Viele Schweizer Privatbanken seien einfach auf den Krypto-Zug aufgesprungen, sagt Mike Hofer. «Es fehlt ihnen das fachliche und technologische Know-how», erklärt der Chief Banking Officer der britischen BCB Group im Interview mit finews.ch.


Herr Hofer, die Schweiz gilt als sehr Blockchain-freundlich. Was macht unser Land als Standort für Krypto-Unternehmen besonders attraktiv?

Bei Krypto-Token unterscheidet die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) funktional drei Arten und lässt sich vom Prinzip der Technologie-Neutralität leiten. Diese Technologie-Neutralität ist attraktiv für Krypto-Unternehmen und ermöglicht so weitere Innovationen.

Die Finma hat auch früh klar und verlässlich reguliert, was Sache ist. Darum hat sich die BCB Group in der Schweiz niedergelassen. Zudem suchte die Wirtschaftsförderung Neuenburg aktiv nach Blockchain-Unternehmen.

Was genau macht die BCB Group?

Wir betreiben zum einen ein Krypto-Trading-Desk für institutionelle Kunden. Zum anderen haben wir in England eine Payment-Services-Lizenz und bieten dort Konten für den Zahlungsverkehr an, ein Geschäftsfeld, das sich rasant entwickelt. 

«Mittlerweile bewegt BCB insgesamt etwa 100 Milliarden Franken pro Jahr»

Mit diesem Geschäftszweig kommen wir jetzt ebenfalls in die Schweiz. Wir sind dabei, eine Fintech-Lizenz zu beantragen.

Welche Kundschaft spricht Ihr Unternehmen an?

Mit einer klaren Marktpositionierung richten wir uns an Krypto-Unternehmen oder Krypto-Börsen wie Bitstamp und Crypto.com. Wir ermöglichen den Geldfluss, der aus der Krypto-Industrie stammt. In der Schweiz schätzen wir die sicheren Rahmenbedingungen und agieren im regulatorischen Umfeld. Mittlerweile bewegt BCB insgesamt etwa 100 Milliarden Franken pro Jahr.

Warum sind Schweizer Banken bisher nicht stärker ins Krypto-Geschäft vorgedrungen?

Privatbanken sind teilweise auf den Krypto-Zug aufgesprungen. Oft verstehen traditionelle Häuser die Krypto-Bewegung und deren Entstehungsgeschichte nicht im Detail. Leider fehlt ihnen das fachliche und das technologische Know-how.

«Ich zweifle, ob das Schweizer Private Banking die heutige Krypto-Kundschaft tatsächlich überzeugen kann»

Wenn Sie sich auf Kundenseite etwa mit einem 25-jährigen Krypto-Nerd konfrontiert sehen, der 50 Millionen Franken durch Krypto-Trading mitbringt, ist es wichtig zu prüfen, woher das Geld genau stammt, um die Mittelherkunft zu verstehen. Das braucht viel Zeit und umfangreiches Krypto-Compliance-Fachwissen.

Sie tun sich also schwer mit dem Krypto-Business?

Nicht nur das. Ich zweifle auch, ob das Schweizer Private Banking, so wie es gross geworden ist, die heutige Krypto-Kundschaft tatsächlich ansprechen und überzeugen kann. Viele Anleger in digitalen Vermögenswerten wünschen sich ein dezentrales Finanzwesen ohne herkömmliche Banken.

Laufen die Traditionshäuser hier Gefahr, dass sie durch die Neobanken abgehängt werden?

Im Krypto-Bereich nicht. Leider hat noch keine Schweizer Neobank ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Neon beispielsweise ist nicht direkt eine Bank. Aber wenn Sie Neon nutzen, werden die Gelder von einer Schweizer Bank (Hypothekarbank Lenzburg) gehalten und nur für Schweiz ansässige Personen verfügbar.

«Leider ist noch keine Schweizer Neobank ein erfolgreiches Geschäftsmodell»

Yapeal gilt als ‹volldigitale› Schweizer Handy-Bank und befindet sich momentan in einer Restrukturierung und Neuausrichtung der Organisation. Am Ende wollen alle Revolut kopieren. Revolut ist aber keine Bank, sondern ein Fintech-Unternehmen.

Bahn frei für die Alteingesessenen?

Die Neobanken sind eine Herausforderung, weil Kunden zunehmend das Freemium-Modell erwarten. Krypto allerdings wird sich überall gleichzeitig einschleichen, diese Entwicklung läuft an, vom krypto-denominierten Konto hin zum Krypto-Depot. Nicht jeder Krypto-Nutzer will seine Private-Keys selbst verwalten. Die Private-Keys ermöglichen den Zugriff auf die entsprechenden Kryptowährungen.

Zusammenbrüche wie Terra-Luna und Insolvenzen wie Celsius haben das Vertrauen in die Krypto-Industrie schwer erschüttert. Fast überall fordern Politiker und Behörden jetzt schärfere Regulierungen. Das dürfte doch die Entwicklung der Krypto-Branche bremsen?

Es ist höchste Zeit. Zuzuschauen, wie sich zig US-Aufsichtsbehörden gegenseitig über den Mund fahren, ist kaum auszuhalten. In Europa passiert dasselbe. Mit dem Regelentwurf Markets in Crypto Assets, kurz MiCA genannt, kommt nun endlich ein Rahmen, der EU-weit für Einheitlichkeit und Verbindlichkeit sorgt.

«Zuzuschauen, wie sich zig US-Aufsichtsbehörden gegenseitig über den Mund fahren, ist kaum auszuhalten»

Der Regelungsrahmen wird Anleger besser schützen und die Finanzstabilität wahren, gleichzeitig aber Innovationen ermöglichen und die Attraktivität der Krypto-Branche fördern. Für mich ist dies ein Zeichen des Fortschritts, nicht der Einschränkung.

Was macht MiCA besonders gut?

Vereinheitlichung. Normen und Begriffe werden klar festgeschrieben, so dass jeder das Gleiche versteht. Auch die Rollen sind klar verteilt. Erstmals wurde jetzt ein Fundament gelegt, das für einen gemeinsamen Regelungsrahmen sorgt. Er zielt primär darauf ab, einen einheitlichen Ansatz in allen 27 Mitgliedstaaten zu schaffen. Zudem wird MiCa Konsumenten vor einigen der mit Investitionen in Kryptowerte verbundenen Risiken schützen und ihnen helfen, betrügerische Praktiken zu meiden.

Warum sind Stablecoins derart ins Schussfeld geraten?

Ob man Stablecoins so hart anpacken muss wie bei MiCA, ist umstritten. Der Zusammenbruch von Terra-Luna hat wohl dazu beigetragen. Tether wiederum konnte seit Anbeginn die Zweifel an ausreichend hohen und liquiden Reserven nie ausräumen. Dagegen ist der an den Dollar gekoppelte USDC von Circle mit hochliquiden Assets hinterlegt und ein Paradebeispiel für Stablecoins.

Wird digitales Zentralbankgeld Stablecoins künftig aus dem Markt drängen?

Stablecoins werden wohl unter Druck kommen, sobald die ersten Digitalwährungen der Zentralbanken (CBDC) auftauchen. Ob und wie schnell dies geschehen wird, hängt ganz von der Ausgestaltung der CBDC ab. Wenn sie fast gleich wie Bargeld daherkommen, einfach Cash in elektronischer Form, anonym, stabil und nicht abschaltbar, dann bleibt wahrscheinlich kein grosser Anwendungsfall für Stablecoins übrig, ausser für Spezialfälle mit Smart-Funktionen.

Weshalb haben die führenden Notenbanken noch keine CBDC lanciert?

Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld ist eine grosse Herausforderung, und die Entscheidung hat weitreichende Folgen. Dass sich Notenbanken Zeit lassen und die Konsequenzen sorgfältig überdenken, begrüsse ich.

«Lieber spät und richtig als vorschnell und potenziell desaströs»

Mit den Stablecoins haben wir ja auch eine Ersatzlösung. Die Notenbanken stehen also nicht unter Zeitdruck. Lieber spät und richtig als vorschnell und potenziell desaströs.

Zurück zu MiCA. Muss die Finma jetzt nachbessern?

Regulierung ist eine Daueraufgabe, denn Technologie entwickelt sich stets weiter. An dezentralisierte Finanzmärkte (DeFi) etwa hat vor einigen Jahren kaum jemand gedacht. Es gibt immer wieder Neues, daher muss fortzu nachgebessert werden, wenn wir die Schweiz weiter als Crypto Nation puschen wollen.

Stärkt die Regulierung den Investment-Case für Bitcoin & Co?

Ja, denn eine gute Regulierung führt zu Rechts- und Investitionssicherheit. Mit einer stärkeren Regulierung steigt das Vertrauen und somit die Akzeptanz der Krypto-Assets.

Der Krypto-Winter ist eingezogen. Was erwarten Sie von der Marktzäsur?

Es ist nicht der erste Krypto-Winter, der sich über die Branche legt. Niemand weiss, wie hart er ausfallen wird. Aber die Krypto-Industrie wird auch dieses Mal gestärkt aus der Krise hervorgehen.

«Jetzt ist die Zeit angebrochen, da sich in der Krypto-Branche die Google von Morgen herauszuschälen beginnen»

Schwache Unternehmen und Wettbewerber wie Celsius, die offensichtliche Konstruktionsfehler hatten, werden nun vom Markt bestraft und rausgespült. Die Top-Player dagegen kaufen zu und stärken ihre Geschäftsmodelle. Jetzt ist die Zeit angebrochen, da sich in der Krypto-Branche quasi die Google von Morgen herauszuschälen beginnen.


Mike Hofer ist Chief Banking Officer bei der BCB Group, einem britischen Zahlungsdienstleister für die Digital-Asset-Industrie, der auch in der Schweiz ansässig ist. Der gebürtige Berner zählt zu den Pionieren des Krypto-Banking mit rund 30 Jahren an Erfahrung im Bereich Bankensoftware. Als zertifizierter Bank-Treasury- und Risikomanager (BTRM) mit einem IT-Diplom verfügt er über einen reichen Erfahrungsschatz in der Branche, sowohl im Schweizer Fintech-Bereich als auch darüber hinaus. Bevor Hofer zur BCB Group stiess, bekleidete er leitende Funktionen bei FIS, Sungard und AxeTrading.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.66%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.51%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.25%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.16%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.43%
pixel