Sie trotzte sämtlichen Widerständen
«Heute bin ich froh, dass ich diesen Weg gegangen bin», sagt Biremiga Vadivelu, und irgendwie passt dies im ersten Augenblick so gar nicht zu der Geschichte, die die junge Frau aus Thun soeben erzählt hat.
Statt Zufriedenheit hätte man eher Argwohn oder gar Wut erwartet. Doch Biremiga Vadivelu ist im Reinen mit sich und ihrer Geschichte.
Lauter Absagen – wegen dem Namen
Vadivelu ist 30 und Leiterin Compliance und Risk Officer bei der Bank Gantrisch im Kanton Bern. Dass sie damit zu den jüngsten ihrer Zunft in der Schweiz zählt, war ihr lange gar nicht bewusst. Die Verantwortlichen der ZHAW, wo die junge Thunerin ihre Ausbildung absolvierte, hatten sie darauf aufmerksam gemacht. «Irgendwie ist das verrückt», sagt sie.
Verrückt ist auch ihr Werdegang. Die Finanzbranche stand bei der Berufswahl der jungen Thunerin nie im Fokus. Im Gegenteil. Architektin wollte sie ursprünglich werden. Doch Mathematik war nicht ihr Ding, dafür aber Buchhaltung. Also strebte sie eine kaufmännische Ausbildung an.
Eine Lehrstelle bekam sie nicht. Sie konnte schon froh sein, wenn sie sich vorstellen konnte. In der Regel bekam sie ihre Unterlagen ungeöffnet zurück. Ihre Herkunft und ihr Name waren ihr Verhängnis.
Heimisch geworden im Finanzsektor
Doch Biremiga Vadivelu hat nie aufgegeben. Nach jeder Niederlage kämpfte sie sich stets von Neuem hoch. Plötzlich tat sich eine Türe auf: Eine private Handelsschule gewährte ihr aufgrund ihrer guten schulischen Leistungen ein Stipendiat. Vadivelu spezialisierte sich auf den Bereich Compliance und fand so den Weg in die Finanzindustrie.
Das Blatt begann sich zu wenden. Biremiga Vadivelu fiel schnell durch ihren Fleiss und ihre Arbeit auf. «Mir wurde bereits während des Praktikums bei einer Pensionskasse eine Vollanstellung nach Abschluss der Prüfungen in Aussicht gestellt», sagt sie nicht ohne Stolz.
Grosser Verzicht
Vadivelu musste sich ihren Erfolg hart erarbeiten. Während des gesamten Studiums hat sie Vollzeit gearbeitet, pendelte täglich von ihrem Wohnort Thun nach Winterthur an die ZHAW. Ein Weg: zweieinhalb Stunden. Oft hat sie während den Vorlesungen nebenbei noch die berufliche Arbeit erledigt.
Zeit für ein Freizeitleben blieb da nicht mehr. Dafür benötigte sie für das Studium nicht einmal halb so lange wie ihre Kommilitonen. «Gerade weil mir nicht alles in die Wiege gelegt worden ist, war mir dies Ansporn, es gut zu machen.» Da sind auch noch ihre Eltern. «Meinen Eltern wurde schon nichts geschenkt. Mein Vater kam ohne Deutschkenntnisse von Sri Lanka in die Schweiz und musste sich hier behaupten», sagt sie.
Mittlerweile ist Vadivelu bei der Bank Gantrisch. Sie fühlt sich in ihrer neuen Rolle als Leiterin wohl. «Hier decke ich mehrere Bereiche ab. Dies behagt mir», sagt sie. Zudem amtiert sie ab kommendem Jahr zusätzlich als Prüfungsexpertin.
Nun macht sie sich an die Doktorarbeit
Vor fünf Jahren hat sie das Studium abgeschlossen. Nun wagt sie sich an die Doktorarbeit – im Fernstudium. Das Thema: Die Anwendung von Explainable Artificial Intelligence bei Anti-Money-Laundering-Prozessen. Ergänzend fokussiert sie sich auf die Regulierung und das Risikomanagement im Schweizer Bankensektor.
Was bewegt die junge Compliance-Expertin zu diesem Schritt? «Meine Eltern haben mir immer wieder gesagt: Bildung werde mich ein Leben lang begleiten», sagt sie. Die charmante Thunerin hat sich dies ganz offensichtlich beherzigt.