Das ändert sich. Es findet eine Verschiebung statt, weg von den «Super-CEOs», die zum Beispiel damit angeben, nur vier Stunden pro Nacht zu schlafen und schon vor sieben Uhr ihre Emails gelesen und ihr Fitnessprogramm absolviert zu haben. Die Manager, die wir jetzt bewundern, scheinen ein etwas ausgewogeneres Leben zu führen. Das ist ermutigend.

Wie sieht denn der Idealfall aus?

Wenn man im Topmanagement für wichtige Entscheidungen verantwortlich ist, sollte man so zu sich schauen, dass man diese auf effektive Art und Weise treffen kann. Für die meisten Menschen bedeutet das, dass wir zwischen sieben und neun Stunden Schlaf pro Nacht brauchen. 

Gibt es auch negative Beispiele?

Ich habe von Managern gehört, die zwar zugeben, dass Ruhephasen wichtig sind, allerdings zugleich nach Mitternacht Emails verschicken, auf die sie innerhalb weniger Stunden eine Antwort erwarten. Ich habe auch schon erlebt, wie Führungspersonen selbst zwar den Empfehlungen folgen, dann aber ihr Sekretariat bitten, die Zeit im Fitnessstudio als Kundenmeeting zu deklarieren – das ist dumm, weil damit ja die wichtige Vorbildfunktion verloren geht. 

Wie verhält es sich mit schwereren Fällen wie Burnout, Erschöpfung oder sogar Selbstmordversuchen?

Wenn etwas so schlimmes passiert, müssen Firmen das ernst nehmen. Das ist nicht einfach nur ein HR-Problem, es ist auch ein Reputationsrisiko. Das ist zwar eine etwas unglückliche Art, dieses Thema zu betrachten, aber wenn man das Problem nicht rechtzeitig an der Wurzel packt, hat das längerfristig negative Auswirkungen. Jedes unserer Programme beginnt mit einem ausführlichen medizinischen Checkup und ich schätze, dass wir von zehn Personen bei einer oder zwei auf ernsthafte Probleme stossen, deren man sich annehmen muss. 

Wie bekommt man die Wurzel des Problems denn zu packen?

Letztlich ist das eine Frage der Organisationskultur. Niemand bewegt sich in einem Vakuum. Vielmehr sind die Kultur einer Organisation und das individuelle Wohlbefinden miteinander verwoben und beeinflussen einander.

In der Schweiz identifizieren sich die Menschen in der Regel sehr stark mit ihrer Arbeit.

Das macht unsere Arbeit noch komplexer. Der Wandel könnte hier etwas langsamer Einzug halten. 


Annastiina Hintsa ist die operative Chefin von Hintsa Performance, einem Beratungs- und Coachingunternehmen, das von ihrem Vater, dem Unfallchirurgen Aki Hintsa, im Jahr 2000 gegründet wurde. Das Unternehmen hat mehr als 100 Angestellte. Ursprünglich lag der Fokus auf Fahrern und Teams in der Formel 1, in den letzten Jahren sind vermehrt Unternehmen dazugekommen, darunter die Bank Santander und der Versicherer Zurich. Hintsa ist 31 Jahre alt und hat einen Abschluss in Volkswirtschaft von der Aalto Universität. Sie begann ihre Karriere beim Beratungsunternehmen McKinsey.