Der Etappensieg der helvetischen Bezahl-App Twint gegen den Tech-Riesen Apple ist auch ein Erfolg für ein urschweizerisches Prinzip, findet finews.ch. Doch hat der Filz 2.0 wirklich Zukunft?

Filz ist das, was herauskommt, wenn Wolle durch mechanische Bearbeitung in einen Verbund gebracht wird: ein extrem beständiges und schwer zu trennendes Fasergemenge.

Diese Eigenschaften zeichnen auch den sprichwörtlichen Filz aus, ein urschweizerisches Prinzip, das seine Widerstandskraft ebenfalls aus dem Verbund schöpft. Fasern der Wirtschaft, der Politik und des privaten Vereins- und Alumniwesens «verfilzen» sich zu einem Gewebe, das mit ungemeiner Zähigkeit seine Zwecke verfolgt und äusseren Einflüssen immer wieder erfolgreich zu trotzen vermag.

Gegen den Druck von aussen

Die Entstehungsgeschichte der helvetischen Bezahl-Applikation Twint illustriert beispielhaft, wie das Prinzip auch im dritten Jahrtausend noch funktioniert, findet finews.ch. Da ist die mechanische Bearbeitung durch Druck von aussen – sprich, die Furcht des Schweizer Finanz-Establishments, dass sich branchenfremde Konkurrenz wie Apple, Google und Amazon zwischen die Banken und ihre Kunden drängen.

Es brauchte mehrere Anläufe, bis auf diesen Druck hin die Fäden der sonst hart konkurrierenden Schweizer Banken zusammenfanden und im Bereich des mobilen Bezahlens das digitale Portemonnaie Twint folgte. Mittlerweile lässt sich das Produkt sehen: Die App zählt in der Schweiz mehr als 1 Million registrierter Nutzer, auch dank der landesweit 73 Banken, welche die App anbieten und fleissig bewerben. Hinter Twint stehen ausserdem Staatskonzerne wie die Postfinance und Swisscom, ebenso führende Retailer wie Coop und Migros.

Bei Bier und Zigarren

Auch die Zähigkeit ist nun unter Beweis gestellt. Am (heutigen) Dienstag hat Twint einen Teilsieg errungen gegen Apple, den Tech-Giganten aus dem Silicon. Der Riese aus dem kalifornischen Cupertino krebste dabei mit seinem Angebot Apple Pay ein Stück weit zurück. Dies, um einem möglichen Prozess vor der Wettbewerbskommission (Weko) auszuweichen, wie Twint in einer Mitteilung betonte.

Ist das also der Beweis, dass die Finanzbranche auch im Zeitalter der Digitalisierung noch auf den Filz vertrauen kann, dieser geradezu zum «Filz 2.0» taugen würde? Denn so war es früher: Finanzkarrieren folgten den Beförderungen im Militär, und bei Bier und Zigarren wurde mit den Dienstkameraden – auch jenen in Bundesbern – ausbaldowert, was ausbaldowert werden musste.

Scharfe Linien

Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Grenze zwischen informellem Filz und illegalen Absprachen ist naturgemäss unscharf. Heutzutage unternehmen die Wettbewerbshüter, was sie können, um eine klare Linie zwischen den zwei Zonen zu ziehen.

Das zeigt sich just bei Twint. Unter anderem auf Beschwerde von Apple hin untersucht dieselbe Weko, ob Schweizer Finanzinstitute geheime Absprachen getroffen haben, um Twint gegenüber ausländischen mobilen Bezahllösungen wie Apple Pay und Samsung Pay zu bevorteilen. Im vergangenen November führte die Behörde dazu Razzien bei diversen Finanz-Dienstleistern im Land durch.

Das Verfallsdatum rückt rasch näher

Damit wird deutlich: Der helvetische Filz wird seinen Ruch nicht los. Dies disqualifiziert ihn als Basis für jene digitalen Ökosysteme, denen derzeit von Beratern eine grosse Zukunft vorausgesagt wird. Denn die neuen Technologien bringen auch mehr Transparenz – und das verträgt sich schlecht mit dem Prinzip des Fasergemenges.

Vor allem aber stellt die digitale Wirtschaft den Kunden ins Zentrum, und nicht das Unternehmen. Überleben werden jene Anbieter, die auf unkomplizierte Weise der Klientel möglichst viel Nutzen stiften. Der Filz hingegen nützt von jeher den Machtzirkeln aus Politik und Wirtschaft. Damit rückt sein Verfallsdatum rasch näher.

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