Vom Stift zum Bankchef – solche Karrieren sind im Swiss Banking immer möglich gewesen. Doch nun hat der massive Wandel der Branche auch die Berufslehre erfasst. Was bedeutet das?

Was haben Sergio Ermotti, Martin Scholl und Iqbal Khan gemeinsam? Jeder ist für eine der drei grössten Banken der Schweiz tätig. Ermotti bei der UBS, Scholl bei der Zürcher Kantonalbank und Khan bei der Credit Suisse (CS), haben es ins Topmanagement geschafft – und das von der Pike auf. Allesamt begannen sie ihre Karriere einst als Lehrlinge.

Das duale Bildungssystem mit der Berufslehre, auf das die Schweiz bei jeder Gelegenheit stolz verweist, hat für die drei Bankmanager folglich bestens funktioniert. Doch die Frage stellt sich: Schaffen es heutige Bankstifte noch immer, in die Fussstapfen ihrer obersten Chefs zu treten? Denn nicht nur das Banking, sondern auch die Berufslehre erlebt einen radikalen Wandel.

Damit, fürchten Beobachter, könnte Karrieren wie jene von Ermotti & Co bald der Vergangenheit angehören.

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(Sergio Ermotti, CEO UBS)

Jetzt wird ein Hochschulabschluss verlangt

Einer dieser Warner ist Stephan Surber, Chef des Kadervermittlers Page Executive in der Schweiz und selbst ehemaliger Grossbanker. «Nach einer Banklehre Karriere zu machen, wird heute zunehmend schwieriger», sagt er gegenüber finews.ch. Er beobachte vermehrt in Stellenausschreibungen, dass ein Hochschulabschluss für Bankjobs gefordert werde, wo zuvor eine solche Ausbildung nicht nötig gewesen sei.

Surber: «Im Bankfach hat eine starke Professionalisierung stattgefunden, gerade im Private Banking, wo die Berater interne Ausbildungen und eine Zertifizierung durchlaufen. Mittlerweile gibt es sogar ein MBA fürs Wealth Management.»

Gefährdete Anfängerjobs

Allein, nicht nur die Akademisierung legt Lehrlingen Hindernisse in den Weg, glaubt man Surber. Auch der technologische Fortschritt macht sich bemerkbar. «Nicht zuletzt wegen der Digitalisierung des Backoffice und der Auslagerung in Servicezentren sehen wir die Gefahr, dass die traditionellen Anfängerjobs für Lehrlinge zunehmend wegfallen», sagt der Headhunter. Damit würden die Einstiegschancen für jene Jungen, die nicht von der Universität kommen, abermals schwinden.

Wird die Berufslehre für Banking-Karrieren zunehmend zur Sackgasse? Einer, der es wissen muss, ist Christian Wölfle, seit 2018 Rektor am KV Zürich. Dort stellt das in der Limmatstadt starke Finanzwesen traditionell einen grossen Teil der Auszubildenden. Und obwohl jener Anteil in den letzten Jahren stabil gewesen ist, nimmt Wölfle seinerseits Veränderungen war.

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(Iqbal Khan, CEO International Wealth Management, Credit Suisse)

Klares Bekenntnis

So spricht auch Wölfle von einem «Upskilling», im Banking wie in anderen Sektoren. «Generell werden damit an die Lernenden höhere Ansprüche gestellt», so Wölfle. Wie Surber erwartet er zudem, dass einfache und repetitive Jobs mit der Digitalisierung wegfallen. «Dafür werden sich neue Berufsfelder ergeben – und weiterhin kennt auch das Banking einen Fachkräftemangel», stellt Wölfle fest.

Doch suchen die Banken diese Fachkräfte noch unter Lernenden? Anfragen von finews.ch bei der UBS, der CS und der ZKB haben ergeben: Die Anzahl der KV-Lehrstellen bei den drei grossen Geldhäusern entwickelt sich stabil, und die Institute bekennen sich klar zur Ausbildung.

900 Berufsschüler bei der UBS

So verfügt die CS insgesamt über rund 600 Lernende von KV, IT-Lehre sowie Mittelschulabsolventen. Im August werden zudem über 200 Jugendliche eine Grundausbildung bei der Grossbank starten. 410 Ausbildungsplätzen betreibt derweil die ZKB. Die Anzahl der Lernenden, die dort neu eine Lehre beginnen, ist über die letzten drei Jahre konstant bei knapp 100 geblieben.

Die UBS schliesslich ist mit aktuell über 1’600 Auszubildenden einer der grössten privaten Ausbilder der Schweiz. An die 900 Lernende absolvieren beim Schweizer Marktführer derzeit eine Berufslehre.

Wille zur Weiterbildung

Alle drei Häuser versichern zwar, das Chefkarrieren von der Pike auf immer noch möglich seien. Gleichzeitig wird aber auch betont, dass es dazu eine stete Weiterbildung braucht. «Die Banklehre ist nach wie vor ein sehr gutes Fundament für eine spätere Bankkarriere», sagt Eliska Vogt, Leiterin Junior Talent Schweiz bei der UBS. «Wichtig», sagt Vogt, «ist aber der stete Wille zur Weiterbildung und die Flexibilität.»

Bei der ZKB heisst es dazu lapidar: «Unsere Kaderfunktionen benötigen je nach Funktionsstufe entsprechende Aus- und Weiterbildung.» Die CS erkennt derweil die klare Tendenz, dass junge Mitarbeitende rasch nach der Lehre eine weiterführende Ausbildung – meist an einer Fachhochschule – in Angriff nehmen.

Pilotprojekt für alternatives KV