interview mit finews.ch.

Frau Thellung, Sie arbeiten in einer Branche, in der sich vieles um Geld dreht. Was ist Ihr eigenes Verhältnis zu Geld?

Ich arbeite auf einer Bank, weil ich Menschen mag, nicht weil mich Geld fasziniert. Eigentum ist mir persönlich nicht so wichtig. Ich freue mich natürlich darüber, wenn Geld hereinkommt, aber ich teile es auch gerne wieder. Als CEO kümmere ich mich lieber um unsere Kundschaft statt um Finanzen. Dafür habe ich einen sehr guten CFO in der Geschäftsleitung.

Sie standen mehr als 20 Jahre im Sold der UBS, bevor Sie der Bankrat der Schwyzer Kantonalbank (SZKB) zur CEO wählte. Was konnten Sie von der Grossbank mitnehmen, um eine mittelgrosse Staatsbank zu führen?

Ich bin eher zufällig in die Bankbranche gekommen und irgendwann waren dann zwanzig Jahre verstrichen. Weil ich 13 Jahre davon bei der UBS in der Zentralschweiz arbeitete, kenne ich die Region sehr gut und habe ein gutes Gefühl für die Mentalität entwickelt. Ausserdem hat mich besonders die Finanzkrise gelehrt, wie eine Bank durch schwierige Zeiten manövriert und geführt werden kann.

Wie erleben Sie den Kanton, der gegenüber anderen Landesteilen politisch recht konservativ ist?

Das ist nur ein sehr beschränkter Ausschnitt eines grösseren Bilds. Das Spannende am Kanton ist seine Vielseitigkeit. Die Ausserschwyz ist urban und dem Ballungsraum Zürich nahe, Küssnacht wiederum ist weltoffen und nach Luzern sowie Zug orientiert.

«Der Kanton Schwyz ist von aussergewöhnlichen und starken Frauen geprägt»

Die Region Einsiedeln hat eine starke und eigenständige Stellung im Kanton. Und der Talkessel wie das Muotathal haben starke Traditionen und sind sehr geprägt von der Geschichte, die mit der Schweiz als Nation verbunden ist.

Wie drückt sich das Traditionelle bei Frauenkarrieren aus?

Ich lebe seit rund neun Jahren im Kanton Schwyz, den man von ausserhalb gerade bei den Rollenbildern nicht ganz richtig einschätzt. Der Kanton Schwyz war und ist von aussergewöhnlichen und starken Frauen geprägt. Vergessen Sie nicht, dass mit Elisabeth Blunschy die erste Nationalratspräsidentin aus Schwyz kam.

Was bedeutet das für Sie? Seit zwei Jahren stehen Sie als erste Frau an der Spitze der Kantonalbank.

Ich wurde als CEO sehr wohlwollend empfangen und bekam persönlichen Zuspruch auch von mir unbekannten Leuten.

«Das führte am Anfang da und dort zu Verwunderung und Erstaunen»

Während des Bewerbungsverfahrens habe ich den Bankrat auch gefragt, ob er parat für die Zusammenarbeit mit einer Frau sei. Das hat er klar und deutlich bejaht. Letztlich müssen aber wie immer Kompetenzen und Persönlichkeitsstruktur zur Funktion passen.

Wie gehen Sie mit Ihren Mitarbeitenden um. Was begeistert Sie?

Ich bin eine sehr direkte und offene Person, die von den Begegnungen mit Menschen und ihren Geschichten lebt. Darum pflege ich, wenn immer möglich, den persönlichen und direkten Kontakt.

Das führte am Anfang da und dort zu Verwunderung und Erstaunen, wenn die CEO persönlich am Arbeitsplatz von Mitarbeitenden auftauchte. Mittlerweile ist aber dieser Führungsstil in der Bank verankert.

Und was bringt Sie auf die Palme?

Stillstand ist nicht mein Ding. Wir sollten jeden Tag einen kleinen Schritt machen. Dabei sollten die Menschen die Sachen neu denken. Ausserdem mag ich das Wort «Wir» besser als «Ich», weil wir zusammen besser vorankommen. Dieses «Wir-Gefühl» entspricht auch der Schwyzer Kantonalbank.

Was für einen Arbeitsstil pflegen Sie persönlich?

Ich habe lieber einen vollen und gut strukturierten Tag, an dem ich Kunden treffe und mich mit Mitarbeitern austausche. Ich bin gerne ein Teil des Ganzen und arbeite deshalb auch lieber vor Ort und im direkten Austausch als hinter einem Bildschirm.

Welches Projekt liegt jetzt gerade zuoberst auf Ihrem Schreibtisch?

Nach der Verabschiedung unserer Strategie «2023 ff.» sind wir jetzt in der Umsetzung. Diese Königsdisziplin wird uns in kleinen und grossen Projekten über die nächsten Jahre beschäftigen.

Wie breit ist die neue Marschrichtung abgestützt?

Die neue die Strategie ist mit über 30 Personen aus allen Bereichen, Hierarchiestufen und Altersklassen entstanden. Jede Person hatte eine Stimme und wir haben die Strategie in einem partizipativen Prozess ausgemarcht. Das hat für die Verankerung im Unternehmen enorm geholfen.

Wo liegen die Stärken und Schwächen des Instituts?

Die grosse Stärke sehe ich in unserer Unaufgeregtheit, in unserer Stabilität. Mit dem Kanton im Rücken geniessen wir sehr grosses Vertrauen bei unseren Kundinnen und Kunden, die uns ihr Vermögen anvertrauen.

«Das Finanzierungsgeschäft bleibt vor allem bei Erstkäufern beratungsintensiv»

Diese Vermögen können wir für Kredite und Finanzierungen für unsere Kundschaft einsetzen. Hypotheken und Kredite sind unsere DNA. Umgekehrt ist die Abhängigkeit vom Zinsdifferenzgeschäft mit seinem grossen Anteil an grundpfandgesicherten Krediten auch unsere Achillesferse.

In unserer schnelllebigen Zeit muss sich auch ein traditionelles Staatsinstitut bewegen.

Ja. Wir wollen etwa den Kreditprozess rascher und digitaler abwickeln. Allerdings sind wir überzeugt, dass das Finanzierungsgeschäft vor allem bei Erstkäufern beratungsintensiv bleibt. Deshalb haben die persönliche Betreuung in unseren 22 Filialen trotz hybriden Beratungsformen für die eher wertekonservative Schwyzer Kundschaft weiterhin einen hohen Stellenwert.

Sie durchforsten also nicht wie andere Banken ihr Filialnetz?

Wir schwimmen gegen den Strom und wollen die Chancen nutzen, die sich in unserem Kanton aus dem Rückzug von Wettbewerbern ergeben. Denn wir glauben, dass analoge Kontaktpunkte umso wichtiger werden, je digitaler die Welt wird. Wir suchen den Moment der Wahrheit, wenn zwei Menschen am Tisch sitzen und es bei einem Geschäft zu einem Handschlag kommen soll. Dieses Verhalten beobachten wir übrigens auch für eine jüngere Generation, die typischerweise erst nach einer persönlichen Beratung zu digitalen Helfern greift und für den Abschluss dann wieder den persönlichen Kontakt sucht.

Mit der Digitalisierung ändern sich auch die Arbeitsinhalte für Mitarbeitende rapide.

Das ist so. Wir achten aber in einer hochtechnisierten und digitalen Welt vor allem auf interpersonelle Fähigkeiten, besonders auf persönliche Kontakte mit Tiefgang, Stil und Höflichkeit.

«Generell stellen wir Persönlichkeit vor Fachwissen»

Diese Kommunikationsart und den Umgang mit Wandel stellen wir bei unserem Personal ins Zentrum.

Werden die Fachkompetenzen daneben weniger wichtig?

Nein. Aber fachliche Fähigkeiten beispielsweise im Bereich Digitalisierung kann man sich einfacher aneignen und sind letztlich ein Mittel zum Zweck. Viel schwieriger ist es hingegen, die Persönlichkeitsstruktur von Menschen zu ändern. Generell stellen wir Persönlichkeit vor Fachwissen. Deshalb achten wir auch bei der Rekrutierung von Talenten stark darauf, ob jemand zu uns und unseren Werten passt.

Kommen wir zum Immobilienmarkt: Die Preissteigerungen in der Innerschweiz von 16 Prozent im vierten Quartal 2022 waren die höchsten der Schweiz. Wird das so bleiben?

Die Immobilienpreise haben im Kanton in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen attraktiver Wohnlagen und Steuern immens geboomt. Auch jetzt haben Immobilienentwickler in der Region keine Probleme. Verkaufsinserate für Immobilien bleiben im Schnitt nur 15 Tage publiziert. Die Nachfrage bleibt also weiterhin hoch, und der Immobilienmarkt im Kanton Schwyz wird nach unserer Einschätzung auch in den nächsten Jahren solide bleiben.

Ist die wirtschaftliche Lage in ihren Stammlanden auch über den Häusermarkt hinaus gesund?

Die Corona-Krise, während der unser Institut Überbrückungshilfen im Umfang von 100 Millionen Franken sprach, hat bisher zu weniger Konkursen geführt als erwartet. Gegenwärtig zeigt sich die wirtschaftliche Situation gemäss unserem mit dem kantonalen Amt für Wirtschaft lancierten Einkaufsmanager-Index für den Kanton Schwyz im Dienstleistungsbereich etwas komfortabler als in der Industrie. Der Fachkräftemangel ist teilweise zu spüren, was zu grösseren Ausbildungsoffensiven in den Klein- und Grossbetrieben führt. Insgesamt sehen wir im Moment aber keine Anzeichen für einen Konjunktureinbruch.

Welche Entwicklungen erleben Sie derzeit im Anlagegeschäft?

Das Anlagegeschäft ist eng mit unserem gesetzlichen Leistungsauftrag für den Kanton verknüpft. Deshalb kümmern wir uns auch besonders um den systematischen Vermögensaufbau. Gerade die Altersvorsorge hat in den letzten Jahren unter den schwierigeren Rahmenbedingungen gelitten. Darum sind die private Vorsorge und das systematische Anlegen so wichtig.

«Wir sehen im Moment keine Anzeichen für einen Konjunktureinbruch»

Dafür sind beispielsweise unsere ethischen Anlagen, die vor fünfzehn Jahren von einer kirchlichen Institution angestossen und seither von einem jungen Team entwickelt wurden, zu einem beliebten Anlagegefäss geworden. Wir überlassen es aber den Kunden, ob sie nachhaltige Anlagen in ihre Portfolios aufnehmen wollen.

Wie sieht es im Private Banking aus, das ein turbulentes Anlagejahr hinter sich hat?

Im 2022 war das Anlagegeschäft mit Retailkunden etwas besser als im Private Banking, das wir aus den Standorten Pfäffikon und in Schwyz für den ganzen Kanton anbieten. Gerade in Zeiten mit herausfordernden Märkten sehen wir die Wichtigkeit der persönlichen und nahen Beratung vor Ort.

Der Schweizer Finanzsektor entwickelte sich in den vergangenen 20 Jahren dynamischer als die Gesamtwirtschaft. Die Zukunft sieht dagegen weniger rosig aus, oder?

An sich erwarten wir in der Schweiz schon noch eine gewisse Konsolidierung. Sie könnte sich mit der Zinswende allerdings etwas aufschieben, weil sich das Bankgeschäft mit der Rückkehr zu normalen Zuständen wieder eher lohnt. Ein Zeichen dafür ist auch, dass sich wieder mehr Auslandbanken in der Schweiz ansiedeln, teilweise auch in unserem direkten Einzugsgebiet im Kanton Schwyz.

Vereinzelt hört man, die Schweiz sei kein Bankenland mehr und leide an einem schlechten Image. Hängt das auch damit zusammen, dass Vorbilder fehlen?

Dass sich einzelne Gallionsfiguren in der Vergangenheit nicht integer verhalten haben, hat zeitweise schon einen Schatten auf die Branche geworfen. Der typische Bankangestellte, wie ich ihn kenne, ist aber ein rechtschaffener, eher zurückhaltender, bodenständiger und seiner Region verpflichteter Mensch. Denselben Respekt und Anstand möchten wir umgekehrt bei allen geltend machen, die mit uns zu tun haben. Mit dieser Art von Zusammenspiel entsteht ein gegenseitiges Vertrauen.


Susanne Thellung wurde nach der Wahl durch den Bankrat der Schwyzer Kantonalbank (SZKB) auf den 1. Februar 2021 zur Vorsitzenden der Geschäftsleitung berufen. Zuvor war sie von 2004 bis 2018 in verschiedenen Funktionen für die UBS Schweiz tätig. Sie ist verheiratet und Mutter eines Sohnes. Sie lebt in Brunnen SZ.

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