Die verschärfte Corona-Pandemie und die damit verbundenen Massnahmen der Behörden haben Konsequenzen: Sie schüren vor allem Unsicherheit. Damit können viele Menschen schlecht umgehen. Dennoch gibt es Wege, diese Situation erfolgreich zu meistern.  

Von Silke Weinig, Coach für Selbstmanagement und Resilienz

Ob es um Covid-19, den Klimawandel oder die eigene berufliche Zukunft geht: Ungewissheit macht vielen Menschen Angst. Unser Bedürfnis zu wissen, was kommt, ist genauso hoch wie unser Bedürfnis nach Schlaf oder Nahrung.

Das menschliche Gehirn nimmt Mehrdeutigkeit als Bedrohung wahr, weswegen es unsere Fähigkeiten darauf reduziert, sich einzig auf die vermeintliche Schaffung von Sicherheit zu konzentrieren. Ein Trugschluss – denn so fokussieren wir uns mehr auf unser Problem und unsere Sorgen, als uns guttut.

Ungewissheit verursacht Angst

Untersuchungen zeigen, dass beispielsweise Unsicherheit am Arbeitsplatz unsere Gesundheit stärker beeinträchtigt als der tatsächliche Jobverlust. In einem anderen Experiment waren Probanden, denen mitgeteilt wurde, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent einen schmerzhaften elektrischen Schlag erhalten werden, weitaus ängstlicher und nervöser als Versuchsteilnehmer, die glaubten, dass sie den Schock definitiv erhalten würden.

Fazit: Können wir den Ausgang eines Ereignisses einschätzen, arrangieren wir uns irgendwie mit dem Ergebnis. Es ist die Ungewissheit, die Angst verursacht.

Wir Menschen haben ein grosses Bedürfnis nach einer geordneten und sicheren Welt. Wir wünschen uns Kontrolle über unser Leben, ganz besonders in bedrohlichen Situationen, dabei ist Unsicherheit die einzige Gewissheit, die es gibt. Wenngleich es uns widerstrebt, ist es manchmal – vielleicht immer – effektiver, sich nicht um Sicherheit zu bemühen, sondern zu lernen, wie man mit Unsicherheiten umgeht.

1. Akzeptieren Sie den Moment

Ohne Frage leben wir in herausfordernden Zeiten. Die aktuelle Realität zu verleugnen oder klein zu reden hilft jedoch nicht, uns davon zu erholen, etwas daraus zu lernen, zu wachsen oder uns besser zu fühlen. Statt den Schmerz zu dämpfen, verstärken sich die Sorgen und Ängste nur, denn unser Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle lässt sich damit nicht befriedigen.

Nun gibt es leider keine Kristallkugel, in der wir unsere Zukunft voraussehen können. Also hilft es nur, im Moment zu sein und diesen so, wie er ist, zu akzeptieren. Studien belegen, wie wohltuend Akzeptanz – vor allem Selbstakzeptanz – für uns ist. Denn sie ermöglicht es uns, die Wahrhaftigkeit des gegenwärtigen Moments zu sehen, und das gibt uns enorme Freiheit. Statt durch Unsicherheit oder Angst gelähmt zu sein, bleiben wir handlungsfähig.

Akzeptanz bedeutet dabei nicht, dass man mit dem, was ist, zufrieden zu sein hat oder Missstände unverändert lässt. Es bedeutet nur, dass wir uns auf die aktuelle Situation konzentrieren. Beispielsweise wird unsere Beziehung nicht besser, wenn wir in ständiger Angst leben, verlassen zu werden, weil wir in letzter Zeit viel streiten. Akzeptanz bedeutet anzuerkennen, dass wir im Moment Probleme haben. Statt uns von Zukunftsangst lähmen zu lassen, ermöglicht uns die Akzeptanz, nach Lösungen zu suchen.

2. Seien Sie im Moment

Das Gegenteil von Unsicherheit ist nicht Gewissheit, sondern Präsenz. Statt uns von unseren Sorgen übermannen zu lassen, lenken wir lieber unsere Aufmerksamkeit auf unseren Atem. Dadurch können wir achtsam im Moment sein. Wenn wir das Gefühl haben, dass alles ausserhalb unserer Kontrolle liegt, haben wir es immer noch in der Hand zu bestimmen, worauf wir achten.

Also: Wenn wir essen, essen wir (und checken dabei nicht noch Mails). Wenn wir auf dem Weg nach Hause sind, sind wir auf dem Weg nach Hause (und hören keine Radionachrichten, über die wir uns nur aufregen). Wenn wir mit einer Freundin reden, reden wir mit der Freundin (und denken nicht an die Erledigungen von morgen).

Verstärken können wir diese Achtsamkeit, indem wir alles eliminieren, was unsere Aufmerksamkeit ablenkt, wie zum Beispiel Medienmeldungen, Social Media Alerts oder sonstige Nachrichten, die nur unsere Worst-Case-Fantasien befeuern. Kümmern wir uns lieber um das, was gerade hier in der Gegenwart in unserer inneren Welt passiert. Das ebnet den Weg zu mehr Ruhe und Gelassenheit.

3. Schaffen Sie Sinn in der Unsicherheit

Wir Menschen können schwierige Situationen und Schicksalsschläge besser verarbeiten, wenn wir ihnen einen Sinn zuschreiben. Damit geben wir dem Geschehenen einen Wert und können seine Auswirkungen besser in unser Leben integrieren. Insbesondere soziales Engagement lässt uns Menschen viel Sinn erleben. Anderen zu helfen ist motivierend und tut gut. Das zeigen viele Studien. Nachgewiesen ist auch, dass wir uns gut fühlen, wenn wir aufhören, zu viel an uns selbst zu denken, und stattdessen andere unterstützen.

Welche Fähigkeiten, Talente oder Interessen haben Sie, mit denen Sie andere unterstützen können? Dabei reichen kleine Taten, wie dem Nachbarjungen bei den Schulaufgaben zu helfen, für eine erkrankte Kollegin einkaufen zu gehen oder einen ehemaligen Lehrer zu besuchen oder anzurufen, der einsam ist. Diese kleinen Aufmerksamkeiten erden uns, schaffen Sinn und lassen uns wissen, welche Bedeutung wir für andere haben.

Dem Dalai Lama wird das Zitat zugeschrieben: «Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann. Der eine ist gestern, der andere morgen.» Sich ständig mit «Was-wäre-wenn»-Horrorszenarien auseinanderzusetzen ist müssig. Man kann dadurch weder Schicksalsschläge noch Katastrophen abwenden.


Die studierte Wirtschaftsgeografin Silke Weinig hat als Marketing- und Kommunikationsspezialistin in der Automobil- und Informatikindustrie gearbeitet, bevor sie sich nach einem Aufbaustudium in Psychologie als Coach und Trainer selbständig machte. Ihre Kernkompetenzen liegen dabei in den Bereichen «Selbstmanagement» und «Resilienz». Unter diesen Gesichtspunkten begleitet Weinig Menschen und Unternehmen in Veränderungsprozessen. Sie führt zudem einen Blog zu aktuellen psychologischen Themen wie Achtsamkeit, Motivation oder Willensstärke.