So mancher Banker und Vermögensverwalter erlebt mit Corona die dritte grosse Wirtschaftskrise in 20 Jahren. Timo Dainese, Gründer von Zugerberg Finanz, hält im Interview mit finews.ch Rückschau und sagt: «Krisen haben etwas Reinigendes».


Herr Dainese, mit Zugerberg Finanz feiern Sie heuer das 20-jährige Jubiläum. Es fällt in eine neuerliche Wirtschaftskrise. Als Vermögensverwalter ist es nach der Dotcom- und der Subprimekrise bereits Ihre dritte. Wie erleben Sie diese?

Krisen gehören zum Leben eines Unternehmers dazu. Wie Sie richtig sagen, es ist ja nicht die erste. Höhen und Tiefen wechseln sich ab, oft innert kürzester Zeit. Das haben wir in diesem Jahr wieder gesehen. Im Februar wurden wir zum dritten Mal in Folge zum besten Vermögensverwalter der Schweiz gekürt. Zwei Wochen später befanden sich die globale Gesellschaft auf dem Weg in die Quarantäne und die Kapitalmärkte im Sturzflug. Statt Freude über die tolle Entwicklung der Portfolios im Jahr 2019 prägen seither Buchverluste unseren Alltag in der Interaktion mit unseren Kundinnen und Kunden. Klar hätten wir uns ein anderes Umfeld für unser Jubiläum gewünscht. Aber Unternehmertum ist kein Wunschkonzert. Wir sind aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen und dies wird auch dieses Mal wieder der Fall sein. Krisen haben etwas «Reinigendes». Sie schärfen den Blick. Dies gilt für die aktuelle Krise ganz besonders.

Sie haben sich sehr früh in ihrer Finanz-Karriere für die Selbständigkeit entschieden. Gerade in solchen Krisen zeigt sich das hohe persönliche Risiko. Wie gehen Sie damit aktuell um?

Als ich mich mit 23 Jahren selbständig gemacht habe, hatte ich enormen Druck. Würde ich es schaffen, würde es funktionieren? Da hatte ich viele schlaflose Nächte und oft das Gefühl, dass es mich fast erdrückt. Damals dachte ich, einen grösseren Druck kann es im Unternehmerleben nicht geben. Heute, wo wir etabliert sind, stelle ich fest, dass der Druck genauso gross ist.

«Der Heimatfokus hat sich massiv ausgezahlt»

Es ist einfach ein anderer Druck. Die Verantwortung gegenüber den Kunden ist enorm. Und man will nicht verlieren, was man aufgebaut hat. Ich habe gelernt, mit diesem Druck umzugehen. Und auch mit dem damit verbundenen persönlichen Risiko. Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer einen Weg gibt, auch wenn die Situation noch so herausfordernd ist. Und manchmal muss man eben zurückstecken.

Die Finanzkrise von 2008 war für Sie extrem hart. Doch gelang kurz darauf Zugerberg Finanz auch ein Durchbruch. Was war damals geschehen – und entscheidend für die erfolgreiche Entwicklung?

Im Jahr 2008 hat man exemplarisch gesehen, was in einer typischen massiven Krise auf den Kapitalmärkten passiert. Man verliert mit den Aktien, und man verliert – als Franken-Anleger – mit den Fremdwährungen. Die Kombination ist toxisch, die Verluste multiplizieren sich quasi. Wir haben in der Folge entschieden, künftig deutlich stärker auf den Franken und auf Schweizer Unternehmen zu setzen. Dieser Heimatfokus hat sich massiv ausgezahlt. Wir haben die stärkste Währung der Welt und wir haben in der Schweiz eine hohe Zahl an führenden, international hervorragend aufgestellten Gesellschaften. Zudem lernte ich 2008 Maurice Pedergnana kennen, und er stieg als Chefökonom und Unternehmer in die Gesellschaft ein. Das war ein Schlüsselmoment in der Entwicklung der Gesellschaft. 

Sie schreiben, das Unternehmerdasein sei ein nicht enden wollender «Chrampf». Das klingt nicht unbedingt nach Selbstverwirklichung.

Ja, es ist ein «Chrampf». Aber das muss ja nicht zwingend negativ sein. Fahren Sie Rennvelo? Das ist auch ein «Chrampf», und dennoch sind viele Leute – ich inklusive – davon total angefressen. Für mich ist Unternehmertum mit sehr viel Arbeit und Fleiss verbunden. Ich habe ja nichts erfunden, was es noch nicht gab und worauf die Welt gewartet hat. Wir müssen uns jeden Tag aufs Neue beweisen.

«Die Extrameile macht den Unterschied»

Es ist ein Verdrängungswettbewerb, und wir alle kochen mit Wasser. Da ist es oft die Extrameile, die dann den Unterschied macht. Aber es ist auch grossartig, zu sehen, wie etwas gelingt, und wächst. Die Genugtuung ist riesig.

Was sind die grössten Veränderungen der letzten 20 Jahre, welche die Vermögensverwalter-Branche erfahren haben?

Die grössten Veränderungen sind wohl auf Seiten der Regulierung und der IT sowie Digitalisierung zu finden. Vor zwanzig Jahren haben wir ein Konto auf einem A4 Blatt mit einer Unterschrift eröffnet. Heute sprechen wir von 20 bis 30 Seiten an Bankdokumenten, und da sind die AGBs und unsere Vermögensverwaltungsverträge noch nicht inbegriffen. Der regulatorische Aufwand ist enorm gestiegen, Compliance, GWG, Fidleg, Finig, und so weiter. Vor zwanzig Jahren hatten wir Revisionskosten von 3'000 Franken pro Jahr und die Revision war einen Tag bei uns. Heute haben wir zwei oder drei Revisionen pro Jahr, während mehreren Tagen, und die Kosten belaufen sich auf mehrere Zehntausend Franken.

«Man muss Werte haben und diese leben»

Auf der anderen Seite bringen IT und Digitalisierung heute viele Vorteile. Früher haben wir ein Excel File mit den Trades an die Depotbank geschickt. Heute plazieren wir Orders über eine bidirektionale Schnittstelle direkt an den Markt. Dadurch sind die Bankkosten enorm gesunken. Nebst Kostenersparnis bringt die Digitalisierung viele Erleichterungen: Weniger abtippen, automatisierte Kontrollen, mehr Effizienz.

Was ist aus Ihrer Sicht ein Erfolgsrezept für Vermögensverwalter?

Es braucht eine langfristige Strategie, der man treu bleibt. Man muss Werte haben und diese leben. Das höchste Gut in unserem Geschäft ist die Glaubwürdigkeit. Diese ist das Resultat aus Leistung, Nachvollziehbarkeit, klarer, ungeschönter Kommunikation und Transparenz. Glaubwürdigkeit muss man sich über viele Jahre erarbeiten. Sie ist der Schlüssel zum Erfolg.

Mit Fidleg/Finig steht die Branche vor neuerlichen Herausforderungen. Die grosse Konsolidierung wird nun erwartet. Sehen Sie das auch so?

Ich warte seit 20 Jahren auf die grosse Konsolidierung. Mir hat man schon im Jahr 2000 gesagt, ich sei ein bisschen spät dran mit meiner Idee. Bisher ist aber kaum etwas passiert.

«Kunden sind endlich kritischer geworden»

Ich denke aber schon, dass der Druck zunimmt, in den letzten Monaten sind nun doch diverse Unternehmen «verschwunden». Aber vielleicht nicht mal primär wegen der Regulierung. Sondern weil die Kunden informierter sind und endlich kritischer werden.

Was ist ihre Prognose für den Schweizer Vermögensverwaltermarkt?

Ich glaube, es gibt den Trend zu weniger, dafür grösseren, gut aufgestellten Instituten. Ich sehe für diese Institute eine sehr positive Zukunft. Wie erwähnt, werden die Kunden kritischer. Es gibt heute, auch dank Instituten wie Finguide, mehr Transparenz in der Branche, die Leistung der verschiedenen Institute wird vergleichbar. Davon profitieren die guten Vermögensverwalter. Ich glaube, was das Anlagegeschäft betrifft, gehört die Zukunft den spezialisierten, unabhängigen Vermögensverwaltern.

Wie sehen Sie aktuell die Märkte?

Nach den zweistelligen Verlusten hat seit Anfang April am Aktienmarkt eine spürbare Erholung stattgefunden. Die höheren Kurse widerspiegeln die Hoffnung der Anleger, dass das Schlimmste vorüber ist. Dieses Bild täuscht aber etwas über die effektive Situation an den Kapitalmärkten hinweg. Wir sehen bei vielen Aktien mittelfristig zwar weiteres Erholungspotenzial, halten kurzfristig erneute Rückgänge aber nicht für ausgeschlossen. An den Anleihenmärkten herrscht vielerorts noch tiefe Depression. Wir sehen bei Unternehmensanleihen ein deutliches Erholungspotenzial. In der Vergangenheit hat es sich mittelfristig immer ausgezahlt zu investieren, wenn die Stimmung schlecht und die Volatilität hoch war.

Was möchten Sie in den nächsten 20 Jahren erreichen?

Wir wollen das Leistungsversprechen, das wir unseren Kunden abgeben, einhalten. Wir wollen weiterhin einer der besten und glaubwürdigsten Vermögensverwalter in der Schweiz sein.


Timo Dainese ist Gründer und geschäftsführender Partner von Zugerberg Finanz. Dainese gründete den Vermögensverwalter im Jahr 2000 im Alter von 23 Jahren, just vor dem Platzen der Dotcom-Blase. Das Unternehmen feiert heuer sein 20-jähriges Jubiläum. Nach der Finanzkrise kam der renommierte Ökonom Maurice Pedergnana als Partner an Bord. Zugerberg Finanz zählt heute rund 40 Mitarbeiter und verwaltet Kundenvermögen in der Höhe von 2,4 Milliarden Franken.