Gregor Hirt: «Ich wusste – das ist unsere Chance in der Schweiz»
Die geopolitischen Spannungen, ein schwächelnder Dollar und der Finanzplatz Schweiz als sicherer Hafen: Allianz-GI-Manager Gregor M.A. Hirt spricht er über eine fundamentale Neuausrichtung der Kapitalströme, die Renaissance Europas und erklärt, warum die Schweiz für seinen Konzern jetzt strategisch besonders wichtig ist.
Herr Hirt, die Märkte bleiben nervös – zuletzt sorgten die von Trump erlassenen Zölle für Turbulenzen. Rechnen Sie mit anhaltender Volatilität bis Jahresende?
Wir stehen erst am Anfang des Juni – und haben in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bereits Veränderungen erlebt, wie sie sonst über Jahre hinweg geschehen. Das sind tiefgreifende Entwicklungen.
Der Zollstreit ist noch nicht gelöst. Wie besorgt sind Sie?
Die US-Regierung behandelt das Zollthema mit fast religiösem Eifer. Bisher konnte das Schlimmste vermieden werden – doch ich glaube, viele bleiben zu optimistisch.
Was lässt Sie daran zweifeln?
Die US-Märkte haben sich erholt und stehen besser da als vor dem sogenannten «Liberation Day». Das scheint uns schwer nachvollziehbar – denn der Konflikt ist nicht vorbei. Die Verhandlungen laufen schleppend. Die USA haben in dieser Konstellation am meisten zu verlieren. Das stimmt uns vorsichtig.
«Früher galten US-Treasuries und der Dollar als sichere Anlage. Unter Trump hat sich das geändert.»
Sind die Risiken also weiter präsent?
Ja. Trotz günstiger Ausgangslage in Europa – moderater Inflation und tieferen Energiepreisen – mahnen wir zur Zurückhaltung. Höhere Zölle bedeuten enorme Bürokratie, das hat uns der Brexit schmerzhaft vor Augen geführt.
Welche Rolle spielen geopolitische Krisen in Ihrer Einschätzung?
Sie sind ein erheblicher Unsicherheitsfaktor. Neben dem Krieg in der Ukraine bleibt auch die Lage in Kaschmir angespannt. Noch mehr Sorgen macht mir allerdings etwas anderes.
Was genau?
Ich nenne es die «Pandora-Box des sicheren Hafens USA»: Früher galten US-Treasuries und der Dollar als sichere Anlage. Unter Trump hat sich das geändert. Er schwächt den Dollar gezielt, kümmert sich nicht um die hohe Staatsverschuldung und verspricht neue Steuergeschenke. Das hat das Vertrauen vieler Langfristinvestoren erschüttert, auch in Asien – einige beginnen, Dollarpositionen abzubauen.
Europa erlebt parallel eine neue Dynamik. Wie nachhaltig ist dieser Trend?
Die fiskalpolitische Wende – sprich: die Bereitschaft, in Infrastruktur und Verteidigung zu investieren – wird unterschätzt. Sie ist zentral für ein strukturelles Wachstum, von dem ganz Europa profitieren kann. Nötig sind aber auch Reformen im Arbeitsmarkt und eine Deregulierung – ähnlich wie zuletzt unter Kanzler Schröder mit seiner «Agenda 2010».
«In Europa kann hier höchstens London mit dem Finanzplatz Schweiz mithalten.»
Sie haben das Schweizer Geschäft ausgebaut. Spielte die CS-Krise dabei eine Rolle?
Die Schweiz war für uns immer ein strategischer Markt – aber der Zugang war schwierig, weil die Grossbanken so dominant waren. Als die CS-Krise eskalierte, war für mich klar: Jetzt ist unsere Chance. Die Schweiz braucht neben dem ganz grossen Player weitere internationale Akteure mit lokalem Verständnis. Deshalb haben wir unser Engagement ausgebaut und neben dem schon etablierten Fixed-Income-Bereich auch Multi-Asset-Strukturen eingeführt.
Ein richtiger Entscheid?
Absolut. Die Entwicklung bestätigt unsere Strategie.
Hat die CS-Krise dem Finanzplatz nachhaltig geschadet?
Ich sehe den Schweizer Markt weiterhin sehr robust. Die Offenheit, die zentrale Lage und die Fähigkeit, Talente anzuziehen – insbesondere über Institutionen wie die ETH – sind grosse Pluspunkte. Diese Stärken müssen gepflegt werden, genauso wie die exzellenten Rahmenbedingungen, etwa auch mit Blick auf das steuerliche Umfeld.
Wie beurteilen Sie die Innovationskraft des Finanzplatzes?
In Europa kann hier höchstens London mithalten. Was die Schweiz auf kleinem Raum leistet, ist beeindruckend – und genau deshalb setzen wir hier langfristig auf Wachstum.
Gregor M.A. Hirt ist Global Chief Investment Officer (CIO) Multi Asset und Managing Director bei Allianz Global Investors.