In Sachen Nachhaltigkeit seien wir alle Lernende, sagt Birgitte Olsen im Interview mit finews.ch. Manches stecke noch in den Kinderschuhen und sei weit von einem perfekten Zustand entfernt. «Aber der politische und unternehmerische Wille gehen diesen Weg, und wir wollen uns als Investoren damit auseinandersetzen», erklärt die Portfolio-Managerin von Bellevue Asset Management.

Frau Olsen, Sie investieren neuerdings verstärkt in nachhaltige Familien- oder eigentümergeführte Unternehmen. Sind solche Firmen nicht per se schon nachhaltig?

Es ist richtig, dass eigentümergeführte Unternehmen aufgrund ihres Stakeholder-Ansatzes und langfristigen Perspektiven durch überdurchschnittliche Nachhaltigkeit und Beständigkeit punkten. Sie sind an der langfristigen Wertentwicklung und nicht an kurzfristiger Gewinnmaximierung interessiert.

In den vergangenen fünf Jahren haben sich die ESG-Scores von Familienunternehmen nachweislich überdurchschnittlich entwickelt, denn das Verfolgen von unternehmerischer Nachhaltigkeit bedeutet auch, Umwelt- und soziale Fragestellungen zu berücksichtigen. So gesehen sind «nachhaltige Familienunternehmen» fast schon eine Tautologie.

In Ihrer Ankündigung heisst es, dass Sie Firmen ausschliessen, die in schwerwiegendem Masse gegen Menschenrechte, Umwelt und Geschäftsethik (ESG-Kriterien) verstossen sowie in kontroverse Waffengeschäfte verwickelt seien. Heisst dies mit anderen Worten, dass Sie «normale» Waffengeschäfte tolerieren und bei nicht schwerwiegenden Verstössen gegen die ESG-Kriterien auch kein Problem damit haben?

Dieses Ausschlusskriterium ist ein allgemein gültiger Standard, dem wir uns als Unterzeichner der UNPRI verpflichtet haben. Dies ist formell notwendig aber bei weitem nicht ausreichend.

«Dies sollte auch Anlegern höhere Renditen bescheren»

Unser Sustainable Scoring beruht auf einem dreistufigen Modell, darin werden das aktuelle MSCI ESG Rating, die Rating Veränderung (Momentum) sowie das Low Carbon Transition (LCT) Rating eines Unternehmens berücksichtigt.

Darüber hinaus besprechen wir ESG-Thematiken und Scorings aktiv mit den Unternehmen im Rahmen der über 500 Management-Meetings, die wir jährlich führen.

Können Sie konkret nachweisen, dass nachhaltige Unternehmen für Anlegerinnen und Anleger nicht nur für das «gute Gewissen», sondern auch renditemässig attraktiver sind?

Wir sind der Überzeugung, dass glaubhaft nachhaltige Unternehmen konkrete Wettbewerbsvorteile erlangen. Eine proaktive ESG-Politik kann für Unternehmen unter anderem Folgendes bedeuten: tiefere Fremdkapitalzinsen und Kostenstrukturen, das erfolgreiche Binden von Talenten, treuere Lieferanten und Kunden und höhere Eintrittsbarrieren.

Dies wirkt sich positiv auf Wachstum und Profitabilität aus und sollte auch Anlegern höhere Renditen bescheren.

Wie unterschiedlich ist die Nachhaltigkeit bei Familien- und eigentümergeführten Firmen in den einzelnen europäischen Ländern entwickelt?

Führend in Sachen ESG ist in Europa Skandinavien. Es ist kein Geheimnis, dass neben dem Anker-Investor eines Unternehmens, die Politik die ESG-Rahmenbedingungen und Anreize setzt.

«In Sachen Nachhaltigkeit gilt das Sprichwort: Rien ne sert de courir, il faut partir à temps»

Norwegen hat schon 1991 eine CO2-Steuer eingeführt und will diese bis 2030 weiter um das Dreifache auf über 200 Dollar/tCO2 erhöhen. Finnland möchte bereits 2023 CO2-Neutralität erreichen.

Im UN Sustainable Development Report sind die Top-20-Länder fast ausschliesslich europäisch, und die Schweiz belegt Platz 16 von 193. Wir wollen ein diversifiziertes Portfolio konstituieren und werden in ganz Europa fündig. Skandinavien und die Schweiz repräsentieren aktuell 37 Prozent unseres Portfolios.

Nachhaltigkeit-Kriterien zu messen und zu erfüllen, ist auch eine kostspielige Angelegenheit. Werden dadurch kleinere Unternehmen nicht benachteiligt, weil sie sich diesen Aufwand finanziell nicht leisten können?

In Sachen Nachhaltigkeit gilt das französische Sprichwort: «Rien ne sert de courir, il faut partir à temps» und das gilt ebenso für Unternehmer und die Politik.

«Die finnische Stora Enso ist einer unserer Favoriten»

Zur Illustration: Lundin Energy ist ein schwedisches E&P-Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von rund 10 Milliarden Dollar. Das Unternehmen wird 2023 CO2 neutral und hat über die Jahre insgesamt etwa 800 Millionen Dollar investiert, um dieses Ziel zu erreichen.

Rund 60 Prozent der heutigen Produktion ist schon zertifiziert CO2 neutral. Nestle dagegen, trotz einer Marktkapitalisierung von 300 Milliarden Franken, hat sich vorgenommen, erst 2050 CO2 neutral zu werden.

Wenn Sie auf Ihre Anlagetätigkeit in der jüngsten Vergangenheit zurückblicken. Welches waren gute Beispiele von nachhaltigen Familien- oder eigentümergeführten Firmen, die sozusagen unentdeckt respektive unterbewertet waren?

Die finnische Stora Enso ist einer unserer Favoriten. Mit 2,4 Millionen Hektar ist Stora der zweitgrösste Waldbesitzer weltweit. Das Unternehmen hat sich von seinem ursprünglichen Kerngeschäft der Papierherstellung stetig weg entwickelt in Richtung nachhaltige Verpackungsmaterialien, Biomaterialien und Holzprodukte, wie das sehr populär gewordene Cross Laminated Timber (CLT).

«Wir sind sehr Cashflow-orientiert und wollen in unterbewertete Unternehmen investieren»

Dank CLT können heute Häuser bis 30 Stockwerke gebaut werden ganz ohne klassische Strukturelemente wie Stahl oder Zement. Auch die von Stora entwickelte Lignode, eine auf Holz basierende Anode für Lithiumbatterien könnte eine bahnbrechende Innovation werden.

Korrigiert um den Waldwert handelt die Aktie auf 4x EV/Ebitda 2021 und ist in unseren Augen für einen potentiellen «ESG-Star von Morgen» stark unterbewertet.

Der neuste Trend in Sachen Nachhaltigkeit ist Impact Investing, also Anlagen, die etwas bewirken für eine bessere Gesellschaft oder Umwelt. Inwiefern fliesst dieser Aspekt in ihre Strategie?

Wir sind nach wie vor sehr Cashflow-orientiert und wollen in unterbewertete Unternehmen investieren, deren fundamentaler Wert auch im Hinblick auf ESG nicht adäquat eingepreist ist. Somit wollen wir einen attraktiven Risiko/Return für unsere Anleger generieren.

«Auch Familienunternehmen scheinen davon überzeugt zu sein»

Wir verfolgen deshalb auch keinen Best-in-Class Ansatz. Indem sie sich ESG-Kriterien unterwerfen, beeinflussen und ändern Unternehmen zum Beispiel ihren CO2-Austoss und tragen aktiv zum Erreichen des 1.5-Grad-Ziels bei. Das hat eine Wirkung, die, wie wir glauben, auch durchaus finanziell messbar ist. Auch Familienunternehmen scheinen davon überzeugt zu sein.

Welche Pläne haben Sie für 2022, um ihren Fonds weiter zu entwickeln und noch attraktiver zu gestalten?

In Sachen Nachhaltigkeit sind wir alle Lernende. Manches steckt noch in den Kinderschuhen und ist weit weg von perfekt. Aber der politische und unternehmerische Wille gehen diesen Weg, und wir wollen uns als Investoren damit auseinandersetzen.

Die konsequente Ausrichtung des Bellevue Entrepreneur Europe Fonds auf Nachhaltigkeit ist für Bellevue Asset Management ein Meilenstein und für das Entrepreneur Team eine Opportunität, ihr fundamentales Handwerk weiter auszubauen im Dienste der Anleger.


Birgitte Olsen arbeitet seit 2008 für die Bellevue-Gruppe. Zuvor war sie unter anderem für Vontobel sowie für Generali tätig gewesen. Heute ist sie Mitglied der Geschäftsleitung von Bellevue Asset Management und dabei für die Anlagefonds BB Entrepreneur Europe (inklusive Europe Small) sowie BB Entrepreneur Switzerland und für institutionelle Mandate verantwortlich. Die gebürtige Norwegerin, die in Genf aufwuchs, verfügt über einen Abschluss der Universität St. Gallen und ist CFA-Chartholder.

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