Die Herkules-Aufgabe des Julius-Bär-CEOs

Blauer Anzug, weisse Sneaker – Stefan Bollinger brachte einen neuen, sportlichen Wind in die Chefetage von Julius Bär. 

Sportlich ist auch das Programm, das sich der neue CEO für Julius Bär vorgenommen hat. Er will das Zürcher Traditionshaus schlanker aufstellen. «Eine neue Führungsstruktur und eine schlankere Geschäftsleitung werden die Verantwortlichkeit erhöhen, diszipliniertes Unternehmertum von oben nach unten fördern und unsere konsequente Kundenorientierung stärken», sagte er Anfang Februar bei der Präsentation der Jahreszahlen

5 Prozent der Stellen fallen weg

Damals setzte Bollinger ein erstes Zeichen. Neben dem Jahresergebnis verkündete der Neo-CEO, dass er die Geschäftsleitung von 15 auf 5 Mitglieder verkleinert, zusätzliche 110 Millionen Franken bis Ende Jahr einsparen will und 5 Prozent der Stellen wegfallen. Zudem versprach er ein Strategie-Update noch vor den Sommerferien. 

Seither brodelt es bei Julius Bär. 

Zu viele Patzer

Bollinger hat allerdings keine andere Wahl. Es braucht einen Neuanfang. Julius Bär hat sich in der jüngsten Vergangenheit zu viele Patzer erlaubt. 

2021 einigte sich der Vermögensverwalter mit der US-Justiz auf die Zahlung von 79 Millionen Dollar zur Beilegung von Vorwürfen der Geldwäscherei im Zusammenhang mit dem Weltfussballverband Fifa.

Zwei Jahre später folgte der Skandal um die österreichische Signa-Gruppe, die René Benko gehörte. Julius Bär gewährte dem illustren österreichischen Immobilienunternehmer Kredite in Höhe von rund 606 Millionen Franken. Nach der Insolvenz von Signa musste die Bank diese vollständig abschreiben, was zu einem Gewinneinbruch von 52 Prozent führte. CEO Philipp Rickenbacher kostete dies den Job, im Februar 2024 trat er zurück. Nun steht Stefan Bollinger in der Verantwortung.

Cost/Income Ratio weit weg vom Zielband 

Am Markt scheint das Vertrauen wieder zurück zu sein. Zumindest floss der Privatbank 2024 wieder mehr Neugeld zu, insbesondere in der zweiten Jahreshälfte: Netto-Neugeld von 14 Milliarden Franken und die verwalteten Vermögen (AuM) kletterten auf rekordhohe 497 Milliarden Franken (+16 Prozent). Unter dem Strich schloss die Bank 2024 mit einem Gewinn von 1,02 Milliarden Franken ab. 

Doch ausgestanden ist die Sache noch nicht. Die Cost/Income Ratio liegt mit 70,9 Prozent noch immer weit weg von den 64 Prozent, die sich Julius Bär zum Ziel gesetzt hat. 

Bollinger lässt sich davon nicht beirren

Im vergangenen Februar leitete die Finanzmarktaufsicht Finma zudem ein Enforcement-Verfahren gegen die Bank ein, um mögliche Mängel im Risikomanagement und in der Kreditvergabe zu untersuchen. 

Bollinger lässt sich davon nicht beirren, baut weiter die Bank um. Nach der Verkleinerung der Geschäftsleitung und der Bildung eines Global Wealth Management Committee, verkündete er Anfang April die Schaffung einer globalen Produkt- und Lösungseinheit, der Gliederung des Kundengeschäfts in drei Regionen. Gleichzeitige vereinte er sämtliche Digital Business Transformation-Initiativen unter einer Führung. 

Im Steigerungslauf zum Strategie-Update 

Das sei weiterer Schritt auf dem Weg zu einer einfacheren und kundenorientierteren Organisation, sagte er: «Die neue, auf konsequente Kundenfokussierung ausgerichtete Struktur wird Verantwortlichkeit sowie diszipliniertes Unternehmertum fördern und gleichzeitig unsere Risikokultur stärken.»

Nun will er ein Strategie Update folgen lassen. Viel Zeit lässt er sich und der Führungsriege von Julius Bär auch damit nicht. Bereits am 3. Juni will er in London die neue Ausrichtung präsentieren. Davor muss er noch die Finanzmarktaufsicht Finma abholen. Und der neue Chairman Noel Quinn wird dann gerade mal einen Monat im Amt sein. 

Shareholder wollen inneres Wachstum sehen

Bollingers Steigerungslauf imponiert. «Es ist beeindruckend, welch ein Tempo er an den Tag legt», wird ihm von mehr als einer Stelle auf dem Finanzmarkt Zürich beschieden. 

Erstaunt zeigt man sich allerdings, dass er bislang die Führungsetage nicht umgebaut hat. «Stefan Bollinger hat zwar die Geschäftsleitung massiv reduziert. Normalerweise besetzt aber ein neuer CEO die wichtigsten Posten mit eigenen Leuten. Dies ist bislang ausgeblieben», sagt ein Branchenkenner, er nicht namentlich genannt werden will. 

Andere wiederum staunen, dass Bollinger die zusätzlichen Einsparungen bis Ende Jahr über den Stellenabbau und nicht auch mit Anpassungen bei der IT anstrebt. «Die IT ist neben den Personalkosten einer der grössten Kostenblöcke eines Unternehmens. Hier liesse sich schneller mehr rausholen», hört man von Banken-Spezialisten. 

Viel wichtiger dürfte sein: Mit seinem dynamischen Auftritt vermochte Bollinger auch bei Aktionären punkten. Sein Programm zur Kostensenkung dürfte seine Wirkung denn auch nicht verfehlen. Die Frage ist nur: Wie lange hält der Honeymoon an? «Die Kosten zu reduzieren ist schön und gut. Aber Bollinger muss es gelingen, dass Julius Bär von innen heraus ein nachhaltiges Wachstum erzielt», drückt es ein Shareholder aus.